Christof Wackernagel

Traumprotokolle


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eine große, stattliche Frau, dunkel gekleidet, ein Hundert-Francs-CFA-Stück, ohne ihre Reibungen zu unterbrechen und ohne sie anzuschauen und befiehlt ihr schroff, damit auf der Straße etwas zu essen zu holen, womit das Zimmermädchen sofort wiederkommt und weshalb es dann da rumsteht, während wir rummachen, Annette will immer dringender vögeln, ich bin aber eigentlich viel zu müde; wir haben unser eigenes, neu gekauftes Bettzeug mitgebracht, das wir gerade ausgepackt haben und von dem überall noch die Pappzettel der Verpackung herumliegen, ganz viele Decken, ganz viele Überzüge, alles frisch und neu, wir haben das Zimmer auch umgeräumt, die Betten umgestellt, damit wir da auch alle schlafen können, was sich das Zimmermädchen alles neugierig anschaut, und dann fragt es, was das denn für ein Tisch sei, der neben der Couch steht, auf der wir vögeln, worauf Annette, ohne die Vögelei zu unterbrechen, herrisch antwortet: »den haben wir mitgebracht!« und das Zimmermädchen sagt: »ja, dann kann er ja auch hierbleiben«, denn sie findet ihn offenbar gut, er hat eine Lederüberzogene Leiste rundum, und Annette stöhnt völlig genervt: »in Zukunft bezahle ich getrennt«, was wohl heißen soll, nur unten an der Kasse, weil sie will, dass diese Frau endlich weggeht, was diese dann auch ganz langsam tut, aber dann habe ich definitiv keine Lust mehr zu vögeln und gehe rüber ins Hauptzimmer, wo Fips ganz in eine Decke gewickelt liegt und pennt, wobei ich aus Versehen an seine Füße stoße, wovon er aufwacht, was mir einerseits peinlich ist, andererseits müssen wir ja noch viel für die Vorstellung am Abend arbeiten, weshalb ich sage: »komm, wir müssen noch Text lernen« und Annette verkriecht sich unter einer Decke, die sie sich auch über den Kopf zieht, während Fips seine Decke bei uns reinschmeißt und erstmals ins Bad geht, um zu pinkeln, was mich ärgert, weil ich dann nicht ins Bad kann, und ich sehe überall noch diese Verpackungskartons von der Bettwäsche, die wir gekauft haben, rumliegen und überlege, wie wir das Zimmer einrichten, denke, dass wir das auf dem flachen Tisch vor dem Fenster machen, aus dem man einen wunderschönen Blick über die ganze Stadt hat, sehe da die Zettel mit den Texten schon rumliegen, schon ein wenig arrangiert, da dann den Text machen für den Abend –

      – vier Koffer packen auf verschiedenen Ebenen, fallen lassend, werfend, von oben reinhüpfend, alles gleich lang und gleich groß machen, kontrolliert am Reißverschluss, den ich zuziehe und es daran einer Frau erkläre, zeige, dass es aufs μ genau gleich wird • muss mit einem Ausländer arbeiten, einem Asiaten, wir reden darüber mit ziemlich vielen Leuten • will eine Telefonkarte in einer kleinen Boutique kaufen, in der die Verkäuferin, eine blöde arrogante Kuh, etwas erhöht an einem Tisch sitzt, ich lege das Geld auf den Tresen und sehe plötzlich: das ist ja mauretanisches Geld, sage das ganz erstaunt auf Deutsch, dann fällt mir aber ein, dass sie das ja gar nicht versteht und wiederhole es nochmal auf Bamanankan, was sie aber beides arrogant ignoriert, da gebe ich ihr einen Fünfziger, was aber nicht reicht, weil ich auch einen Malitelcredit21 gekauft habe und sie nicht rausgeben kann, da kommt der Chef von dem Ganzen, auch ein arrogantes Arschloch, das kaum ein Wort mit mir redet, aber er gibt mir dann sein ganzes Kleingeld, weil er auch nicht ganz rausgeben kann, und dann gibt er mir alle möglichen Schrauben, Scharnierteile mit abgebrochenem Plastikrand drumrum, andere zerbrochene Plastikteile, von denen man aber unter Umständen noch etwas verwenden könnte, was ich als rausgegebenes Kleingeld akzeptieren soll – treffe Johannes Artmann im Laden und wir umarmen uns lange und innig, sehr schön und herzlich, nicht enden wollend, wiederholen immer wieder, wie sehr wir uns freuen, uns endlich wieder zu sehen, und wir verabreden uns, gleich ausführlich miteinander zu reden, wobei ich denke: »dann kann ich das auch klären mit den »es«-Prospekten auf seinem Infotisch in der Kaffeeecke«, erzähle aber erstmal, dass ich jetzt morgens immer eine Tasse heißes Wasser trinke, was ihm überhaupt nicht imponiert, er nimmt es kaum zur Kenntnis, denn er muss vorher noch schnell einiges mit seinen Angestellten regeln, während ich so lange alles mögliche Zeugs, das ich dabei habe, in seinen Laden packe, darunter auch einen Tisch, das fahrbare Stehpult, viel Wäsche, und ich baue Tisch und Stehpult auf einem seiner Kommoden auf, um so lange ein wenig zu schreiben, aber wie ich dann ganz oben stehe und zu schreiben beginne, sehe ich, dass es von da oben so weit runtergeht und außerdem wacklig gebaut ist, da das Stehpult ja Räder hat, dass mir ganz schwindlig wird, ich bekomme Angst, dass alles runterfällt, weswegen ich sofort wieder runtergehe, alles wieder abbaue und eben so warte, bis Johannes endlich Zeit hat, aber er hat und hat dann doch keine Zeit, muss sich auch noch, bevor er die dringendsten Sachen mit seinen Angestellten regelt, weil Mittag ist, auch erst noch kurz hinlegen und kann danach erst diese dringendsten Sachen erledigen und danach erst mit mir sprechen, und während er, bevor er sich hinlegt, noch einige Anweisungen gibt, will eine Frau sich auch erstmal hinlegen und zwar auf den Boden vor den Regalen, was Johannes aber in Ordnung findet, und ich denke: »es ist immer das Gleiche mit Johannes«, obwohl die Umarmung wirklich wunderschön und lang gewesen war, aber es ist halt so mit ihm, viel reden kann man nicht und er muss eben weitermachen in seinem Laden, was ja auch verständlich ist, weswegen ich anfange, das Zeug wieder zusammenzupacken, das in der Mitte einer Straßenkreuzung liegt, denke noch, dass ich irgendwie ein Taxi holen muss, versuche aber, es irgendwie alles selber tragen zu können, was noch dadurch erschwert wird, dass ich nackt bin und mich dauernd drum kümmern muss, dass mich ein Tuch einigermaßen bedeckt, weiß aber nicht, wie ich den Koffer, den Sack und alles in die Stadt kriegen soll, wo ich in der Wohnung von zwei Schauspielern wohne, die weg sind, außerdem bin ich mit Shortie verabredet, um mit ihm wiederum aufs Amt zu gehen, und während ich das Zeug irgendwie zusammenraffe, kommen zwei Mädchen vorbei, die sich über die Scheidung der einen unterhalten, sind ganz angeregt ins Gespräch vertieft, aber als sie mich sehen, unterbricht die, die gerade spricht, und ruft aus: »hach, was ist das denn?«, als sie mich da mehr oder weniger verzweifelt rumhantieren sieht, denkt, ich hätte einen Unfall gehabt oder etwas anderes Schwieriges, aber ich sage ganz lässig: »nein nein, das ist ein Umzug« und packe weiter mein Zeug als sei das das Normalste auf der Welt, und um sie zum Weiterreden zu animieren, wiederhole ich auffordernd ihre letzten Worte: »ja, ›und dann war ich also beim Anwalt und‹ – und wie ging’s weiter?« und dann redet sie tatsächlich weiter, geht aber auch weiter und ich kann den Rest nicht mehr verstehen, hab das ganze Zeug inzwischen aber umgehängt und aufgesattelt {wie ich auf den Dach des Gehöfts stand und seltsame Fluggeräte sah und die vier Cowboyartigen Typen kamen; die Präsidentenlimousine und der Kamelhaarmanteltyp}, eine Gitarre habe ich auch über der Schulter und ich gehe über ein altes Stauwerk, aus klobigen dunklen Felsbrocken gebaut, eine Brücke mit zwei oder drei Stockwerken, die ich ganz oben überquere, und wie ich auf der anderen Seite an dem Brückenvorraum ankomme, sehe ich ein Stockwerk tiefer lauter in Deutschland aufgewachsene schwarze und gemischte Kinder, Jugendliche, die in diesem ehemaligen Stauwerk offenbar ein Jugendzentrum haben und mehr oder weniger flachsend rumlungern und einer, der da mit jugendlicher betonter Lässigkeit im Stockwerk tiefer eine schräge Ebene hochkommt, lästert ziemlich deftig über München, wie blöd und verkommen das sei, worüber diese anderen Jugendlichen, die da rumlungern und nichts zu tun haben, lachen und wie ich mich einmische, indem ich ihm einerseits zustimme, andererseits seine harten Worte kritisiere, zwinkert mir ein halbwüchsiges Mädchen, auch eine Schwarze mit großen Augen, zu, zwinkert zu mir hoch, ziemlich heftig und anzüglich, und dann sehe ich erst, dass neben mir auch so ein Mädchen steht, aber so hellbraun, dass sie auch ein Mischling sein könnte, und da ich immer noch nackt bin und mit dem Tuch kämpfe, um mich notdürftig zu bedecken, denkt sie wohl, ich will was von ihr, und öffnet die Tür zu einer kleinen Kammer, in der nur eine Matratze auf dem Boden liegt, und sagt lächelnd, mit dem Kopf in diese Richtung nickend: »wir können da reingehen!« und ich habe den Eindruck, dass sie zumindest halbprofessionell zugange ist, das Ganze vielleicht ein verdeckter Puff, auf jeden Fall machen wohl all diese Mädchen es für Cadeaux, ich habe aber keine Lust und packe wieder mein ganzes Zeug, gehe ein Stockwerk tiefer, wo eine Band gerade ihre Anlage aufbaut und ich mich an einem Musiker vorbei zwischen ihm und einem großen Verstärker durchzwängen muss, wobei die Gitarre beinah zu schade kommt und ausgerechnet in diesem Moment klingelt das Telefon, und es ist Shortie, was mich wundert, weil er mit Malitel anruft und bei der Nummer von mir, die doch sonst nur Batoma hat, und er fragt, wo ich bleibe, weil wir doch aufs Amt wollten, wozu es langsam fast schon zu spät ist, ich sage: »ich komm gleich, bin nur aufgehalten worden«, schlage dann aber vor, doch morgen früh hinzugehen, woraufhin er vorschlägt, es dann lieber morgen Nachmittag zu machen, was ich wiederum blöd finde, weil Freitag und dann die Ämter meist ganz früh zu, dann geht gar nichts mehr, also wenn, dann morgen