Probus nochmals in Ägypten Krieg führen lassen, weil der schon längst gefährliche nubische Stamm der Blemmyer einen Teil des obern Landes, namentlich das schon erwähnte Ptolemais am Nil, eingenommen hatte, und zwar mit Konnivenz der unheilbar aufrührerischen Einwohner. Diese Blemmyer, ein hageres, braunes, flüchtiges Wüstenvolk239, hatten den Transport von den Hafenstädten des Roten Meeres nach dem Nil in ihre Hände bekommen; sie zu unterwerfen oder zu vertilgen war von jeher gleich untunlich gewesen, und so musste man von Zeit zu Zeit mit ihnen abrechnen. Auch diesmal wurden die römischen Generale Meister, gewiss nicht ohne Anwendung harter Strafen. – Aber unter Diocletian fällt ganz Ägypten von neuem ab, und zwar für eine Reihe von Jahren, indes die Kaiser von dem kaum gebändigten Gallien aus zugleich Britannien wieder erobern, einen Usurpator in Karthago bekämpfen, die Einfälle maurischer Völker zurückweisen und sonst fast überall an den Grenzen Krieg führen mussten. Während die Blemmyer sich abermals Oberägyptens bemächtigten, erhob sich (286) in Alexandria ein sonst ganz unbekannter Mensch, L. Elpidius Achilleus240, zum Augustus. Erst nach zehn Jahren (296) war Diocletian imstande, auch hier einzuschreiten. Durch Palästina zog er nach Ägypten, mit ihm241 der 22jährige Constantin, dessen grosse, majestätische Gestalt in den Augen der Menschen den Imperator verdunkelte. Abermals eine lange, achtmonatige Belagerung von Alexandrien, nebst Zerstörung der Aquädukte und, nach der Tötung des Achilleus, eine abermalige, schreckliche Züchtigung. Die Hauptstadt wird dem vermutlich höchst erbitterten Heere zur Plünderung überlassen, der Anhang des Thronräubers geächtet und eine Menge Menschen hingerichtet. Als Diocletian eintritt, meldet die Sage, gebot er zu morden, bis das Blut seinem Ross an die Knie reichen würde; aber nicht weit vom Tor glitt das Tier auf den Leichen aus und wurde am Knie blutig, worauf dem Mordbefehl sogleich Einhalt getan wurde242. Ein ehernes Pferd bezeichnete noch lange die Stelle. In Mittelägypten wurde die Stadt Busiris gänzlich zerstört. Nicht besser ging es den Oberägyptern; hier hatte der reiche Stapelplatz Koptos, wo die Blemmyer sich vorzüglich mochten festgesetzt haben, dasselbe Schicksal wie Busiris243. Bei diesem Anlass aber traf Diocletian (wie Eutrop sagt, sein christlicher Bearbeiter Orosius dagegen verschweigt) auch viele umsichtige Anordnungen, die nachher eine bleibende Geltung behielten. Er schaffte, ohne Zweifel aus guten Gründen, die alte Bezirkseinteilung und die von Augustus herstammende Einrichtung des Landes ab und teilte dasselbe in drei Provinzen, entsprechend der Organisation der übrigen Reichsgebiete244. Für die Sicherheit des Handelsverkehrs wurde dadurch gesorgt, dass er, den Blemmyern gegenüber, einen andern afrikanischen Stamm von der grossen Oase her, die Nobaten, in den bleibenden Sold des Reiches nahm und ihnen ein bisheriges, wenig einträgliches Stück römischen Gebietes oberhalb Syene abtrat, wo sie fortan als Grenzhüter wohnen sollten245. Es war nicht seine Schuld, dass dergleichen Auskunftsmittel bei der Erschöpfung der Heere und der Kassen zur Notwendigkeit geworden waren, und dass man den Nobaten und den Blemmyern gleichwohl noch eine Art von Tribut bezahlen musste. Ganz diocletianisch ist aber die Art und Weise, wie man sie in Eid und Pflicht nahm; auf der Grenzinsel Philae, welche übrigens neue, starke Befestigungen erhielt, wurden Tempel und Altäre für gemeinschaftliche Sacra zwischen ihnen und den Römern neu erbaut oder doch die vorhandenen neu geweiht und mit beiderseitigen Priesterschaften bestellt. Die beiden Wüstenvölker waren ägyptischen Glaubens, die Blemmyer mit besonderer Neigung zu Menschenopfern; sie erhielten oder behielten jetzt auch das Recht, zu gewissen heiligen Zeiten das Isisbild von Philae in ihr Land abzuholen und es dort eine bestimmte Zeit zu behalten. Noch schildert uns eine Inschrift246 den feierlich auf dem Nil sich bewegenden Barkentempel mit dem Bild der Göttin.
Auch eine neue Stadt tauchte seitdem in Oberägypten, nahe bei dem zerstörten Koptos, auf: Maximianupolis, welche der Kaiser nach dem Namen seines ältesten Mitregenten benannte. Vielleicht war es ein blosser Garnisonsort, vielleicht liegt darunter das alte, nur umgetaufte Apollinopolis247.
Selbst das tief in Jammer versenkte Alexandrien erhielt wenigstens einigen Trost; Diocletian wies der Stadt wieder bestimmte Kornverteilungen zu, eine Gnade, welche längst sehr viele auch ausseritalische Städte genossen. Dafür rechneten fortan die Alexandriner die Jahre248 nach seiner Regierungszeit; dafür errichtete ihm der Präfekt Pompeius im Jahre 302 die mit Unrecht nach seinem eigenen Namen benannte Säule, welche noch die Weiheinschrift trägt: dem heiligsten Autokrator, dem Stadtgenius249 Alexandreias, dem unbesiegten Diocletian. Von einem ältern Prachtbau entnommen oder für einen unvollendeten bestimmt, ragt der riesige Monolith noch jetzt aus den kaum mehr kenntlichen Resten des Serapeums empor.
Endlich meldet eine späte250 und teilweise entstellte Notiz, Diocletian habe damals die Schriften der alten Ägypter über die Hervorbringung von Gold und Silber zusammensuchen und verbrennen lassen, damit die Ägypter nicht mehr aus dieser Quelle Reichtümer schöpfen und in dem daher entstandenen Übermut sich gegen Rom empören möchten. Man hat dagegen sehr einleuchtend bemerkt, dass Diocletian die Bücher wohl zu seinem eigenen und des Reiches Gebrauch würde behalten haben, wenn er an die Möglichkeit der Alchymie geglaubt hätte. Aber aus lauter wohlgemeinter Aufklärung, wie Gibbon annimmt, ging sein Schritt doch auch schwerlich hervor. Vielleicht hing die ägyptische Goldmacherei mit anderm scheusslichem Aberglauben zusammen, welchem der in seiner Art fromme Fürst damit begegnen wollte.
Mit Diocletian hören nun die Empörungen Ägyptens plötzlich für eine geraume Zeit auf. Hatte seine Weisheit etwa in der Tat dem Lande wesentlich zu helfen, den Charakter der Einwohner zu bessern oder wenigstens sie auf die Dauer einzuschüchtern vermocht? Genügten die neuen allgemeinen Reichseinrichtungen, um ihnen die Empörung zu verleiden und unmöglich zu machen? Die wahrscheinlichste Erklärung wurde schon früher angedeutet: Zunächst hinderte allerdings die Teilung der Herrschergewalt das Aufkommen eingeborner und lokaler Usurpatoren in den Provinzen; seit Constantin aber fand die ägyptische Leidenschaft in den kirchlichen Streitigkeiten einen Tummelplatz, der den sinkenden Kräften der unglücklichen Nation allmählich angemessener war als das verzweifelte Ankämpfen gegen römische Beamte und Armeen. Der meletianische und der arianische Streit beginnen diese lange Reihe theologischer Aufregungen, sobald das Christentum proklamiert ist; aber auch die Heiden wehren sich hier wie nirgends im Reiche für ihre Religion durch blutige Aufstände251.
In einer Beziehung war Ägypten, wie ganz Afrika, der sicherste Besitz des damaligen Römischen Reiches: abgesehen von einer Anzahl halbwilder Nationen, deren Einfalle man bei einiger Aufmerksamkeit leicht zurückweisen konnte, hatte es die Wüste in seinem Rücken. Während die Rhein-, Donau- und Euphratgrenze von starken, feindlichen Nationen bedroht war, genügten hier verhältnismässig geringe, passend verteilte Garnisonen252. Denn das konnte in jener Zeit noch niemand ahnen, dass einst von Arabien aus ein religiöser und erobernder Fanatismus den ganzen Süden und Osten des Römerreiches in seinem unwiderstehlichen Siegeslauf vor sich aufrollen und sich assimilieren würde253. – Die Nordküste von Afrika war im dritten Jahrhundert gewiss ungleich bevölkerter, als sie seitdem je wieder gewesen ist. Die Monumente Algeriens, die grosse Zahl der später nachweisbaren Bischofssitze, die beträchtliche geistige Bewegung und die derselben entsprechende Stellung in der spätrömischen Literatur lassen auf einen Zustand schliessen, den man nicht nach der verhältnismässigen