thracischer Hirt, Sohn eines Goten und einer Alanin, somit gänzlicher Barbar der Abstammung und überdies der Bildung nach (235–238). Aber die Armee, welche hier selbst die letzte Rücksicht beiseite liess, bestand auch aus lauter Barbaren von der Ostgrenze, denen gar nichts daran lag, ob ihr Kandidat von Antoninen abstammte, in hohen Ämtern sich gebildet hatte, Senator gewesen war oder nicht17. Dafür war Maximin achthalb Fuss hoch, riesenstark und ein Korporal, wie vielleicht im ganzen römischen Heere kein zweiter.
Seine Herrschaft war, wenn nicht im Erfolg, so doch im Prinzip furchtbarer als die irgend eines Kaisers. Diese alte Welt mit ihren Denkmälern voll Schönheit, ihrem Leben voll Bildung reizt den Barbaren, der sich seines Ursprungs schämt, zu giftiger Wut; mit Milde hätte sich seine Usurpation ohnedies nicht behaupten lassen; Konfiskationen bedurfte er für seine Soldaten, und so geht nun der römische Kaiser auf planmässige Zernichtung römischen Wesens aus. Er selbst mochte sich in dem verhassten Rom nicht sehen lassen; seinen Sohn, der zuerst dort residieren sollte, behielt er dann doch bei sich in den Lagern am Rhein und an der Donau, von wo aus er das Reich regierte. Rom wurde mit Schrecken inne, dass eine Grenzarmee von Barbaren das Hauptquartier der Weltherrschaft sein könne, eine Armee, welche man sich dachte, wie die des Spartacus oder Athenion im Sklavenkriege. Der tiefste Grimm Maximins ging gegen alles, was vornehm, reich und gebildet war, namentlich gegen den Senat, von dem er sich verachtet glaubte und vor dessen Kurie er grosse Abbildungen seiner deutschen Siege aufstellen liess; aber auch das Volk der Hauptstadt, welches sonst der Hinrichtung des ganzen Senats würde zugesehen haben, musste durch Schmälerung der Zufuhr und Einziehung der Fonds für die öffentlichen Spiele auf das äusserste erbittert werden. Den Provinzialstädten ging es übrigens nicht besser; ihr städtisches Vermögen, wie das der einzelnen Reichen, wurde geraubt zur Bereicherung des Heeres. So nackt und unvermischt ist die Militärherrschaft im Abendlande nicht wieder aufgetreten.
Es folgte eine Zeit unbeschreiblicher Verwirrung, deren höchstes Interesse in dem kräftigen, entschiedenen Benehmen des vielverkannten Senates18 liegt. Die Verzweiflung treibt zunächst in Afrika einen Aufstand von Bauern und Soldaten hervor, an dessen Spitze man zwei angesehene Römer, die Gordiane Vater und Sohn, zwangsweise stellt. Auf diese Nachricht hin erklärt sich auch der Senat gegen Maximin; dass unwürdige Mitglieder diesen zuerst insgeheim gefassten Beschluss dem Tyrannen verraten würden, konnte man vorauswissen; höchst gewagt waren auch die brieflichen Aufforderungen zum Abfall, welche der Senat an die Provinzen erliess; man musste es darauf ankommen lassen, ob neben den Gordianen noch andere Kaiser von andern Ländern und Provinzialheeren würden erhoben werden. Die Gefahr stieg auf das höchste, als ein Kommandant in Afrika, Capellianus (der im stillen selber nach der Herrschaft strebte), im Namen Maximins den jüngern Gordian besiegte, wobei dieser umkam und sein Vater sich erhängte. Jetzt ernannte der Senat eine Kommission von zwanzig kriegskundigen Mitgliedern und proklamierte dann aus eigenem Rechte zwei Kaiser, Pupienus und Balbinus (238). Der Moment muss überaus drohend und schrecklich gewesen sein; das Volk, welches die beiden Kaiser sogleich hatte ausrufen helfen, schlug sich dann doch wieder zu den Garden, welche im Ärger über die reine Senatswahl die Hinzufügung eines dritten Kaisers oder Kronprinzen verlangten und durchsetzten, des jüngsten Gordians nämlich, eines nahen Verwandten der beiden frühern. Bei der Konfusion aller Nachrichten, welche uns zum Beispiel einen Vernichtungskampf zwischen Garden, Gladiatoren und Rekruten mitten in Rom nur mit einem Wort berichten, lässt sich kein entschiedenes Urteil über diese Krisis fällen; doch scheint der Senat ausserordentliche Haltung und Mut bewiesen zu haben, weil er seine beiden Kaiser neben dem dritten, dem Schützling der Garden, behaupten konnte, während zugleich die ganze Verteidigung gegen den heranrückenden Maximin auf seinen Schultern ruhte, und seine Kommissäre überall in den Provinzen die Rüstungen leiten mussten. Allerdings kam diesen Bemühungen entgegen der Ingrimm der Provinzialen gegen den Wüterich, so dass dieser zum Beispiel Kärnten menschenleer und ohne alle Lebensmittel vorfand und bei seinem Einzug in das öde Haemona (Laibach) Hunderte von Wölfen zur Begleitung hatte. Seine Mauretanier und Kelten waren dadurch schon sehr verstimmt, als er vor Aquileia anlangte. Als sich diese Stadt unter Anleitung zweier Senatoren lange und verzweifelt verteidigte, schlug ihn sein darbendes Heer tot, um für sich Frieden mit den neuen Kaisern zu machen.
Ob man klug daran tat, alle oder die meisten dieser Truppen nach Rom zu führen, können wir nicht mehr entscheiden; sie wären in den Provinzen auch gefährlich gewesen. In Rom aber waren schon des Korpsgeistes wegen zwischen dem vorzugsweise germanischen Heere der Senatskaiser und dem des Maximin heftige Reibungen zu erwarten; ohnehin musste das letztere, nach Art mancher besiegten Heere und geschlagenen Parteien, seinem Missmut irgendwo Luft machen. Das Opfer hievon wurden die beiden Senatskaiser, nach deren Ermordung Soldaten und Pöbel den noch sehr jungen Gordian (238–244) in wildem Tumulte zum Augustus ausriefen. Der Senat war überwältigt, vergab sich aber, wie es scheint, durchaus nichts; Soldaten, welche in die Senatssitzung (damals auf dem Kapitol) eindrangen, wurden am Altar der Victoria durch Senatoren niedergehauen.
Das nächste war eine Palastregierung von Eunuchen und Intriganten um einen unerfahrenen Jüngling herum. Nach einiger Zeit nähert sich ihm ein grosser, ernster Mann, der Redner Misitheus, und weckt die edle Seite seiner Natur. Er wird, man weiss nicht wie, Vormund, Regent, auch Schwiegervater des Gordian, der ihm die beiden Präfekturen der Garde und der Hauptstadt überträgt. Die Stellung des Misitheus erinnert bis auf den Namen, den ihm der Senat gab – »Vater des Fürsten«19 – an die Atabeks der Seldschukensultane im zwölften Jahrhundert. Ob er sich irgend mit dem Senat ins Einvernehmen setzte, ist unbekannt; jedenfalls dauerte diese treffliche Regierung nicht lange. Auf einem sonst glücklichen Feldzuge wider die Perser erlag zuerst der Vormund dem Gifte des sogenannten Arabers Philipp; darauf machte dieser die Truppen durch eine künstliche Hungersnot schwierig, liess sich durch gewonnene Offiziere dem haltlosen Gordian als Mitregent aufdrängen und versagte ihm dann stufenweise jede Stellung, zuletzt auch das Leben.
Auf die Todesnachricht hin griff der Senat rasch ein; aber der von ihm ernannte Kaiser Marcus der Philosoph starb bald, ebenso ein gewisser Severus Hostilianus, der sich darauf irgendwie des Throns bemächtigt hatte20. Nun erst erkannte man auch den Philipp (244–249) an, der inzwischen nach Rom gekommen war und die wichtigsten Senatoren durch geschmeidige Reden gewann. Man tut Philipp zu grosse Ehre an, wenn man ihn für einen arabischen Scheik hält; er war aus dem verrufenen Stamme der südlichen Syrer östlich vom Jordan.
Wenn die Herrschermacht nicht einen ganz verblendenden Reiz hätte, so könnte man diesen Menschen nicht begreifen, der da meinte, mit seinen geringen militärischen Gaben durch Verteilung der Hauptstellen an Verwandte und Vertraute das erschlichene Römische Reich bemeistern zu können. Während er in Rom das tausendjährige Säkularfest der Stadt feierte, brachen von mehrern Seiten die Barbaren ins Reich ein, und mindestens zwei Heere stellten neue Kaiser auf. In Syrien erhob sich gegen Philipps Bruder Priscus der Abenteurer Jotapian, der von Alexander dem Grossen abstammen wollte, ein Name, welchem man noch immer einen fast abergläubigen Kultus weihte21. Gegen Philipps Schwiegersohn Severian in Mösien empörte sich Marinus, als in der Nähe die Goten einmarschierten.
Die bewusste, grosse Gefahr des Reiches rief nun noch einmal den Genius Roms wach. Die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts ist einer von den Zeiträumen, welche in der Wertschätzung gewinnen müssten, wenn wir die Persönlichkeiten und die Beweggründe ihres Handelns besser kennten, als uns die vorhandenen Quellen gestatten. Sind auch die leitenden Männer meist keine Stadtrömer, sondern Illyrier, das heisst aus den Gegenden zwischen dem Adriatischen und dem Schwarzen Meere, so hat doch römische Bildung und Tradition, namentlich in Betreff des Krieges, sie zu nochmaliger Rettung der alten Welt befähigt. Es war jetzt kein Vergnügen mehr, sondern ein verhängnisvolles Amt, römischer Imperator zu sein; ganz Unwürdige nehmen den Purpur meistens gezwungen, und auch die Bessern drängen sich nicht mehr dazu, sondern erkennen darin Pflicht oder Schicksal. Eine gewisse sittliche Erhebung ist nicht zu verkennen.
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