Джек Марс

Jagd Auf Null


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      Er nahm das Foto aus dem Rahmen, faltete es auf die Hälfte und steckte es in seine innere Jackentasche.

      Er bräuchte eine Waffe. Er könnte wahrscheinlich eine in Thompsons Haus finden, direkt nebenan, würde er es schaffen, dort hineinzukommen, ohne dass die Polizei oder das Notfallpersonal ihn sähen -

      Jemand räusperte sich lautstark im Flur, offensichtlich ein Warnsignal, das ihm galt, falls er einen Moment Zeit bräuchte, um sich zusammenzureißen.

      „Mr. Lawson.” Der Mann trat in die Tür des Schlafzimmers. Er war klein und hatte einen Bauch, doch harte Falten standen in seinem Gesicht. „Mein Name ist Detective Noles von der Alexandria Polizeibehörde. Ich verstehe, dass dies ein besonders schwieriger Moment für sie ist. Ich weiß, dass sie den Kollegen vom Notdienst schon eine Aussage gemacht haben, doch ich habe noch einige weitere Fragen an Sie, die ich gerne in der Akte hätte. Würden Sie mich bitte auf das Revier begleiten?”

      „Nein.” Reid griff nach seiner Tasche. „Ich werde jetzt meine Mädchen finden.” Er marschierte am Kriminalbeamten vorbei aus dem Zimmer.

      Noles folgte ihm schnell. „Mr. Lawson, wir raten Bürgern stark davon ab, in Fällen wie diesen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Lassen Sie uns unseren Job machen. Am besten wäre es, Sie kämen an einem sicheren Ort unter, bei Freunden oder Familie, aber bleiben Sie bitte in der Nähe...”

      Am Ende der Treppe hielt Reid an. „Detective, stehe ich bei der Entführung meiner eigenen Töchter unter Verdacht?” fragte er mit einer leisen, feindlichen Stimme.

      Noles starrte geradeaus. Seine Nasenlöcher bliesen sich kurz auf. Reid wusste, dass der Beamte im Training gelernt hatte, diese Art von Situation feinfühlig anzugehen, um die Familien der Opfer nicht noch weiter zu traumatisieren.

      Doch Reid war nicht traumatisiert. Er war wütend.

      „Wie schon gesagt, ich habe nur ein paar weitere Fragen”, erklärte Noles vorsichtig. „Ich möchte Sie bitten, mich auf das Revier zu begleiten.”

      „Ich lehne ihre Fragen ab”, gab Reid mit einem starren Blick zurück. „Ich steige jetzt in mein Auto ein. Wenn Sie mich irgendwo hinbringen wollen, dann müssen Sie das in Handschellen tun.” Er wollte diesen stämmigen Kriminalbeamten einfach nur loswerden. Für einen kurzen Moment dachte er sogar darüber nach, seine CIA-Referenzen zu erwähnen, doch er hatte nichts bei sich, mit dem er sie belegen könnte.

      Noles sagte nichts, als Reid auf dem Absatz kehrt machte und das Haus in Richtung Auffahrt verließ.

      Er folgte ihm dennoch durch die Tür und über den Rasen. „Mr. Lawson, ich werde Sie nur noch einmal darum bitten. Denken Sie doch einen Moment darüber nach, wie das aussieht, dass Sie ihre Tasche packen und aus dem Haus stürmen, das wir gerade durchsuchen.”

      Ein Ruck von glühend heißem Zorn durchfuhr Reid, vom Ende seiner Wirbelsäule bis hoch in seinen Kopf. Fast hätte er seine Tasche zu Boden fallen lassen, um Detective Noles einen ordentlichen Kieferhaken zu verpassen, dafür, dass er auch nur entfernt darauf andeutete, dass er damit etwas zu tun gehabt hätte.

      Noles war kein Anfänger; sicher konnte er die Körpersprache lesen, doch er drängte weiter. „Ihre Töchter werden vermisst und Ihr Nachbar ist tot. Das alles geschah, während Sie sich außer Hauses befanden, doch Sie haben kein handfestes Alibi. Sie können uns nicht erklären, wo oder bei wem Sie waren. Jetzt brechen Sie auf, als ob Sie etwas wüssten, von dem wir keine Ahnung haben. Ich habe Fragen, Mr. Lawson. Und ich werde meine Antworten bekommen.”

      Mein Alibi. Reids wirkliches Alibi, die Wahrheit, war, dass er die letzten achtundvierzig Stunden damit verbracht hatte, einen verrückt gewordenen religiösen Anführer zu jagen, in dessen Besitz sich eine ausreichend große Ladung mutierter Pockenviren befand, um die Apokalypse auszulösen. Sein Alibi war, dass er gerade nach Hause zurückgekehrt war, nachdem er Millionen von Leben gerettet hatte, vielleicht sogar Milliarden, nur um herauszufinden, dass er die beiden Menschen, die ihm auf der ganzen Welt am wichtigsten waren, nirgendwo aufspüren konnte.

      Doch er konnte nichts davon sagen, ganz egal, wie sehr er es wollte. Stattdessen schluckte Reid seinen Zorn hinunter und hielt sowohl seine Fäuste als auch seine Zunge unter Kontrolle. Er hielt neben seinem Auto an und drehte sich um, um den Kriminalbeamten anzusehen. Während er dies tat, bewegte sich die Hand des kleineren Mannes langsam auf seinen Gürtel - und seine Handschellen - zu.

      Zwei uniformierte Polizisten, die draußen herumstanden, bemerkten die haarige Situation und traten ein paar vorsichtige Schritte näher, während auch ihre Hände sich in Richtung Gürtel bewegten.

      Seitdem der Gedächtnishemmer aus seinem Kopf geschnitten wurde, fühlte sich Reid, als hätte er zwei Gehirne. Die eine Seite, die logische Professor Lawson Seite, riet ihm: Gib nach. Tu, was er von dir verlangt. Sonst stecken sie dich in den Knast, und dann kommst du nie zu deinen Mädchen.

      Doch die andere Seite, seine Kent Steele Seite - der Geheimagent, der Abtrünnige, der Adrenalinsüchtige - war viel lauter. Sie schrie und wusste aus Erfahrung, dass jede Sekunde verzweifelt zählte.

      Diese Seite gewann. Reid spannte sich an, bereit zu kämpfen.

      KAPITEL VIER

      Für einen scheinbar langen Augenblick bewegte sich niemand - weder Reid, noch Noles, noch die beiden Polizisten hinter dem Detective. Reid hielt seine Tasche fest in den Händen. Falls er versuchte, einzusteigen und wegzufahren, kämen die beiden Polizisten zweifellos auf ihn zu. Und er wusste, dass er dementsprechend reagieren würde.

      Plötzlich hörte man Reifen quietschen. Alle wendeten ihren Blick auf einen schwarzen Geländewagen, der brüsk am Ende der Auffahrt, in einem neunzig Grad Winkel zu Reids eigenem Fahrzeug, anhielt und ihn somit blockierte. Jemand stieg aus und griff schnell ein, um die Situation zu entschärfen.

      Watson? platzte Reid fast heraus.

      John Watson war ebenfalls Agent im Außendienst, ein hochgewachsener Afroamerikaner, dessen Gesichtszüge immer passiv wirkten. Seinen rechten Arm trug er in einer dunkelblauen Schlinge, denn ein Irrläufer hatte ihn, nur einen Tag zuvor, in die Schulter getroffen, als er bei dem Einsatz mithalf, in dem es darum ging, die islamischen Radikalisten davon abzuhalten, den Virus freizusetzen.

      „Detective.” Watson nickte zu Noles. „Mein Name ist Agent Hopkins, von der Behörde für innere Sicherheit.” Mit seiner gesunden Hand ließ er ein überzeugendes Abzeichen aufblinken. „Dieser Mann muss mit mir kommen.”

      Noles runzelte die Stirn. Die Anspannung des vorherigen Moments hatte sich aufgelöst und wurde durch Verwirrung ersetzt. „Was ist jetzt los? Innere Sicherheit?”

      Watson nickte ernst. „Wir glauben, dass die Entführung etwas mit einer noch nicht abgeschlossenen Ermittlung zu tun hat. Mr. Lawson muss mich begleiten. Jetzt sofort.”

      „Jetzt warten Sie mal einen Moment.” Noles schüttelte den Kopf, immer noch verwirrt von dem plötzlichen Einmarsch und der schnellen Erklärung. „Sie können hier doch nicht einfach hereinplatzen und alles übernehmen -”

      „Dieser Mann ist Gegenstand der Behörde”, unterbrach ihn Watson. Er sprach in einem leisen Tonfall, als würde er ein Geheimnis einer Verschwörung mitteilen, doch Reid wusste, dass es sich um einen Vorwand der CIA handelte. „Er ist ein WITSEC.”

      Noles’ Augen weiteten sich so sehr, dass man meinen könnte, sie fielen ihm gleich aus dem Kopf. WITSEC, wusste Reid, war eine Abkürzung für das Zeugenschutzprogramm der Justizbehörde der USA. Doch Reid sagte gar nichts, er kreuzte nur seine Arme vor der Brust und schoss dem Polizeibeamten einen scharfen Blick zu.

      „Trotzdem...” erwiderte Noles zögernd, „ich brauche hier mehr als nur ein beeindruckendes Abzeichen...” Plötzlich schrillte das Handy des Detectives mit einem lärmenden Klingelton.

      „Ich