Ludolf Pelizaeus

Der Kolonialismus


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um Afrika und dann um die ganze Welt begonnen, der als Hochimperialismus (ab 1870/1880) auch zur Beteiligung Belgiens, Deutschlands und Italiens führte. Hinzu kam, dass auch in Asien zunächst der koloniale Eingriff in die Landnutzung, dann die Übernahme des ganzen Landes durch die Kolonialmächte, besonders durch die Niederlande und Frankreich erfolgte.

      Fast alle Länder Asiens waren dabei als »Objekte« der europäischen Kolonialherren betroffen, außer Japan, das sich dank seiner strikten Isolierung von europäischem Einfluss bisher weitgehend freigehalten hatte und nun in eigener Initiative die Europäisierung durchführte und selbst zur asiatischen Kolonialmacht wurde.

      6. 1918-1945 (1914-1930): Schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert kam es zunehmend zu Streitigkeiten und Krisen zwischen den Kolonialmächten, die auch zu verschiedenen Auseinandersetzungen führten. Eine profunde Erschütterung erlebte das System jedoch erst durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der die volle Konzentration der wirtschaftlichen wie humanen Ressourcen auf Europa erforderlich machte und damit den Druck auf und die Ausbeutung der Kolonien erhöhte. Da Deutschland durch seine Niederlage als Kolonialmacht wegfiel (Spanien hatte seine letzten Kolonien bereits 1898 verloren), blieben nun Frankreich und England als führende Kolonialmächte, hinter denen die »Kleinen«, so Belgien, Italien, Niederlande, Portugal und Japan, stark zurück fielen. Die wirtschaftliche Nutzung wurde weiter intensiviert, die Verwaltung ausgebaut und systematisiert, man stellte sich in Europa auf eine noch lange dauernde koloniale Herrschaft ein, in der Afrika und großen Teilen Asiens die Rolle der Rohstofflieferanten für die sich entwickelnde Industrie zugedacht war. Große Konzerne, wie Lever Brothers / Unilever teilten sich die lukrativen Förder- und Produktionsstätten für Öl, Metall, Gold und Diamanten, Kautschuk und andere Rohmaterialen für die Industrieproduktion. Während man in großem Stile Rohprodukte importierte, wurden die Kolonien mit Exportprodukten in großem Umfang beliefert, was einerseits der heimischen Wirtschaft half, andererseits die Kolonien in der Abhängigkeit vom Mutterland hielt.

      7. ab 1945 (1945-1960): Bereits während des Ersten Weltkriegs war die Frage, warum man Soldaten im Ersten Weltkrieg hatte stellen müssen, ohne davon eine Besserung der eigenen Selbstständigkeit zu erleben, aufgekommen. Doch nur für die von »Weißen« besiedelten Staaten »neuenglischen Typs« wie Kanada, Australien, Neuseeland kam es mit dem Westminster Statut von 1931 zu einer fast vollständigen Unabhängigkeit vom Mutterland. So erfolgte in Afrika und Asien die Dekolonisierung gegen den Widerstand der Mutterländer, die mit unterschiedlich repressiven Maßnahmen den Prozess zu verhindern suchten. Dennoch ließ sich nach 1945 das schnelle Ende der Kolonialreiche nicht mehr aufhalten. 1946-1949 wurden die Völkerbund / UN Mandate im Nahen Osten aufgehoben und es gelang den meisten europäischen Kolonien in Asien, selbstständig zu werden, ein Prozess, der mit der Unabhängigkeit von Französisch-Indochina 1954 seinen weitgehenden Abschluss fand. In Afrika nahm die Unabhängigkeitsbewegung 1951 in Libyen ihren Ausgang und dauerte bis 1975, als auch Portugal seine Kolonien nach einem langen Krieg räumen musste.

      Dennoch wirken bis heute viele Abhängigkeits- und Beziehungsmuster nach, ist das Problem der ungleichen Beziehungen immer noch sehr aktuell. Die Kolonien waren für die Kolonialmächte besonders nach dem Ersten Weltkrieg sehr wichtig gewesen. Daher hatten die Europäer überall ihre jeweiligen Ausbildungs-, Verwaltungs- und Siedlungssystem durchgesetzt, welche die Länder bis heute prägen. Dies macht verständlich, warum in vielen früheren Kolonien die, besonders wirtschaftliche Abhängigkeit, als imperiale oder neokoloniale Herrschaft verstanden wird.

      Ein weltumspannendes Phänomen hat natürlich auch weltumspannend Literatur hervorgebracht. Wurde in diesem Zusammenhang zunächst der Schwerpunkt auf die politischen und besonders ökonomischen Effekte gelegt, so stehen heute mehr die kulturellen Austauschprozesse im Vordergrund, und zwar sowohl in den kolonialen Zentren, wie auch in den Metropolen der Kolonialmächte. Durch die Dominanz des englischen und französischen Kolonialsystems bleiben aber die Publikationen in diesen Sprachen vorherrschend, während über Lateinamerika das meiste in Spanisch und Portugiesisch, weniger jedoch in Englisch erscheint.

      2. Die Vorläufer: Entwicklung des Kolonialismus in der Antike und im Mittelalter

      Die griechischen und römischen Kolonien

      Asien, Europa und Nordafrika standen auch vor den großen Fahrten der Portugiesen und Spanier miteinander in Kontakt, wenngleich man diese Beziehungen noch als einen Austausch pflegte. Es war vornehmlich das Mittelmeer mit seiner, wie es Braudel formulierte, alle Anrainer umfassenden Kultur, welche die Drehscheibe für die Kontakte schon in der Antike lieferte. Unser Bild vom Mittelmeer, das geteilt ist in einen afrikanischen und einem europäischen Bereich, ist ein mittelalterliches, das für die Antike keine Gültigkeit besaß. So herrschte im gesamten Mittelmeerraum ein beständiger Austausch, welcher überhaupt das Mittelmeer erst in der Weise prägte, wie wir es heute kennen. Zitronen, Orangen, ja selbst Oliven waren keinesfalls überall verbreitet, sondern verdankten ihren Siegeszug vornehmlich dem Import aus dem arabischen Raum, der dann erst zu einem Anbau an geeigneten Stellen im mediterranen Raum führte.

      Die großen Reiche mit Vasallenstaaten wie die Hethiter, das Ägypten der Pharaonen oder besonders die Karthager und Phönizier sorgten für einen ständigen Austausch von Handelsgütern, über die gesamte Spanne des Mittelmeeres hinweg. Es zeichnete sich jedoch schon hier eine Trennung zwischen den mit dem Mittelmeer verbundenen und den im Osten oder Süden liegenden Kulturen ab. Ägypten trieb auch Handel südlich des fünften Kataraktes, ebenso mit dem babylonischen Großreich, doch blieb man sich nur auf Handelsebene verbunden. Diese grundsätzliche Trennung fand auch in der römischen Welt ihre Fortsetzung, als das Reich der Parther und Sassaniden eine Trennung nach Osten und das von den Römern mit dem Sammelbegriff »Nubier« versehenen Königreich nach Süden eine Trennlinie darstellte.

      Schon die Verwendung des Wortes »Imperialismus« legt eine Verbindung mit dem römischen Imperium nahe und tatsächlich verstanden sich spätere Kolonialreiche, besonders das englische als British Empire, welches das »Kaiserreich Indien« einschloss, gegenüber dem römischen Reich als überlegene Nachfolger.

      Von Stephen Howe stammt eine Definition eines »Imperiums«, als »eine große zusammengesetzte, multi-ethnische oder multinationale politische Einheit, die in der Regel durch Eroberung entsteht und zwischen einem dominanten Zentrum und untergeordneten, geographisch oft weit entfernten Peripherien geteilt ist.«

      Damit wird Kolonialismus und der Aufbau des Imperiums nicht stets in weite Ferne gerückt, sondern kann auch durchaus näher liegen, wie dies, verglichen mit der späteren Zeit, bei den römischen und griechischen Kolonien der Fall war. Damit stellten sie Räume dar, in welchen ein einheitliches Rechtsnormensystem existierte, über das diskutiert werden konnte.

      Dennoch galten für die Kolonien Sonderverbindungen mit dem Mutterland. So gab es bereits eine pharaonische Sudankolonie, altassyrische Kolonien in Kappadokien und besonders die phönizischen Kolonien (10.-8. Jahrhundert v. Chr.) von Karatepe (Türkei) und Zypern (Kypros), über Utica (Tunesien) bis Gades (Cádiz). Dieser Bewegung folgte vom 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. die archaisch griechische Kolonisation. Schon in dieser frühen Phase ist die Entstehung von Stützpunkten von der Krim bis nach Al Mina (Syrien) und nach Spanien erkennbar. An der Schaffung dieses ausgreifenden Gewebes werden das Handelsinteresse einerseits und die Etablierung eines Handelsnetzes andererseits deutlich. Erstmals gelang es über diesen Weg, auch ein größeres Gebiet, nämlich Kleinasien, ohne es zu erobern, weitgehend für eigene Zwecke zu kontrollieren. Ebenso wichtig wurden die Kolonien in der Adria, und zwar gleichermaßen an der balkanischen Adriaküste, wie in Sizilien und Unteritalien. Die Typen von Siedlungen blieben aber unterschiedlich, es entstanden Bauern- und Fischer- aber auch Piratensiedlungen, die den Handel ausnützten, ihn aber nicht immer trugen. Eine ganz neue Bewegung brach erst mit Alexander dem Großen los, der nicht nur griechische Dörfer auf dem Balkan und der Kyrenaika (Libyen) gründete, sondern auch entlang seiner Feldzugsroute bis nach Nordindien und an der chinesischen Grenze.

      So weit sollten später römische Kolonisatoren nicht mehr vorstoßen. Rom machte die Kolonisation zum Eroberungs- und Integrationsmodell, indem es römische und lateinische Kolonien (Coloniae Romanae und Coloniae Latinae) einrichtete und sich somit zunächst innerhalb