Christof Wackernagel

Traumprotokolle


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Personen nicht alles auswendig wissen kann, und auch nachdem ich es weiß, suche ich lange nach Worten, sage aber am Schluss nur: »die ist einfach nur Mitglied irgendeiner Musikgruppe, die sich wichtig machen will«, worauf ein riesen Applaus ausbricht, was für diese paar Sätze eigentlich zu viel ist, ich aber als Zustimmung zu dem Buch insgesamt verstehe, aber irgendwann auch das nicht mehr, weil der Applaus überhaupt nicht aufhört und die Leute alle in eine andere Richtung gucken, und als ich dann auch in diese Richtung gucke, sehe ich, dass die Truppe gerade für ihre letzte Szene draußen vor dem Lokal in einem unüberdachten Übergang zum anderen Teil des Restaurants etwas aufgebaut hat, mit Kalebassen und Büchern und anderen empfindlichen Sachen, obwohl es wahnsinnig stark regnet, Wassermassen schüttet, und der eine Schauspieler, der Stephane Garcin ähnelt und ein grünes T-Shirt trägt, rennt patschnass rein und schüttelt sich, aber die anderen spielen weiter in dem Regen – ich erzähle einem Dritten von einer Arbeit, die ein Zweiter für mich macht, und zwar soll er etwas aufzeichnen, was als Vorlage auf einem Zettel-artigen Tablett in Form von runden Punkten zu sehen ist, von denen welche seitlich überlaufen, Schaum überschwappt und die irgendwie besprochen werden müssen, in gewisser Weise »geladen« werden müssen, und dieses Tablett trägt ein Mann gerade, der auf einem Außengang im ersten Stock zu einer Wohnungstür geht, in der derjenige schon steht, der das übernehmen soll, auch schon einen Zettel in der Hand hat mit den Notizen unserer Vorbereitungsbesprechung, und gibt ihm das, was der Ditte und ich von unten sehen und ich erzähle noch, wie bei der Besprechung dieser Zweite, als er diesen Zettel geschrieben hat, gesagt hat: »ja, die können alles haben, wirklich alles haben, einfach alles reinnehmen –

      – Ankunft in dem anderen Land, mit großer Gruppe, die dort eine Art Weiterbildung macht, philosophisch politisch im Sinne der Völkerverständigung, alle steigen aus, die Sonne scheint und schafft eine fröhliche Stimmung, ein abfallender Hang mit gelblicher Wiese, und ich gehe erstmal hoch zu dem Freundschaftsspiel, das man aber nicht sieht, und kauere mich an der Seite der Bordkante des erhöhten Spielfeldes nieder, wo aber schon eine andere kleine Gruppe sitzt, die ich wiederum nicht stören will, weswegen ich wieder den breiten gelbgrasigen Hang runtergehe, einen schrägen Weg überquere, zusammen mit vielen anderen, die auch erstmal ihr Quartier suchen; es herrscht zwar eine erwartungsvolle, fast euphorische Spannung, wir wissen alle, dass wir etwas Großes machen werden, etwas Bedeutendes für die Weiterentwicklung der Menschheit, sind gespannt, was da jetzt alles kommen wird, aber mir ist leicht unwohl dabei, vor allem bei der Vorstellung, jetzt noch wochenlang mit diesen fremden Leuten zusammen zu sein, so nett und offen sie auch sein mögen, und einer sagt, dass er aus Versehen jemanden angesprochen hat, weil er gedacht hat, derjenige gehöre zu seiner Gruppe, aber es sei jemand aus diesem Land gewesen, in dem wir gerade angekommen sind • ein großer Ehrungsakt von jemandem, der sich sein Leben lang verdient gemacht hat, wird gerade vorbereitet, soll in Kürze stattfinden und zwar in Form der Übergabe einer Blechtüte, einem aus alten Blechdosen zusammengeschweißten Ding, wellig von den Blechbeschlägen, das aussieht wie ein hoher Topf, aber untenrum rund ist, und der Mann, der das übergeben soll und es mir vorher zeigt, geht ganz ehrfürchtig damit um, es ist etwas sehr, sehr Wertvolles, er fasst es an wie Porzellan, streichelt es fast, und es steht unausgesprochen im Raum, dass der Empfänger ergriffen sein wird, wenn man es ihm in die Hand geben wird –

      – ich bin der Letzte in einem Zug, der am Zielbahnhof angekommen ist und übers Wochenende abgestellt wird, gehe aber nochmal kurz aufs Klo, pieckfein, luxuriös ausgestattet, supermodern, ich pinkle ins Aluminiumwaschbecken, mache aber hinterher alles mit viel Wasser wieder sauber, damit es nicht übers Wochenende stinkt, und wie ich wieder aus dem Klo rauskomme, sehe ich, dass alle Türen verschlossen wurden, sogar mit dicken Außengittern; denke im ersten Moment: »keine Panik«, denn das Wasser kann ich zur Not trinken und Montag wird wieder jemand kommen, habe aber keinen Bock das ganze Wochenende in diesem kleinen Vorraum rumzuhängen, fange an zu schreien und an die Türen zu hämmern, und denke allen Ernstes, dass Fips, der ja schon raus ist, auf mich warten und Alarm schlagen wird, glaube aber irgendwie selbst nicht dran – wir wollen gehen, aber Thorsten Buchmakowski findet seinen Stick nicht, wir suchen die ganze Wohnung ab, in der im Nebenzimmer eine Frau schläft, womöglich auch gerade mit Ebby vögelt, ich muss aber dringend weg und gehe schon raus, merke aber, keine hundert Meter von dem Haus weg, dass ich die Pfeife und wichtige Unterlagen vergessen habe, und kehre genervt wieder um, laufe zum Haus zurück, aus dem, in dem Moment, in dem ich ankomme, diese Frau gerade rauskommt, ziemlich ernsten und ratlosen Gesichtes und sagt: »ja: alles Scheiße, es ist alles weg von Thorsten Buchmakowski, die ganzen wichtigen Papiere«, woraufhin ich wieder hochgehe – wobei die Frau sagt, dass ich das Thai-Gras doch zusammen mit der Pfeife transportieren soll, was ich aber uncool finde – und auch nochmal mich an der Suche beteilige, obwohl ich eigentlich überhaupt keine Zeit dazu habe, schon viel zu spät dran bin, und ich schiebe die alte Kommode von Renate, von der ich die Farbe abgekratzt habe und die schon ein wenig von der Wand weggeschoben wurde, noch mehr weg, weil die ja vielleicht nicht genau genug geguckt haben {wie ich aus der Wohnung raus von der Fete weg in die Bäckerei ging, um das Bestellte abzuholen, was erst nicht klappte, wobei ich mich aus Versehen vordrängelte} und sehe, dass darunter richtig ein runder Dreckhaufen ist, in dem kleine Tierchen wimmeln, weshalb ich, wenn es jetzt schon gerade weggerückt ist, eben schnell den Staubsauer hole, und wie ich ihn anschließe, höre ich von unten – die Wohnung hat zwei Stockwerke –, dass Ebby den anderen Staubsauer, den blauen, den Sabine geschenkt hat, anschließt, um damit zu suchen und zu putzen, und Fips sagt: »ja, Ebby war schon immer so und hat alles saubergemacht«, und diese Frau, die auch dabei ist, fragt ganz erstaunt, woher wir den Staubsauer haben, und Ebby sagt: »naja, das ist unser zweiter«, was ich alles nur höre, weil es sich unten abspielt, und lachend denke ich: »typisch Ebby«, diese trockene Art zu antworten –

      – riesige Wegweiser zum Balani24 quer durch den Urwald beziehungsweise die Busch-Baum-Savanne, an ganz vielen verschiedenen Stellen und in verschiedenen Farben, aber alles nur für einen Tag, ich bin so fasziniert wie deprimiert – ein Zeitungsartikel, der die Frage aufwirft, ob Angela Speitel damals in ihrer Zelle umgebracht worden sei, was wohl den Zweck hat, zu verhindern, dass bei neuen Prozessen die Fälschungen der ersten herauskommen, eine Art Vorwärtsverteidigung – ein ausgedehntes Casting mit sehr vielen Schauspielern für viele verschiedene Rollen, auch Pressekonferenzen und Interviews, wobei unser Film und ich eine wichtige Rolle spielen, andere aber unter Umständen noch wichtiger sind und ich erstmal warten muss und weggehe, weil es so nervig ist, denn das Interview hatte schon begonnen, aber dann sollte ich doch noch warten {dieses Interview in der Kneipe, wo ich den Platz mit Licht am Fenster suchte} und so gehe ich erstmal spazieren, komme zum Fluss, der so niedrig ist, dass man ihn teilweise durchwaten kann und betonierte trockene Flächen zum Vorschein kommen, über die ich gehe und neben denen schwarz vermooste Flussbegrenzungsmauern aufsteigen; ein Fotograf, den ich von früher kenne und der mich eigentlich auch fotografieren wollte, aber erst anderes zu tun hatte, guckt mir nach, steht oben, wundert sich, dass ich da gehe, und bewundert mich deswegen, aber ich sage, dass das ganz normal ist, und komme zu einem Inselchen, von dem aus ich sehen kann, wie auf einem benachbarten Inselchen unter Bäumen eine Castingszene gedreht wird, mit der ich nichts zu tun haben will, weil vor allem der Schauspieler sich dabei so wichtig macht, aber als ich mich vor den großen grauen Blechkasten setzen will, der auf meinem Inselchen steht, kommen die von drüben und sagen, dass der Kasten weg muss, weil er im Bild ist, und ich gehe erstmal zur Autobahnhausfahrt, wo ich an einem Fahrradreifenblech, das ganz neu glänzt, aber aufgespritzten Dreck drauf hat, herumkratze, um den Dreck wegzumachen, dann aber zurückgehe und hoffe, dass Pit und Caren mich aufgabeln, damit ich noch rechtzeitig zum Casting zurückkomme, sehe aber einen alten VW, in den ich mich auf den Beifahrersitz setze, da steigt auf der Fahrerseite Hannelore Elsner ein, setzt sich – sehr apart, älter geworden, aber glatt und erotisch –, sieht mich an, lächelt leicht spöttisch, aber herausfordernd, sagt: »deine Aufnahmen kannst du vergessen!«, macht das Licht aus, fängt an, mich zu küssen und anzufassen, wobei sie sagt, dass sie es unglaublich findet, dass ich sie nach all der Zeit sofort wiedererkannt habe, worauf ich entgegne, dass sie unvergesslich sei, und wir uns nebenher ausziehn –

      – die Vorbesprechung zu dem großem Dreh, der morgen beginnen soll, ist zu Ende und wir verlassen grüppchenweise in Gespräche verwickelt den Saal, um zum Check-in zu gehen, der gleich davor ist beziehungsweise