Ludolf Pelizaeus

Der Kolonialismus


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die Kapverden oder Philippinen, welche nicht nur vollständig in die europäische Herrschaft eingegliedert, sondern zudem ganz im Sinne des katholischen Christentums missioniert wurden.

      Amerika brachte eine neue Kategorisierung auch für die europäische Welt. Denn während in Asien die Länder bereits vor dem Eintreffen der Europäer durch ein Kommunikationsnetz miteinander verbunden waren, fehlte dies in Amerika. Die Azteken trieben keinen Handel mit den Inka, man konnte keine Informationen über die Struktur des Inkareiches in Mexiko oder im Mayareich erwerben, ein Kommunikationsraum musste erst geschaffen werden.

      Bildliche Darstellungen zeigen anschaulich Deutung und Bedeutungszuweisung im Kulturkontakt. Für diesen galt, auch außerhalb Amerikas, immer wieder, dass man den Gegner als »Anders«, aber nicht gleichrangig, sondern vielmehr als »minderwertig« ansah. Dabei schwankte die Wahrnehmung in Abhängigkeit von der eigenen Situation, sprich, ob man in einer eindeutig überlegenen oder in einer gefährdeten Position war. Auch in der Bedeutung, die man Eroberungen zumaß, gab es deutliche Abstufungen. Die Eroberung Konstantinopels wurde beispielsweise schon im 15. und 16. Jahrhundert als sehr wichtig eingestuft, während die Eroberung Amerikas als bedeutendes Epochendatum erst im 18. Jahrhundert angesehen wurde. Heute hingegen können die meisten etwas mit dem Datum 1492 verbinden, erheblich weniger jedoch mit demjenigen von1453.

      Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Fabrikation eines Ereignisses, gerade beim Kolonialismus. Aufgrund der Entfernungen kamen selten Zeugen aus den eroberten Gebieten nach Europa und wenn man sie herüberbrachte, wie die Azteken, die der Nürnberger Hans Weiditz malte, so wurden sie wie Tiere bestaunt und ausgestellt, ein Vorgehen, welches sich bis in das 20. Jahrhundert hielt, als Zoo Hagenbeck »Völkerausstellungen« organisierte und man Menschen aus den Kolonien wie Zootiere ausstellte. Die Möglichkeit, die eigene Sicht der Dinge den Eroberern zu schildern, war den Ethnien Afrikas und Amerikas weitgehend verstellt. Die innerasiatische Rezeption wurde hingegen zwar dokumentiert aber bis heute in Europa nicht oder höchstens bruchstückhaft wahrgenommen. Betrachtet man sich den Rezeptionsrahmen für Nachrichten aus den Kolonien in der Frühen Neuzeit, so lassen sich drei Regionen voneinander unterscheiden:

      Zentraleuropa (von Frankreich und England über Skandinavien bis nach Ungarn und Italien): Hier existierte ein weiter Rezeptionsrahmen, in welchem viele Berichte aus der neuen Welt und auch Schriften über die Kriege gegen die Türken, so genannte Turcica, erschienen.

      Iberische Halbinsel: In Portugal und Spanien dominierten die Berichte aus den eigenen überseeischen Gebieten. Spanien hatte nur wenige Druckereien, die überhaupt Berichte veröffentlichen konnten. Dies lag daran, dass Anfang des 16. Jahrhunderts die umfassende Verfolgung von Protestanten und von angeblich heimliches Judentum praktizierenden Conversos begann, so dass die Inquisition stets die Publikationen, und damit aber auch das entstehende Bild kontrollierte. Demzufolge erschienen vielfach mit Spanien und seinen Kolonien verbundene illustrierte Publikationen nicht auf der Iberischen Halbinsel, sondern in England, den Niederlanden und dem Heiligen Römischen Reich, freilich um Spanien zu kritisieren. So prägten die in den Niederlanden entstandenen Illustrationen des Berichtes des spanischen Dominikaners Bartolomé de las Casas mehr das Bild von Amerika, als der zugehörige Text.

      Im Osmanischen Reich (von Ungarn, über den Balkan, Griechenland bis in Türkei) fehlte für die moslemische Mehrheit das Medium Druck. Christliche Minderheiten wie die Armenier betrieben Druckereien, so in Venedig, doch konnte hier kaum eine bildliche Verbreitung und wenn überhaupt nur durch Handschriften erfolgen.

      Die Durchsetzung der katholischen Konfession (Konfessionalisierung) in Spanien beruhte maßgeblich auf der Wirksamkeit der Inquisition als Kontrollorgan auf lokaler oder regionaler Ebene. Um dies Konfessionalisierung sicherzustellen, mussten »ketzerische« Schriften unterdrückt werden, weswegen eine massive Verfolgung der Buchdrucker, die meist aus den Niederlanden oder dem Hl. Römischen Reich gekommen waren, einsetze. Nach Lateinamerika schließlich gelangten, ausgenommen der für die Mission benötigten Bücher, zunächst auch nur wenige Druckerzeugnisse, da die Zensur des Indienrats erst den Inhalt prüfen musste. So war seit 1531 selbst die Einfuhr von »profanen« oder »sagenhaften« Büchern verboten. Doch kann man an der literarischen Produktion in Lateinamerika sehen, dass sich dies im 17. und 18. Jahrhundert änderte, als auf Schmuggelfaden viele Bücher ihren Weg über den Atlantik fanden und dort zur Entwicklung eigener Ideen und Stile anregte.

      So bedingte die Unterschiedlichkeit der Rezeptionsmöglichkeiten und die konstruierte Sicht des Anderen (»Alteritätskonstrukt«) das Bild, welches man sich in Europa von der übrigen Welt machte. Dieses wiederum beeinflusste natürlich auch die in Europa getroffenen Entscheidungen maßgeblich.

      Der Kulturkontakt mit dem »Anderen« kann sehr gut am Beispiel der Eroberung Perus dargestellt werden. Zum Verständnis ist wichtig, dass die Europäer, als Francisco Pizarro nach Peru von Panama aufbrach, keinerlei Kenntnisse von den Bewohnern besaßen und umgekehrt die Bevölkerung des Inkareiches nur vage Gerüchte von den Ankömmlingen erhalten hatte.

      Als 1533 der aus der spanischen Extremadura stammende Kleinadelige Francisco Pizarro mit wenigen Soldaten in Cuzco, der Hauptstadt des Inkareiches, anlangte, wurde er dort enthusiastisch begrüßt. Es herrschte Bürgerkrieg und Manco Inka glaubte, in Pizarro einen Verbündeten gegen seinen Bruder Atahualpa gefunden zu haben. Atahualpa war aber als erster kurz zuvor als Oberbefehlshaber der Nordarmee mit den Spaniern in Cajamarca zusammengetroffen. Doch wurde er festgesetzt und trotz der Sammlung von Lösegeld hingerichtet. Übrig blieb nach Beseitigung der Brüder Huascar und Atahualpa nur Manco Inka, den jedoch ein fehlgeschlagener Aufstand nicht mehr an die Macht brachte. Cajamarca stellt also einen entscheidenden Wendepunkt, ein Schlüsselereignis dar.

      So ist es umso verwunderlicher, dass über das Ereignis in Cajamarca so wenig bekannt ist. Wir kennen noch nicht einmal das Datum der ersten Begegnung zwischen Christen und Inka. Fand das Treffen am 16. November 1532 statt oder eher 1533, im August oder eher am 26. Juli? Auch das Schicksal des Leichnams von Atahualpa ist ungewiss. In Cajamarca begraben, wurde er von seinen Anhängern exhumiert und in einen anderen Teil des Landes gebracht. Doch wohin? Bis heute streitet man sich darüber, ob die erneute Bestattung in Peru oder in Quito stattfand.

      Es handelte sich um ein Zusammentreffen, ein encuentro zwischen zwei Kulturen, die sich erstmals offiziell begegneten. Von den Spaniern hatte man bisher nur gehört, wenngleich die ihnen vorauseilenden Krankheiten, deren prominentestes Opfer der letzte alleinregierende Inkaherrscher Huana Capac war, im Inkareich den Lauf der Geschichte bereits bestimmten. Es sollte nun zur europäischen Zerstörung des tradierten Systems kommen: des kollektiven Gedächtnisses.

      Die Illustrationen des »Kurzgefassten Berichtes von der Verwüstung der Westindischen Länder« aus der Feder von Bartolomé de las Casas sind als eine gedruckte Antwort auf das Vorgehen der Spanier in den Niederlanden ab 1572 zu verstehen. Hauptinteresse der protestantischen Niederlande war es, das Vorgehen der Spanier zu diskreditieren, ihre universale Grausamkeit nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Übersee bloß zu stellen. Daher eignete sich die Darstellung von Las Casas zur Publikation und Illustration in propagandistischer Hinsicht, weil die scharfe Kritik am grausamen Vorgehen der Spanier aus der Feder eines Spaniers stammte und daher von besonderer Legitimität schien. Die Schriften von Las Casas wurden also nicht in ihrem Ursprungsland Spanien, sondern vielmehr in den von Spanien unterdrückten Niederlanden gedruckt.

      Zentrale Intention des vorliegenden Stichs ist die Verurteilung der Handlung der Spanier. Dies geschieht durch eine Reihe von Hilfsmitteln, die wir besser mit dem Textpassagen, die dem Bild zugeordnet waren, verstehen.

      Zunächst wird die Wehrlosigkeit der Indianer mit der Brutalität der Spanier konfrontiert: »Atabaliba, nebst einer großen Menge Volks, das entweder ganz wehrlos war, oder doch nur zum Spaß bewaffnet« war, stand den »Spaniern … die, wenn die Teufel Gold besäßen, selbst diese angepackt und ihnen dasselbe geraubt haben würden«.

      Dann wird im Hauptteil aber darauf Wert gelegt, dass Atahualpa die Spanier treffen wollte: »…wo sind