Christof Wackernagel

Traumprotokolle


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ich denke: »das ist ja wieder typisch!«; wir haben einen Putzplan, nach dem jeden Morgen die Küche geputzt wird, und eine der energischen Frauen sagt zu mir: »das musst du nicht mehr machen, putzen da oben«, denn die Muslimin, die mit strengem weißen Kopftuch, das nur das Nötigste vom Gesicht freilässt, zum Putzen gekommen ist, darf mich nicht sehen, weil ich ein Mann bin, guckt krampfhaft weg, will aber unbedingt die Küchenzeile putzen –

      – man kann einen dritten Chip ins Telefon einsetzen, den ich schon gekauft habe und auf den ich warte, denn dann kann man alle drei Arten der Kommunikation machen, also mit diesem dritten Chip ist das Telefon vervollständigt und es funktioniert, obwohl alle denken, es funktioniert nicht, es ist sogar ganz einfach und ich muss nur noch warten, bis das Ding kommt; hatte Urlaub an einer Haltestelle und es ist genau zu sehen, wie die eine Ebene funktioniert, obwohl alle gesagt haben, die funktioniert nicht und hier nicht, denn es könnte sein, dass es da kein Netz gibt, das hat aber nichts mit Netz zu tun, das ist von sich aus da, gesetzt sozusagen, setzt sich selbst – habe Kontakt zu Mi bekommen über Internet und erzähle das Renate, während ich unten stehe und meine Tasche packe, bevor ich wieder hochgehe, da ruft sie an und sagt, sie finde das überdreht: »du fahndest jetzt per Internet nach Mi« und ich sage: »ja, klar, ich hab jetzt Kontakt« • das Schauspielhaus Bochum wird aufgelöst, alle gehen nach Hause, aber ein Teil will sich oben nochmal treffen und überlegen, wie es weitergeht, Steckel muss weg, aber der neue Intendant hat noch nie was Vernünftiges gemacht, ist eine reine Katastrophe, heißt wohl auch noch Brecht, ist aber ganz klein, und ich gehöre zu denen, die im obersten Stock nochmal diskutieren wollen, und ich frage einen Schauspieler, ob er auch mit will, was er sofort ganz begeistert tut, und während wir hochgehen – es sind breite Marmorstufen, weitläufig und verglaste Außenwände –, sagt er, wie sehr er Steckel geliebt hat, obwohl er am Anfang auch dagegen war, und wollte, dass er bleibt, und ich denke, da sieht man’s mal wieder, immer das Gleiche, am Anfang ist man dagegen und hinterher trauert man nach, vielleicht wird es ja mit dem neuen Intendanten genauso sein, er soll ja so schlecht nicht gewesen sein, aber eben gewöhnlich und oben angekommen sehen wir auf dem Dach des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wohin man mit einer Leiter rüberbalancieren kann, dass dort eine Art Boutique ist, ganz oben auf dem Dachgeschoss oben drauf, wobei man sehen kann, wie jemand da Farben hat, die er aus dem Dach zieht, an Schnüren, bis man feststellt, dass es Dreiecke sind, die er da rauszieht, und wir fragen uns, wie er das da rausgekriegt hat und was da drin ist, Nachrichten und so • man muss noch ein zusätzliches Dossier für die »Geba« wegschicken, das ist eine neue Methode und eine neue Technik, aber die funktioniert, und ist irgendwo in der Nähe von Segou, also die hat auch Netz, das zu empfangen, man muss die unbedingt unterstützen das ist eine engagierte junge Frau, und man sieht das auch auf einer Projektionsfläche, also es sind beschriebene Teile, seitenartige leicht gewellte Teile, die man jetzt nochmal verschicken kann, aber da ist noch ein anderer dabei, der da wohlwollend zuguckt, also die Resultate sind zusammengefasst in eingesteckten Kästchen und man sieht das alles auch in Segou, das ist überhaupt kein Problem alles, und das, was ich da habe, also der dritte Teil, findet sowohl auf der Projektion, die man flach über der Erde schwebend sieht, als auch schon im Netz statt und dann kommt so ein anderer Kollege vorbei und schaut sich das eher gelangweilt an, heuchelt Interesse, und ich muss diese Kollegin unbedingt unterstützen, der ich diese abgespeckte Version schicke, die man auch in einer anderen Darstellung machen kann, mit so Polen, da sieht man immer die Bildchen, aber ich habe Angst, dass dann die Daten verloren gehen – man muss diesem anderen Lehrer unbedingt sagen, dass er sofort eine Lösung finden für das Problem und mit dem Unterricht beginnen muss und das nicht liegen lassen kann, sonst passiert nie was –

      – ich bin mit einer jungen Frau in einem Straßencafé, in dem man sich zum Vögeln verabredet beziehungsweise zusammen überlegt, ob man will, und dann eventuell beschließt, es zu tun und die junge Frau will es mit mir versuchen, obwohl sie es noch nie so getan hat und ich denke »mein Gott, das kann man ja mal einfach so machen«, aber wir müssen dann die Gebühr von zwei Mark fünfzig für den Aufenthalt in dem Café bezahlen, das von einem niedrigen Zaun umgeben ist und an einem Platz in der Innenstadt ist; sie besteht darauf, dass sie es zahlt, was ich mit ansehe, obwohl ich meine Brieftasche schon ausgepackt habe, und beim Rausgehen stellen wir fest, dass es in Ordnung ist, dass man da zahlen muss, sonst würden da komische Leute hinkommen, sie sagt: »da würde dann jeder Depp da hinkommen und sich da hinsetzen« und ich sehe drei Frauen an einem Tisch, die normal miteinander reden, also man trifft sich dort nicht nur, um sich zum Vögeln zu verabreden, und wie wir dann in das Zimmer im danebenliegenden Hotel gehen, ist es schon ein wenig seltsam zwischen uns, sie lacht verlegen und als ich den Arm um sie lege, weint sie ein bisschen vor Aufregung und Angst und sagt, dass sie so was noch nie gemacht hat und ich sage: »das ist es ja gerade, deshalb will ich es ja ausprobieren!« im Aufzug umarmen wir uns, beziehungsweise klammern uns aneinander, weil es uns beiden ein wenig unheimlich ist, aber es ist total aufregend und neu und spannend, reizt doppelt, weil man sich nicht kennt, aber trotzdem irgendwie will, und ich frage mich, ob mit oder ohne Kondom, möchte es aber nicht thematisieren, weil ich Angst habe, dass es dann gar nicht läuft, und denke außerdem, dass sie bestimmt auch ohne will, weil es mit kein richtiges Vögeln wäre, und in dem Zimmer fangen wir sofort an, uns auszuziehen, schauen uns dabei neugierig an, da merke ich: meine Brieftasche ist weg, ich habe sie in dem Café liegen gelassen, als sie bezahlt hat, ich sehe sie vor meinem geistigen Auge offen ausgebreitet da liegen und wir ziehen uns sofort wieder an, um da runter zu gehen, aber als wir halb angezogen sind, sehe ich sie am Nachttischchen liegen, halb schon von Klamotten verdeckt, sie ist also doch da und ich habe nur Panik gehabt, da bekommt sie Angst, ob es wirklich richtig ist, jetzt zu vögeln, und ich sage: »wir können es ja anfangen zu probieren und du kannst jederzeit abbrechen, ich habe mich total unter Kontrolle, das ist dann kein Problem, wenn du abbrechen willst«, aber sie betont, dass sie auf jeden Fall richtig vögeln will und wir ziehen uns weiter aus, da klingelt das Telefon und ich sehe, dass es eine Nummer aus Deutschland ist und um Film geht, ich muss also rangehen, eine Produktionssekretärin ist dran, die mich nur weiterbindet, woraufhin sich wieder eine Frau mit energischer Stimme meldet, ich sage: »Wackernagel!«, aber sie schweigt erst und fragt dann: »ja – und?«, es wird kurz ziemlich peinlich, bis ich sage, dass ich angerufen wurde und mit mir verbunden und sie sagt dann: »ich wollte eigentlich nicht mit Ihnen sprechen, aber wenn Sie schon mal dran sind, kein Problem, ich wollte Ihnen nur die Tage durchsagen, an denen Sie drehen; außerdem habe ich kein Material von Ihnen«, wozu ich sage: »ja, dann schicke ich Ihnen mein neues Band« • ein Typ kritisiert, dass eine Partei kein Darstellungsort für den großen Präsidenten Gadhafi sei, das sei eine viel zu kleine Bühne • soll ein Stück von Christoph Schlingensief am Schauspielhaus in Essen inszenieren und ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll, wieso die glauben, ich könne das, obwohl ich doch noch nie inszeniert habe, aber es soll alles ganz, ganz schnell gehen, in ein paar Tagen soll schon Premiere sein, ziemlich viele Schauspieler, zehn bis fünfzehn, wir suchen den Proberaum, es ist alles total schlecht organisiert, ein riesiges, weitläufiges Haus, da sehe ich in einem Nebengang eine große Schultafel, an der unser Stück angezeigt wird, die ganzen Namen der Schauspieler, aber ich finde meinen nicht und denke: »siehste, das ist alles nur ein Trick, die wollen mich irgendwie reinlegen«, bis ich sehe, dass das Ganze überschrieben ist mit: »Christof Wackernagel inszeniert –«, folgt der Name des Stückes, was ein absurdes ist und, soweit ich es auf die Schnelle gelesen habe, gar nicht so schlecht, was mich wundert, aber man könnte was draus machen, nur finden wir weiterhin keine Proberäume, die Zeit ist rum und die Leute gehen alle wieder weg, ich frage mich die ganze Zeit, ob ich das wirklich machen soll, dass ich das doch eigentlich gar nicht kann und will und es mich nicht interessiert, ich mich womöglich blamiere, mir fällt überhaupt nichts ein, wie ich das inszenieren soll, aber die Schauspieler sind sehr nett und erwartungsvoll, aber ich habe mein Textbuch im Vorraum vom Klo liegenlassen, kann doch nicht die erste Probe ohne Textbuch beginnen, außerdem suche ich überhaupt erstmal den Raum, in dem die Probe stattfinden soll, finde keinen und finde keinen, wo immer ich reinschaue, wenn ich die Tür aufmache, ist es leer, überall Gänge, Treppen runter, Treppen rauf, teilweise nur wenige Stufen, halbe Stockwerke, nirgends ist irgendwas, da kommen aus einem Raum plötzlich ein Teil der Schauspieler, die in meiner Inszenierung mitmachen, raus, nachdem die da irgendwelche Vorbesprechungen gemacht haben, und sie sagen: »die Neuen, die da mitmachen, sind ganz gut, die sind da in dem anderen Raum«, der ein riesiger Saal ist, aber leer,