Christof Wackernagel

Traumprotokolle


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mir als Kind vor, als die Berichtschreiberin mit mir in der Schule war, dass ich ganz schlecht gewesen sei, die Lehrer gesagt hätten: »aus dem wird nichts«, später sei ich aber dann ganz gut geworden, und sie sagt: »ach, das ist aber hübsch gemacht, so italienisch! vor allem dieses: ›aus dem wird ja nichts!‹«, ich sage, dass ich mich an nichts erinnern kann, aber es durchaus so gewesen sein kann, »denn in unserer Volksschule in Ulm waren Mädchen, also das kann schon sein« –

      – mehrere Leute, darunter Engländer, an der Autobahnauffahrt, müssen aber immer wieder warten und dürfen oder können nicht auf die Bahn, weil man da Unterricht gibt auf der Autobahnauffahrt; ich hab das mühsam organisiert alles, es war erst gesperrt, aber jetzt ist es geöffnet und es stimmt jetzt alles so, wie es ist, und wir bleiben auf jeden Fall da stehen, sonst kommt alles durcheinander und dann kommen noch die Engländer dazu und ich sage denen, dass sie auf jeden Fall nicht auf die Bahn fahren dürfen – wobei ich das Wort »Bahn« auf Deutsch sage und denke, dass sie das als »Autobahn«, quasi Lehnwort, verstehen werden –, sondern weiter da an dem Parkplatz warten, wenn sie nicht wo Bestimmtes hinwollen, sonst kommen sie von da so schnell nicht wieder • er, Lutz Eisel, verteidigte einen Mann, war ein Mann, der seine eigenen Eltern zerstückelte und ins Eisfach gelegt hat • bin auf einer Veranstaltung, die irgendwie ein bisschen zu meinen Ehren ist, könnte etwas Geburtstagsartiges sein, aber auch wegen der »es«-Veröffentlichung, über die eine Frau ganz interessiert mit mir reden will, mich regelrecht ausfragt, fast interviewt • wir stehen in einem Vorraum hinter dem Gang, durch den ich eben gegangen war und in dem einige auf den Boden kauerten und aßen oder irgendwelche Übungen oder Spiele machten –, aber dann sehe ich, dass einer der Veranstalter dieser Feier etwas weiter hinten steht und nervös wartet, bis die Frau endlich fertig ist mit mir, aber nachdem sie das offenbar noch lange nicht will, sie an der Schulter antippt und bittet, zum Ende zu kommen, da, wie ich dann auch sehe, weiter hinten an einem Tisch schon die nächste sitzt, die mit mir reden will, wobei dieser aufnahmeleiterartige Mensch mich aufklärt, dass insgesamt ganz viele mit mir über »es« reden wollen und er bereits organisiert hat, dass einer nach dem anderen mit mir reden kann, was mich freut und ehrt, aber als ich mich dann zu der anderen setze und wir zu sprechen anfangen, wobei sie mich erstmal wieder grundsätzliche Fragen fragt, denke ich: »verdammt, ich hab jetzt gar keine Prospekte dabei, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich natürlich Prospekte mitgenommen, die ich den Leuten geben kann, damit ich nicht immer bei Punkt Null anfangen muss«, da kommt ein weiterer, der auch mit mir reden will, und unterbricht das Gespräch mit der Frau am Tisch und sagt: »Kollege Drähn ist auch da und will mit dir reden«, woraus ich schließe, dass der mich Ansprechende wohl ebenfalls ein alter Kollege vom Schauspielhaus Bochum ist, er erinnert mich sogar an Andreas Korffmann, und er schlägt vor, doch eine kleine Gruppe zu bilden, eine kleine Versammlung zu machen, wo wir dann alle zusammen reden, damit es praktischer wird, womit ich sehr einverstanden bin, und durch diesen Gang gehe ich wieder zurück und sehe die Leute, die da kauern und etwas verrenkt am Boden rummachen und an etwas rumfummeln, was am Boden liegt, was ich aber nicht genau erkennen kann – etwas weiter hinten in einem eine halbe Etage tiefer gelegten Raum glaube ich auch, Kalle Drähn zu erkennen – und dann denke ich: »mein Gott, es ist vielleicht doch am besten, ich fahre eben schnell nach Hause und hole die Prospekte, ist ja nicht weit«; das Auto, das der rote Renault sein könnte, steht draußen auf dem Vorplatz unter einem Baum, und ich erkläre das dort noch kurz dem aufnahmeleiterartigen Typen, wobei wir nochmal ziemlich lange hin und her abwägen, ob sich das wirklich lohnt oder nicht, aber dann doch zu dem Schluss kommen, dass es sinnvoll ist, woraufhin ich ins Auto steige, losfahre, aber kurz darauf zu einer baustellenartigen Stelle komme, an der viele Leute herumsitzen und -stehen, ratlos, irgendwas scheint passiert zu sein, man kann auch nicht mehr weiterfahren, es ist alles wie Baugebiet, tiefe Rillen, in denen der Wagen stecken bleiben würde, ich kurble das Fenster runter und frage, was los ist: es gehe um eine Scheidung, sagen die Leute, was offenbar eine sehr ernste und schwierige, ritualartige Sache sei, ich frage: »was soll denn das?«, aber die Leute sagen, ich könne nicht mehr weiterfahren, »sonst verbrennt das Auto«, ich sage: »aber ich hab’s ganz eilig, muss ganz schnell wieder zu einer laufenden Veranstaltung zurück« und nach einigem Zögern erklärt sich eine Frau bereit, mir zu helfen, ich gehe raus aus dem Auto auf dieses baustellenartige Bruchgelände, das durch einen großen Spalt getrennt ist, wo auf beiden Seiten Leute sitzen und stehen, zum Teil an Tischen, alle sehr ernst und düster und gespannt, böse feierlich und als ob sie alle auf etwas warteten, aber bevor ich auf dieses Abbruchgelände gehe, sagt die Frau zu mir: »du musst hinterher das Jackett wechseln, denn du musst jetzt da rüber und musst dich dann auf diesem Schotter wälzen und wälzen und wälzen« und ich weiß nicht, was ich machen soll, wie ich das umsetzen soll und wie ich über diesen Spalt kommen soll, will nicht, dass mir jetzt was passiert, stehe unschlüssig da rum, bis die Frau mir wieder hilft und das Auto nimmt, das nur noch ein Autositz ist, den sie rüberträgt, wobei es nur noch eine Schüssel ist, in der wiederum eine zweite, kleinere Schüssel liegt, die verdeckt, was in der unteren ist, und stellt sie in die Mitte auf diese Fläche, die eine Bastzeugfläche ist, eine größere Bastmattenfläche, woraufhin ich auch über den Spalt springe und mich drüben auf diesen Abbruchboden werfe und über die Schulter rolle und rolle und rolle und sehe, dass diese Schüssel tatsächlich brennt, sehe die Flammen daraus lodern, und dann rolle ich mich und rolle mich und rolle mich weiter, damit ich selbst nicht zu brennen anfange, wobei ich feststelle, dass es sehr angenehm ist, sich da zu rollen, bis die anderen, die da rumsitzen, sagen: »jetzt ist gut, jetzt kannst du die Schüssel nehmen, das obere, verbrannte Teil abnehmen und da drunter sind Fleischstückchen, die kannst du essen«, was ich dann auch, neugierig geworden, tue, und feststelle, dass da tatsächlich mehrere, zum Teil nur halb oder angegarte Filetstückchen sind, darunter aber auch einige, die man tatsächlich essen kann, wie von einem oder für einen Brochette-Spieß; ich esse die dann auch und frage, was das soll, bekomme aber keine Antwort, obwohl da wirklich ziemlich viele Leute rumstehen und irgendwas machen, ein etwas grobschlächtiger Mann mit Kordhosen und einer Wollweste neben beziehungsweise unterhalb seitlich von mir kniet vor einem gewaltigen Fleischberg, einem wirklich kalbsgroßen reinen, roten Filetteil und hackt mit seinen riesigen Schneidezähnen Streifen daraus heraus, die vielleicht dann später für dieses merkwürdige Verfahren verwandt werden, andere, auch auf dieser Seite, also da, wo man verbrennt, bereiten auch irgend etwas vor und sagen: »ja, der Wagner, der wird sich wundern, dass er nicht mehr verheiratet ist«, nicken dabei mit dem Kopf und lachen bitter, aber auch ein wenig höhnisch, reden weiter darüber, dass dieses Paar jetzt nicht mehr zusammen ist, sie ihn betrogen hat und der das gar nicht weiß, und dann kommen zwei von der Seite rein, die Puppen mit Lodenmänteln tragen, halb mannsgroße, die sie auswickeln und herzeigen, so dass man das Gesicht von diesem Wagner sehen kann; ich frage, ob das der Wagner vom Stadtarchiv Bochum ist, bekomme aber keine Antwort, sondern sie halten mir die Puppe hin, so dass ich das Gesicht sehen kann, das ich zwar nicht kenne, das aber ein Hitlerbärtchen hat, woraufhin sie die Puppen wieder in ihre Lodenmäntel einwickeln und wegschmeißen – aber dann kommen wieder zwei neue Leute, die genauso aussehen und einer ist wohl dieser Wagner, um dessen Scheidung es da geht, er macht aber gar keinen unglücklichen Eindruck, sieht eher neugierig um sich, als ob hier etwas Interessantes los sei –

      – wir arbeiten etwas in einem Haus neben einem kleinen Art Marktplatz mitten in der Stadt, auf dem gerade ein Volksfest stattfindet, aber wir müssen das koordinieren mit einem Mann, einem Schwarzen, der im ersten Stock eines Hauses auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes in einem offenen Tür- oder Balkoneingang steht – das Haus ist noch im Rohbau oder ist gerade entkernt worden und wird totalrenoviert –, neben zwei weiteren Männern, die faschingsartig verkleidet sind beziehungsweise für das Volksfest und von dort für das sich drängende Volk auf dem Platz sichtbar sind, aber starr dastehen, keine Aktion machen, während wir an einem Tischchen auf dem Platz sitzen, wo wir – eine Frau und ich – das, was wir sagen wollen, auf eine Tafel schreiben, was von dort irgendwie übertragen wird zu dem im ersten Stock stehenden Schwarzen oder es wird von einer Kamera aufgenommen und per Beamer nach oben projiziert, wo der das dann lesen kann, was aber auch hieße, dass ich das so schreiben muss, dass die Kamera es gut erfassen kann, da wäre ja ein rein elektronisches System praktischer, wo man es direkt auf die Tafel schreibt und es ganz oben irgendwo gesehen wird, aber er wird ja auch gefilmt und wir sehen das irgendwie und die Kommunikation klappt gar nicht, der steht da neben diesen beiden kostümierten und maskierten