bei gänzlichem Mangel an Aufsicht die Bevölkerung von neuem auf diese Lebensweise geriet, jedenfalls waren die Isaurier im dritten Jahrhundert eine der Landplagen des südlichen Kleinasiens. Zur Zeit der Dreissig Tyrannen202 fanden sie es am zweckmässigsten, einen ihrer Anführer, Trebellian, zum Imperator zu erheben, der zu Isaura Hof hielt, Münzen schlug und sich in den wilden Gebirgen eine geraume Zeit hindurch behauptete. Es ist nicht bekannt, auf welche Weise es dem Causisoleus, einem der Feldherrn des Gallienus, gelang, seiner habhaft zu werden, jedenfalls war mit seiner Tötung das Land noch nicht besiegt, vielmehr hielten die Isaurier aus Furcht vor der weitern Rache des römischen Kaisers nur um so fester zusammen. Unter Claudius Gothicus wurde ein neuer Angriff gegen sie unternommen, scheinbar mit viel grösserm Erfolge; der Kaiser konnte bereits die Absicht fassen, sie aus ihren Gebirgen herab nach Cilicien zu führen und daselbst anzusiedeln, während ein vertrauter Diener das leere Isaurien zum Eigentum erhalten und jede Rebellion auf diese Weise unmöglich gemacht werden sollte. Allein der frühe Tod des Claudius scheint das Projekt vereitelt zu haben, und die Isaurier regen sich bald wieder so keck als je zuvor. Unter Probus203 machte einer ihrer Räuberhauptleute, Lydius, Lycien und Pamphylien unsicher; gegen alle Angriffe hatte er sich in dem unzugänglichen Kremna (in Pisidien) nicht bloss befestigt, sondern auch durch Aussaat und Ernte gegen Aushungerung gesichert; die unglücklichen Einwohner, welche er fortgejagt hatte und welche der römische Kommandant ihm wieder mit Gewalt zuschicken wollte, liess er von der Stadtmauer in die Schluchten hinabstürzen. Ein unterirdischer Gang führte aus Kremna unter dem römischen Lager hindurch an ferner, verborgener Stelle ins Freie hinaus; diesen benutzte die Mannschaft, um zu Zeiten geraubtes Vieh und Lebensmittel in die Stadt zu schaffen, bis die Feinde der Sache auf die Spur kamen. Von da an sah sich Lydius genötigt, seine eigene Mannschaft durch Ermordung zu verringern bis auf die unentbehrliche Zahl; auch einige Weiber blieben am Leben, und zwar als ein gemeinschaftlicher Besitz. Endlich ging sein bester Wurfmaschinenmeister, mit dem er sich entzweit hatte, zu den Römern über und schoss aus deren Lager auf die Maueröffnung hin, durch welche Lydius zu spähen pflegte. Der Räuberhauptmann, tödlich getroffen, liess noch die Seinigen schwören, das Kastell nie zu übergeben, was sie nicht hinderte, ihr Wort zu brechen, sobald er den Geist aufgegeben hatte. Allein mit diesem Siege war höchstens Pisidien auf einige Zeit gesichert, das östlich daranstossende Isaurien selbst dagegen blieb in den Händen der Räuber nach wie vor. Eine Aufzeichnung aus der Zeit Diocletians204 spricht hierüber so klar als möglich: »Seit Trebellian gelten die Isaurier als Barbaren, und da ihr Land mitten im römischen Gebiet liegt, so werden sie mit einer neuen Gattung Schutzwachen wie eine Feindesgrenze umzäunt. Die Örtlichkeit allein schützt sie; denn sie selber sind weder stattlich von Wuchs, noch gefährlich durch Tapferkeit, noch in ihrer Bewaffnung ausgezeichnet, noch besonders klug; ihr einziger Trotz ist die Unzugänglichkeit ihrer Wohnsitze in den Gebirgen.«
Jene neue Gattung von Schutzwachen und die Art ihrer Kriegführung gegen das Räubervolk lernt man im Verlauf des vierten Jahrhunderts bei mehrern Gelegenheiten kennen205. Das Reich wandte sich weniger als drei Legionen, später wenigstens zwei auf diesen einen Zweck; der Stab derselben lag wahrscheinlich zu Tarsus in Cilicien und zu Side in Pamphylien, die Magazine in Paleas, während die Mannschaft entweder in den Städtchen und Kastellen des Binnenlandes sich aufhielt oder in mobilen Kolonnen kreuzte. Doch wagte sie sich nicht mehr weit in die Gebirge, seitdem man die Erfahrung gemacht hatte, dass beim steilen Emporklimmen jede römische Taktik verloren sei, sobald von oben Felsblöcke herabgerollt wurden. In der Ebene musste man die Isaurier erwarten, wenn sie in Cilicien, Pamphylien, Pisidien und Lykaonien auf Raub streiften; da wurden sie mit Leichtigkeit überwältigt und entweder niedergemacht, oder zum Tierkampf in die Amphitheater der vergnügungssüchtigen grossen Städte, wie zum Beispiel Ikonium, abgeliefert. Aber selbst den cilicischen Seestrand gelang es nicht immer zu schützen; die alte Seeräubernatur brach bei dem Bergvolk bisweilen so stark hervor; dass sie längere Zeit hindurch (zum Beispiel um 353) gewisse Küstenstriche in ihrer Gewalt behielten und die ganze Schiffahrt nötigten, sich an die Ufer des gegenüberliegenden Cyperns zu halten. Die Belagerung des wichtigen Seleucia trachea, der zweiten Stadt Ciliciens, schien ihnen damals nicht zu gewagt; erst ein grosses römisches Entsatzheer bewog sie zum Abzug. Darauf gelang es nochmals, sie in ihrem Berglande mit einem System von Schanzen und Landwehren für mehrere Jahre einzuschliessen, bis sie im Jahre 359 wiederum in grossen Haufen hervorbrachen und durch ihre Räubereien das Land in Schrecken setzten; mit zweckmässigen Drohungen mehr als mit Strafen sollen sie dann abermals zur Ruhe gebracht worden sein. Ein neuer Ausbruch über Pamphylien und Cilicien, wobei sie ermordeten, was ihnen in die Hände fiel, wird zum Jahre 368 berichtet; eine Schar leichter römischer Truppen mit einem der höchsten Reichsbeamten, dem Neuplatoniker Musonius, an der Spitze, liess sich in einer engen Schlucht von ihnen überfallen und niedermachen. Darauf drängte und verfolgte man sie rastlos von Ort zu Ort, bis sie um Frieden baten und denselben gegen Stellung von Geiseln erhielten. Eine ihrer vornehmsten Ortschaften, Germanikopolis, führte wie gewöhnlich, so auch bei dieser Unterhandlung das Wort; von besonders mächtigen Häuptlingen oder Fürsten ist nicht die Rede. Acht Jahre später unter Valens kommen sie von neuem zum Vorschein; um das Jahr 400 muss der Feldherr Fravitos Cilicien von Räubern reinigen; im Jahre 404 besiegt der Feldherr Arbazacius die Isaurier und lässt sich dann von ihnen bestechen, worauf sie mehrere Jahre nacheinander ihr altes Wesen treiben. So ging es bis tief in die byzantinische Zeit hinein mit Angriff, Abwehr und scheinbarer Huldigung. Das kleine, wenig zahlreiche Volk muss völlig verwildert sein; die Römer nahten ihm nur noch als Feinde, und es ist begreiflich, aber auch zu bedauern, dass von dem politischen, sittlichen und religiösen Zustande, der sich hier entwickelte, keine Schilderung erhalten ist. Das Verhältnis zu Rom war gewiss in mancher Beziehung dem der Tscherkessen zu Russland ähnlich, aber in den Hauptpunkten davon verschieden. Isaurien ist hellenisiert gewesen, wenigstens oberflächlich, und hat sich später wieder allmählich barbarisiert; dass dies aber so ungehindert geschehen konnte, ist für den innern Zustand des Römischen Reiches in mehr als einer Hinsicht bezeichnend. – Wir wenden uns nun nach dem südlichen Ufer des Mittelmeeres.
Unter den unglücklichsten Ländern des Römerreiches finden wir auch jetzt wieder Ägypten, wo sich Diocletian einen traurigen Namen machen wird durch grausame Unterdrückung eines jener Aufstände, an welchen die ägyptische Geschichte seit der Eroberung durch den Sohn des Cyrus so reich ist.
Die Stimmung des Römers gegen Ägypten ist eine sonderbar gemischte; tiefe Verachtung und strenge Überwachung der Eingebornen – sowohl der Ägypter als der kolonisierten Griechen und Juden – geht Hand in Hand mit einer alten Ehrfurcht vor den Erinnerungen und Denkmälern der bereits um Jahrtausende rückwärts liegenden Pharaonenzeit und einem noch sehr lebendigen Überrest derselben: ich meine jene geheimnisvolle Priesterreligion, deren Isiskultus, Symbole, Weihen und magische Künste zumal die spätrömische Welt am wenigsten entbehren mag. Derselbe römische Präfekt oder Epistrateg, welcher vielleicht mit Raub und Grausamkeit über dem Volke waltet, wird doch nach dem hunderttorigen Theben und nach Philae pilgern und seinen Namen auf der Wade des Memnonsbildes einmeisseln lassen206, nebst der Versicherung, dessen berühmten Ton bei Sonnenaufgang gehört zu haben. Auch die profane Neugier des Altertumsforschers und Reisenden, die romantische Sehnsucht der Gebildeten war dem Lande uralter Kultur in reichem Masse zugewandt. Hier spielen die Romane des Xenophon von Ephesus und des Heliodor; in der bunten Geschichte ihrer Liebespaare Anthia und Habrokomes, Theagenes und Chariklea übernehmen ägyptische Räuberbanden so ziemlich die Rolle, welche neuere Schriftsteller italienischen Banditen zu übertragen pflegen, um vollends von dem symbolischen Roman des Synesius zu schweigen, welcher Ereignisse aus der Zeit des Arcadius in ein altägyptisches Gewand kleidet. »Alles was von Ägypten erzählt wird«, sagt Heliodor, »interessiert hellenische Zuhörer ganz besonders«207. Auch in die bildende Kunst war das Ägyptische vorzüglich durch Hadrian als Mode eingedrungen, und noch viel später liebte man ägyptische Landschaften, staffiert mit den Wundertieren, den