Heidi Cullinan

Winterfunke


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arrangiert. Susan näht die Kostüme und ich habe es geregelt, dass du Fahrstunden bei Mr. Peterson nehmen und dir eins von seinen Pferden leihen kannst. Natürlich sprichst du dich mit Gabriel ab –«

      »Mom.« Bei dem Drang, diesen Zug zu stoppen, bevor seine Mutter ihn auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt hatte, schnürte sich Arthurs Brust zusammen und es verlangte ihm Übermenschliches ab, nicht dabei zu fluchen. »Mom, ich werde mich nicht als Weihnachtsmann verkleiden, ich werde den Schlitten nicht fahren und ich spreche mich sicher nicht mit diesem –«

      »Oh, Arthur. Du musst den Weihnachtsmann spielen. Du bist perfekt dafür und, ganz ehrlich, es gibt niemand anderes. Gabriel ist viel zu dünn. Würdest du das tun, Schatz? Für mich? Für die Kinder? Für die Bibliothek?«

      Inzwischen stand Thomas neben ihnen und schaute Arthur bewundernd an. »Du spielst mit dem Weihnachtsmann?«

      Corrina hockte sich auf Thomas' Augenhöhe. »Das stimmt. Der Weihnachtsmann kommt nach Logan. Onkel Arthur repariert seinen Schlitten und dann wird er alle damit in der Stadt herumfahren.«

      Thomas nahm Arthurs Hand und drückte sie fest. »Onkel Arthur, darf ich auch mit dem Weihnachtsmann spielen?«

      Oh Scheiße.

      Arthur warf seiner Mutter einen letzten, verzweifelten Blick zu, doch sie war viel zu beschäftigt damit, Thomas zu versprechen, dass es ganz wundervoll werden würde, wenn der Weihnachtsmann Schlittenfahrten in Logan veranstaltete.

      Wenn Arthur seinen Kopf aus dieser Schlinge bekommen wollte, musste er es selbst tun.

      ***

      Gabriel liebte es, die Bibliothek zu öffnen.

      Es war seine Lieblingszeit des Tages, wenn alles still war und er die Möglichkeit hatte sicherzugehen, dass die Regale geordnet und makellos aussahen. Natürlich sah er jeden Abend nach dem Rechten, wenn er nach Hause ging, doch normalerweise verließ er die Bibliothek, bevor sie schloss. Und er mochte es, noch einmal durch die sieben Regalreihen zu schlendern, Buchrücken gerade zu rücken und den Geruch von muffigem, altem Papier und sich zersetzendem Klebstoff tief einzuatmen, bevor er die Türen aufschloss.

      Der Geruch von Büchern. Wenn es einen schöneren Duft auf der Welt gab, kannte Gabriel ihn nicht.

      Die Kinderabteilung mit ihren drei plumpen Kästen neben den Sitzsäcken war wie üblich ein einziges Durcheinander, doch eine Mutter und ihre zwei Töchter hatten sich sehr früh hier eingefunden, während Gabriel sich im hinteren Bereich aufgehalten hatte. Ein Mädchen ließ Spielzeuglaster entlang einer Reihe Bauklötze fahren, die andere versuchte, ihre Mutter zu überreden, eine Filzhandpuppe überzuziehen. Es war zwar erst fünfzehn Minuten vor zehn, aber Gabriel brachte es nicht übers Herz, das anzumerken. Stattdessen ging er in sein Büro, sank in seinen Stuhl und schloss die Augen. Dann klappte er seinen Laptop auf, loggte sich in den Chat ein und betete, dass Alex online sein würde.

      Das war sie und sie begrüßte ihn sofort, als sein Chatprogramm gestartet war. Hey, Süßer. Wie ist die Bibliothek so, die von der Zeit vergessen wurde?

      Er stellte sich vor, wie sie in ihrer sonnendurchfluteten Küche in Bloomington saß, während ihr Baby in seinem Laufstall gluckste, ihr kleines Kind sich einen Film ansah und sie an ihrem Kaffee nippte und Mutterblogs überflog. Er erinnerte sich an die Zeit, als er bei ihr um die Ecke gewohnt hatte, als er ihr Bibliothekar gewesen war.

      Mit einem Seufzen beugte er sich über die Tastatur und tippte eine Antwort. Corrina Anderson will Schlittenfahrten als Benefizveranstaltung anbieten. Ich werde ein Elf sein und ihr Sohn der Weihnachtsmann.

      Fast konnte er die Heiterkeit in ihrer Antwort sehen. Aww. Ich sollte vorbeikommen. Das klingt witzig.

      Es ist ein Albtraum. Er schnitt eine Grimasse und tippte den Rest mit wütendem Nachdruck. Ich kann ihren Sohn nicht ausstehen. Er ist ein großer, einfältiger Trottel und ein Rotschopf. Ein wütendes Karottenrot. Es ist lächerlich. Welches Kind wird glauben, dass er der Weihnachtsmann ist?

      Kinder sind leicht zu überzeugen. Die glauben alles. Und den Erwachsenen wird es egal sein.

      Gabriel war es nicht egal. Sie versucht schon wieder, mich mit ihm zu verkuppeln. Ich würde eher nackt die Main Street runterrennen. Darf ich dich daran erinnern, dass die Höchsttemperatur gestern bei neunzehn Grad lag? Fahrenheit.

      Wenn du dich nicht benimmst, schicke ich dir noch ein animiertes I-Aah-GIF.

      Na klasse. Jetzt hatte er so sehr geschmollt, dass Alex in ihren Muttermodus gewechselt war. Ignorier mich einfach. Ich bin heute ein wenig launisch.

      Du bist immer launisch, Süßer. Allerdings wirkst du heute besonders launisch. Ist der Kerl so schlimm?

      Ja, Arthur war schrecklich. Er war grob und unhöflich – und klein. Wenn man auf rote, spitzbübische Bären stand, war er sicher ganz süß. Gabriel tat das nicht. Ich wünschte, Corrina würde aufhören, mich mit dem ganzen County verkuppeln zu wollen. Es ist nervtötend.

      Vielleicht versucht sie es nur, weil sie sieht, wie einsam du bist.

      Ich bin nicht einsam.

      Süßer, ich kann von hier aus sehen, wie einsam du bist. Es entstand eine Pause und er wusste, was sie schreiben würde, bevor sie es tat. Du solltest zurück in die Citys kommen. Deine alte Stelle wird bald wieder frei. Denk an das Chaos, das wir zusammen anrichten könnten.

      Er wusste, dass seine alte Stelle frei war, weil sie ihm letzte Woche angeboten worden war. Ich will meine alte Stelle nicht. Ich will in einer kleinen Bibliothek arbeiten.

      Es muss auch kleine Bibliotheken geben, die sich nicht am Rand der Tundra befinden.

      Das war eine alte Diskussion; eine, die Alex nie verstehen würde. Er versuchte es trotzdem noch einmal. Es gibt hier oben Kinder, die mich brauchen.

      Ich weiß, ich weiß. Kinder, wie du einst eines an der kanadischen Grenze warst, einsame homosexuelle Jungs und Mädchen, die gerettet werden müssen. Ich hoffe nur, dass deine Barmherzigkeit dich auch warm hält. Und ich hoffe, dass du diese kleine Stadt nicht als dein ganz persönliches Kloster siehst.

      Gabriel zuckte zusammen. Alex traf immer den Kern der Sache, weil sie immer viel zu viel sah. Andererseits kannte sie ihn auch gut und hatte all seine Fehlschläge gesehen. Sie waren seit dem College befreundet und sie wusste über seine Katastrophen besser Bescheid als er selbst.

      Trotzdem versuchte er, sich zu rechtfertigen. Ich bin kein Mönch.

      Gehst du mit jemandem aus? Denn wenn du das nicht tust, bist du sehr wohl ein Mönch.

      Dafür hatte ich keine Zeit. Es gibt so viel zu tun.

      Natürlich, Bruder Higgins.

      Er verdrehte die Augen. Ich brauche mit niemandem auszugehen. Ich bin glücklich, so wie es ist.

      Ich habe dich bei vier Gelegenheiten glücklich gesehen und jedes Mal warst du betrunken und hast bei einem Kerl losgelassen. Bis du morgens aufgewacht bist und erkannt hast, wie sehr du dich hast gehen lassen. Du solltest dich mal bei diesem rothaarigen Weihnachtsmann gehen lassen, der dich so fuchsig macht. Klingt, als würde der Sex mit ihm fantastisch werden.

      Wütend schnaubte Gabriel durch seine Nase und begann zu erklären, warum er lieber nackt und nass die Main Street runterrennen, als versuchen würde, sich mit Arthur Anderson anzufreunden, doch Alex tippte bereits, bevor er den Senden-Button drücken konnte.

      Hey – das Baby ist wach. Ich muss los. Sei tapfer, Süßer, und halt mich auf dem Laufenden. Versuch, nicht alles so sehr zu hassen. Ich meinte es ernst, dass du das mit dem Kerl in Angriff nehmen sollst. Du musst ja nicht mit ihm schlafen, aber vielleicht ist es gar keine so schlechte Idee, einen Freund zu haben. Sie loggte sich aus.

      Einige Minuten lang starrte Gabriel das leere Chatfenster an und bemitleidete sich selbst. Dann machte er noch einen Rundgang durch die Bibliothek. Die Mutter und ihre Kinder waren gegangen, sodass er die Abteilung aufräumen konnte. Die ganze Bibliothek war sauber.

      Er nahm sich