Джек Марс

Jagd Auf Null


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fuhr aus der Third Street Garage hinaus in Richtung Highway, seine Hände fest um das Lenkrad geschlossen. Die Horrorvorstellungen, die zuvor durch seinen Kopf wirbelten, wurden durch eine stählerne Entschlossenheit, eine harte Entschiedenheit ersetzt. Es gab eine Rufnummer. Die Polizei arbeitete daran. Die CIA saß an dem Fall. Und jetzt war auch er auf der Straße, um sie zu finden.

      Ich bin auf dem Weg. Papa findet euch.

      Und ihn.

      KAPITEL FÜNF

      „Du solltest was essen.” Der Attentäter zeigte auf eine Kiste mit chinesischem Essen auf dem Nachttisch, der neben dem Bett stand.

      Maya schüttelte den Kopf. Das Essen war schon lange kalt geworden und sie hatte keinen Hunger. Stattdessen saß sie mit hochgezogenen Knien auf dem Bett und Sara lehnte sich gegen sie, ihren Kopf auf dem Schoß der älteren Schwester. Die Mädchen waren durch Handschellen aneinandergefesselt, Mayas linkes Handgelenk mit Saras rechtem. Sie hatte keine Ahnung, wo er die Handschellen her hatte, doch der Attentäter hatte beide mehrmals gewarnt, dass wenn eine von ihnen versuchte, zu entkommen oder Lärm zu machen, die andere darunter litte.

      Rais saß in einem Sessel in der Nähe der Tür des zwielichtigen Motelzimmers mit orangefarbenem Teppichboden und gelben Wänden. Das Zimmer roch modrig und das Bad stank nach Chlor. Sie waren schon seit Stunden hier. Der uralte Wecker verriet ihr in rechteckigen, roten LED-Ziffern, dass es halb drei morgens war. Der Fernseher war leise auf einen Nachrichtenkanal geschaltet.

      Ein weißer Kombi war direkt vor der Tür geparkt. Der Attentäter hatte ihn nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Parkplatz eines Gebrauchtwagenhändlers gestohlen. Das war das dritte Mal, dass sie an diesem Tag das Auto gewechselt hatten, von Thompsons Kleintransporter, zum blauen Limousinenwagen und jetzt der weiße Kombi. Bei jedem Mal änderte Rais die Himmelsrichtung. Zuerst fuhr er nach Süden, dann zurück nach Norden und jetzt nordöstlich in Richtung Küste.

      Maya verstand, was er tat. Es war ein Katz-und-Maus-Spiel. Er hinterließ die gestohlenen Fahrzeuge an verschiedenen Orten, damit die Behörden keine Ahnung hätten, wohin sie fahren würden. Ihr Motelzimmer war weniger als fünfzehn Kilometer entfernt von Bayonne, nicht weit von der Grenze zwischen New Jersey und New York. Das Motel an sich war ein längliches, derart heruntergekommenes und absolut widerliches Gebäude, dass man beim Vorbeifahren denken musste, es sei schon seit Jahren geschlossen.

      Beide Mädchen hatten nicht viel geschlafen. Sara hatte hin und wieder ein Nickerchen in Mayas Armen gemacht, stahl sich zwanzig oder dreißig Minuten, bevor sie wieder erschreckt mit einem Wimmern von ihren Träumen aufwachte und sich daran erinnerte, wo sie war.

      Maya hatte mit der Erschöpfung gerungen und versucht, so lange wie möglich wach zu bleiben - sie wusste, das Rais irgendwann schließlich auch schlafen musste. Das könnte ihnen die wertvollen wenigen Minuten verschaffen, die sie brauchten, um ihm zu entkommen. Doch das Motel lag in einem Industriepark. Als sie dort hineinfuhren, bemerkte sie keine weiteren Häuser in der Nähe oder Geschäfte, die um diese nächtliche Uhrzeit geöffnet waren. Sie war sich noch nicht mal sicher, ob jemand im Büro des Motels war. Sie könnten nirgendwo hin, sie könnten nur in die Nacht rennen, doch die Handschellen würden sie langsamer machen.

      Letzten Endes war Maya ihrer Erschöpfung unterlegen und schlummerte gegen ihren Willen ein. Sie hatte weniger als eine Stunde geschlafen, als sie mit einem Keuchen aufwachte - und dann nochmal erschrocken keuchte, als sie Rais im Sessel nur drei Meter von sich sitzen sah.

      Er starrte sie direkt an, mit weit geöffneten Augen. Er beobachtete sie nur.

      Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken... eine ganze Minute verstrich, dann eine weitere. Sie beobachtete ihn, starrte zurück, ihre Angst vermische sich mit Neugier. Plötzlich ging ihr ein Licht auf.

      Der schläft mit offenen Augen.

      Sie war sich nicht sicher, ob das nicht noch beunruhigender war, als aufzuwachen und zu bemerken, dass er sie beobachtete.

      Dann blinzelte er und sie hielt ein weiteres erschrockenes Keuchen zurück, bei dem ihr Herz bis in die Kehle schlug.

      „Geschädigte Gesichtsnerven”, sagte er ruhig, fast flüsternd. „Ich habe gehört, dass das etwas verwirrend sein kann.” Er zeigte auf die Box mit dem restlichen chinesischen Essen, das einige Stunden zuvor auf ihr Zimmer geliefert worden war. „Du solltest was essen.”

      Sie schüttelte den Kopf und hielt Sara auf ihrem Schoß fest.

      Der Nachrichtensender wiederholte leise die wichtigsten Schlagzeilen des Tages. Man hielt eine Terrororganisation für die Freisetzung eines tödlichen Pockenvirus in Spanien und anderen Teilen Europas verantwortlich. Ihr Anführer und der Virus wurden in Gewahrsam genommen und auch einige weitere Mitglieder wurden verhaftet. Am Nachmittag hatten die Vereinigten Staaten offiziell ihr Reiseverbot in alle Länder, mit Ausnahme von Portugal, Spanien und Frankreich, wo es weiterhin isolierte Ausbrüche der mutierten Pocken gab, aufgehoben. Doch alle schienen zuversichtlich, dass die Weltgesundheitsorganisation die Situation unter Kontrolle hatte.

      Maya hatte vermutet, dass man ihren Vater zur Unterstützung dieses Falles gesandt hatte. Sie fragte sich, ob er es war, der den Anführer gestellt hatte. Sie fragte sich, ob er wieder zurück im Land war. Sie fragte sich, ob er Mr. Thompsons Leiche gefunden hatte. Ob er bemerkt hatte, dass sie entführt worden waren - oder ob es überhaupt irgendjemand gemerkt hatte.

      Rais saß in dem gelben Sessel und ein Handy lag auf der Armlehne. Es war ein älteres Modell, fast prähistorisch für heutige Umstände - es diente nur, um Anrufe zu tätigen und Nachrichten zu senden. Maya hatte gehört, dass man diese Dinger Prepaid-Handy im Fernsehen nannte. Man konnte es nicht mit dem Internet verbinden und es hatte auch kein GPS. Aus den Polizeisendungen wusste sie, dass man es nur durch die Telefonnummer orten konnte, die jemand haben musste.

      Es schien, dass Rais auf etwas wartete. Einen Anruf oder eine Nachricht. Maya wollte verzweifelt wissen, wohin es ging, ob es überhaupt ein Ziel gab. Sie vermutete, dass Rais wollte, dass ihr Vater sie fand, sie aufspürte, doch der Attentäter war anscheinend nicht in Eile, irgendwo anzukommen. Welches Spiel er da wohl spielte, wunderte sie sich. Er stahl Autos und veränderte die Richtung, entkam den Behörden, und das alles in der Hoffnung, dass ihr Vater sie zuerst finden würde? Würden sie einfach von Ort zu Ort irren, bis es zu einer Auseinandersetzung kam?

      Plötzlich tönte ein monophonischer Klingelton aus dem Handy neben Rais. Durch das grelle Geräusch zuckte Sara leicht in ihren Armen zusammen.

      „Hallo.” Rais antwortete tonlos. „Ano.” Das erste Mal nach drei Stunden stand er aus dem Sessel auf, während er englisch für irgendeine Fremdsprache austauschte. Maya konnte bloß englisch und französisch sprechen, und sie erkannte eine Hand voll anderer Sprachen durch einzelne Wörter und Akzente, doch diese war ihr unbekannt. Sie bestand aus vielen Kehllauten, doch war nicht ganz unangenehm.

      Russisch? dachte Sie. Nein. Polnisch vielleicht. Es hatte keinen Sinn, zu raten. Sie konnte sich nicht sicher sein und selbst, wenn sie wüsste, um welche Sprache es sich handelte, so würde sie dennoch nichts von dem Gesagten verstehen.

      Sie hörte trotzdem zu und bemerkte, dass die Laute „z” und „-ski” häufig verwendet wurden. Sie versuchte, verwandte Worte aufzuschnappen, doch es schien keine zu geben.

      Ein Wort stand jedoch heraus, und es ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.

      „Dubrovnik”, sagte der Attentäter, als wolle er etwas bestätigen.

      Dubrovnik? Erdkunde war eines ihrer Lieblingsfächer. Dubrovnik war eine Stadt im Südwesten Kroatiens, ein berühmter Hafen und ein beliebtes Urlaubsziel. Doch wichtiger als all das war die Andeutung, die dieses Wort bedeutete.

      Es hieß, dass Rais vorhatte, sie außerhalb des Landes zu bringen.

      „Ano”, sagte er (was wie eine Bejahung schien. Sie nahm an, dass es „Ja” bedeutete). Und dann: „Industriehafen Jersey”.