dieses Tor sich, so daß der Wagen durch den parkähnlichen Garten und zur Villa rollte. Alle unteren Fenster der riesigen Villa waren erleuchtet und hoben sich damit vom abweisend düsterem Mauerwerk ab. Ob dort ein Fest stattfand? Rena war so beeindruckt, daß sie nicht mal zu fragen wagte.
Sie zog sich nur schnell die Mütze ab, als eine Gestalt aus der Villa trat. Dieser Mann mußte zum Personal gehören, denn Klaudia überreichte ihm wortlos die Wagenschlüssel, dann deutete sie an, Rena solle ihr folgen.
In der Halle kam eine Frau mittleren Alters auf sie zu und half Klaudia aus dem Mantel. »Möchten Sie jetzt gleich oder später dinieren, gnädige Frau?«
»Später, Karla. Kommen Sie, Rena.«
Rena stutzte, denn diese Karla wollte ihr ebenfalls die Jacke abnehmen. Sie reichte sie ihr und mußte sich wieder beeilen, um Klaudia auf der Treppe nach oben zu folgen. Es ging durch einen breiten Gang, zwei exquisit eingerichtete kleine Salons und schließlich durch eine Doppeltür in einen Raum, der hoch, geräumig und hellerleuchtet war.
»Ich werd’ wahnsinnig!« hauchte Rena wieder.
Die Wände und Sitzgelegenheiten schimmerten wie champagnerfarbene Seide. Hinter der riesigen Sitzgruppe vor dem Kamin stand ein Regal aus Mahagoni, das einen idealen Abstellplatz für fremdartige Skulpturen bildete. Und dann die modernen Gemälde an der Wand, deren müde Farben für eine stilvolle Harmonie dieses Raums sorgten! Sie war begeistert, blieb staunend stehen und merkte zu spät, daß Klaudia nicht mehr da war.
Durch welche Tür war sie verschwunden? Durch die nach rechts? Rena trippelte über das alte Parkett, als könnte sie ausrutschen. Sie entschied sich für die linke Tür, tastete sich wie eine Diebin durch ein opulent ausgestattetes Boudoir und erreichte instinktiv das Ankleidezimmer der Hausherrin.
Klaudia hatte schon einige Türen eines endlosen Spiegelschranks geöffnet. »Ich habe mich noch nicht entschlossen, ob ich mein Brautkleid verändern soll. Einfache Menschen tun so was ja oder verkaufen es. Oder soll ich es in ein Museum geben?« Sie sah Rena fragend an. »Es fristet seit zwei Jahren ein tristes Dasein zwischen meinen Abendkleidern. Kommen Sie näher, Rena. Hier müßte es sein…«
Beim Anblick von soviel Luxus überrieselte die zweiundzwanzigjährige Praktikantin ein ehrfurchtsvoller Schauer nach dem anderen, als Klaudia von Redwitz plötzlich aufschrie. Sie prallte zurück, landete dann aber an der anderen Spiegelwand, bevor sie zu Boden fallen konnte.
»Sandro!« schrie sie. »Was tust du in meinem Schrank! Wer hat dir das erlaubt?«
Rena, die sich nicht erklären konnte, wem dieser Aufschrei galt, stand sofort hilfsbereit neben ihrer Chefin. Dann erst sah sie in den Schrank. Und was bemerkte sie? Zwischen Seide und Samt, Röcken und Falten schaute sie ein Kindergesicht an. Die dunklen Augen strahlten, und aus dem Mund kam ein keckes Lachen über den gelungenen Streich.
»Der Junge bringt mich noch um!« stöhnte Klaudia, während sie sich aufrichtete. »Sandro ist unmöglich. Kein Tag vergeht, ohne daß er mir einen Schrecken einjagt.«
»Das riecht hier so gut nach Parfüüüm!« Sandro kroch aus den Kleidern heraus. Seine Augen blitzten Rena schelmisch an. »Nach Parfüüüm!« wiederholte er mit gekrauster Nase.
»Du hättest darin ersticken können, Sandro!« schalt Klaudia ihn.
»Nee.«
»Doch! Widersprich nicht! Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?!«
»Hab auf dich gewartet. Es war so langweilig.«
Sie griff sich an die Stirn. »Es ist zum Verrücktwerden mit diesem Kind. Noch immer kann er einige Worte nicht richtig aussprechen.«
Rena mußte den kleinen Jungen trotzdem anlächeln. Zu allerliebst sah er aus mit seinem braunen Lockenkopf, der zwischen den Abendkleidern in Unordnung geraten war. Er mochte fünf oder schon sechs sein. Und nun schaute er sie so niedlich an!
»Ist… er Ihr Sohn? Ich wußte gar nicht…«
»Natürlich nicht! Sandro ist der Sohn meines Mannes. Aus seiner ersten Ehe.« Es klang nicht gerade begeistert. »Seit unserer Hochzeit lebt er bei uns. Nachmittags kümmert sich ein Kindermädchen um ihn. Die verläßt das Haus gegen sieben Uhr, bevor wir dinieren. Dann mopst er sich, obwohl er einen Stock höher ein sehr schönes Spielzimmer hat. Und ich«, sie schüttelte verärgert den Kopf, »ich bin immer das Opfer, wenn er sich etwas einfallen läßt.«
»Und wenn dich keiner gefunden hätte?« fragte Rena ihn.
»Wenn Klaudia im Bett ist, kommt Karla und räumt ihre Kleider weg. Die findet mich dann.«
War diese Karla ihnen nicht schon unten begegnet? Sie schien das Mädchen für alles, und damit auch die Garderobiere für Klaudia von Redwitz zu sein. Welch ein herrliches Leben die Chefin doch führte! Keine lästigen Handgriffe, keine Sorgen, Luxus in Hülle und Fülle, Dienstboten für jede Kleinigkeit und dazu so ein Knirps, der ihr mit Scherzen und Überraschungen seine Liebe zeigte.
»Unsinn! Vor dem Abendessen hätten wir dich wieder gesucht, Sandro!« berichtete Klaudia gereizt. »Dein Vater besteht neuerdings darauf, daß du die Mahlzeiten auch während seiner Abwesenheit mit mir einnimmst.« Sie seufzte vernehmlich. »Sandro kommt nächstes Jahr in die Schule. Mein Mann meint, im Kindergarten verrohen seine Sitten. Ich soll dem entgegenwirken. Und das jeden Abend!«
»Kann ich doch nichts für, Klaudia.«
»Nach deiner Meinung habe ich nicht gefragt!« wurde er jetzt laut gescholten. »Ob dein Vater da ist oder nicht. An mir mußt du dich nicht schadlos halten. So, und nun verschwinde in deinem Zimmer.«
»Darf ich nicht bei dir bleiben?«
»Du siehst doch, daß ich Besuch habe.«
Sandro sah die junge Frau mit den rötlichen Strähnen im Haar bittend an. Rena fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl, weil sie ihm nicht helfen konnte und kam sich reichlich überflüssig vor.
»Aber wenn Sonntag ist, fährst du mich zu Tante Bea, nicht?«
»Das weiß ich noch nicht. Nur, wenn dein Vater anruft und es erlaubt«, gab Klaudia ungehalten zurück. Und nichts an ihr erinnerte noch an die freundliche Chefin, die Rena vor kurzem zum Wein und in ihre Villa eingeladen hatte.
»Ich habe Sie schon zu lange aufgehalten, Frau von Redwitz.«
»So ist es nicht. Der Kleine hat uns nur gestört.«
Da Sandro immer noch im Raum stand, spürte Rena, wie ungerecht er sich behandelt fühlte. »Weißt du, deine Mami wollte mir nur ihr Brautkleid zeigen. Es dauert nicht lange.«
»Sie ist doch gar nicht meine richtige Mami.«
Rena wollte ihm etwas Nettes sagen, aber Klaudias Blick traf sie wie ein Hieb.
»Wie lange es dauert, Rena, das liegt einzig und allein in meinem Ermessen!« sagte sie scharf und scheuchte den Jungen nun aus dem Ankleidezimmer, um dann mit energischem Griff die Hochzeitsrobe aus dem Schrank zu holen. Die steckte in einer Gazehülle, aber als die fiel, kam ein Traum zutage. Ein in üppige Falten gelegter Rock aus schneeweißem Organza war über und über mit Blüten aus dem gleichen Material besteckt. Die Form der Blüten wiederholte sich in einem Ornament aus Perlchen, rankte sich über das Oberteil und endete in einer kunstvollen Spitze am Ausschnitt.
»Das ist ja irrsinnig!« Rena war von dem Anblick überwältigt, aber wagte kaum den Stoff zu berühren. »Sie müssen eine herrliche Hochzeit gefeiert haben. Bestimmt sahen Sie wie eine Königin aus.«
»Und genau das war beabsichtigt!« Klaudia schien versöhnt. Sie breitete den dazugehörigen Schleier aus, dessen Saum ebenfalls mit Organzablüten benäht war. »Es war eine Hochzeit, wie sie sich jede Frau erträumt. Ein Fest, wie es sich für den Beginn einer Ehe und damit für die Erfüllung eines Traumes gehört.«
»Sicher. Eine Frau wie Sie muß sehr glücklich sein.«
»Müssen? Muß ich glücklich sein? Nun ja, Ihre Bemerkung klingt ein