„Ich werde morgen früh aufbrechen, wir haben also noch den ganzen Sonntag, um das mit dem Auktionssaal zu regeln. Glaubst du, dass du die Plakate bis dahin fertig hast?“
„Gar kein Problem“, sagte Gina, die bereits Feuer und Flamme für die Aufgabe war.
„Und vergiss nicht, dass es um Pferde geht. Also achte darauf, dass irgendwo ein Pferd drauf ist. Du musst nicht das Rad neu erfinden.“
„Klar, ich kümmere mich darum“, sagte Gina und machte eine scheuchende Handbewegung.
Lacey war sich nicht ganz sicher, ob es eine gute Idee war, der etwas schrulligen Gina die Verantwortung für das Plakat zu überlassen, aber es würde sie zumindest auf Trab halten. Und sie war fein raus und konnte den ganzen Tag in Dorset auf Schatzsuche gehen. Wie aufregend!
„Glaubst du, Tom würde mit mir mitkommen wollen?“, sagte Lacey. „Nachdem Dover so eine Katastrophe war, könnte Dorset vielleicht eine gute Möglichkeit sein, es noch einmal zu versuchen.“
„Frag ihn doch, was er davon hält“, sagte Gina.
Lacey blickte auf, als die Glocke über der Tür läutete und Tom auf sie zugestürmt kam. Lacey war überrascht, ihn so kurz vor Mittag zu sehen, da er zu dieser Zeit immer am meisten zu tun hatte. Vielleicht war er gekommen, um sich dafür zu entschuldigen, dass er sie gestern Abend sitzen gelassen hatte.
„Was machst du denn hier?“, fragte Lacey und Vorfreude stieg in ihr auf.
„Ich brauche etwas Kleingeld“, sagte Tom und winkte ihr mit einer Handvoll Zwanzig-Pfund-Noten zu, während er ohne anzuhalten direkt an ihr vorbei ging und sich sofort daran machte, Münzen aus ihrer Kasse auszuzählen. „Touristen zahlen immer mit Scheinen. Ist dir das auch schon aufgefallen?“
Das war es, aber darum ging es jetzt nicht. „Ich dachte, du wärst hier, um dich zu entschuldigen“, sagte sie enttäuscht.
Tom hörte nur mit halbem Ohr zu, während er das Wechselgeld auszählte. „Entschuldigen? Wofür willst du dich entschuldigen?“
„Nicht ich. Du! Du hast mich gestern Abend versetzt.“
Toms Kopf schoss noch oben und er hörte sofort mit dem Zählen auf. „Oh! Ach, Lacey, natürlich. Es tut mir so leid!“ Er ließ den Münzstapel liegen und wandte seine Aufmerksamkeit endlich ihr zu. Zärtlich streichelte er ihren Arm. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dir abgesagt habe.“
„Was war denn los?“, fragte Lacey. Diese Unzuverlässigkeit sah Tom gar nicht ähnlich.
„Ach, nichts Besonderes, nur die Arbeit“, erwiderte er. „Ich hatte eine Braut, die unter Tränen ihre Hochzeitstorte absagen musste, weil ihr Vater mit Verdacht auf einen Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden ist. Da der Zuckerguss schon fast fertig war, habe ich die Torte in Stücke geschnitten und sie so verkauft, um meinen Verlust zu begrenzen. Das Problem war nur, dass die Braut ein paar Stunden später nochmal angerufen hat, um mir mitzuteilen, dass die Hochzeit nun doch stattfinden würde, weil es ihrem Vater gut ging; es war nur eine Magenverstimmung! Also musste ich nochmal eine neue Torte backen.“
„Nun ja, so sehr ich mich für die Braut und ihren verdauungstechnisch angeschlagenen Vater freue“, sagte Lacey, „für mich war es wirklich scheiße.“
„Ich weiß“, sagte Tom und streichelte zärtlich ihre Wange. „Ich hab's verstanden. Ich mache es wieder gut, das verspreche ich. Wir müssen nur noch eine verrückte Woche überstehen, dann kann endlich wieder Normalität einkehren.“
Lacey konnte ihm nicht mehr böse sein. Er war eindeutig gestresst. Normalerweise machte Tom die hektische Arbeit in der Konditorei Spaß, aber im Moment schien er fix und fertig zu sein.
„Das Pferde-Fest hält dich ganz schön auf Trab, hm?“, fragte Lacey.
Tom nickte. „Heute Morgen ist ein Kind in die Schaufensterauslage geklettert und hat das Macaron-Rennpferd umgestoßen, das ich für das Fest gemacht habe. Ich habe den ganzen Vormittag versucht, es wiederaufzubauen, aber es war die ganze Zeit so viel los, dass ich noch keine Gelegenheit dazu hatte.“
Lacey spähte durch das Fenster über die Straße zu Toms berühmter Macaron-Auslage. Da stand ein kopfloses Pferd. Sie konnte sich das Lachen nicht verkneifen. „Ach du liebe Zeit.“
Gina brach in schallendes Gelächter aus. „Sieht aus, als wäre die Mafia da dran gewesen.“
„Ja, den habe ich schon mal gehört“, sagte Tom müde. „Mindestens fünf Mal. Weil jeder zweite Kunde irgendeinen Witz darüber macht.“ Mit einer dümmlich verstellten Stimme sagte er: „Jemand sollte Sie bei der RSPCA melden. Konditorei? Ich dachte, das hier sei eine Metzgerei. Und so weiter.“
Dann fing er wieder an, sein Wechselgeld auszuzählen.
Lacey lehnte sich mit dem Rücken an die Theke und beobachtete ihn. „Wahrscheinlich ist jetzt gerade kein guter Zeitpunkt, dich zu fragen, ob du morgen einen Tagesausflug machen willst.“
Tom blickte auf und verzog gequält das Gesicht. „Morgen?“
„Ich werde für das Festival noch einmal eine Themenauktion veranstalten“, erklärte sie. „Ich will die Lager in Dorset abklappern.“
„Noch eine Auktion?“, sagte Tom lächelnd. „Das ist großartig. Und ich wünschte, ich könnte, aber meine Lebkuchenpferde backen sich nicht von selbst.“
„Das ist okay“, sagte Lacey, der es jedoch nicht gelang, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Chester kann mich begleiten.“
Chesters Ohren zuckten, als er seinen Namen hörte.
„Es tut mir leid, Lacey“, sagte Tom aufrichtig. „Wenn das Festival vorbei ist, können wir so viele Tagesausflüge nach Dorset machen, wie du willst.“
Daran hatte Lacey so ihre Zweifel. Bis Tom ein paar anständige Mitarbeiter einstellte, würde es immer etwas geben, das seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte.
„Hey, ich habe eine Idee“, sagte Tom plötzlich und schnipste mit den Fingern. „Warum nimmst du nicht meinen Lieferwagen? Dann hast du mehr Platz für deine ganzen Einkäufe.“
Hoffnungsvoll lächelte er sie an. Es war offensichtlich, dass er helfen wollte, aber sein Lieferwagen war Laceys Meinung nach kein geeigneter Ersatz dafür, Zeit mit ihm zu verbringen.
„Brauchst du ihn nicht?“, fragte sie.
Tom schüttelte den Kopf und kramte in seiner Tasche nach den Schlüsseln. „Er gehört ganz dir“, sagte er. „Bring ihn einfach nur in einem Stück zurück. Ich sollte lieber zurück in die Konditorei gehen und mich um das kopflose Pferd kümmern.“
Schnell gab er Lacey einen Schmatzer, ehe er davoneilte, wobei das Kleingeld in seinen Taschen klimperte.
Lacey stand da, die Schlüssel des Lieferwagens in der Hand, und fühlte sich ein wenig wie ein Kind, das mit dem Auto ihrer Eltern abgespeist worden war. Die ganze Begegnung hatte sich äußerst enttäuschend angefühlt, aber Lacey beschloss, sich nicht weiter damit zu beschäftigen. Morgen würde sie sich auf ein neues Abenteuer begeben, und wer wusste, was für aufregende Schätze sie finden würde?
KAPITEL DREI
Am Samstag machte Lacey sich frühmorgens im spätsommerlichen Sonnenschein auf den Weg, um nicht in den Morgenverkehr zu geraten. Da es in Toms Lieferwagen stickig war, ließ sie die Fenster herunter und genoss den Fahrtwind.
Sie hatte sich für den langen Weg nach Bournemouth entschieden, der über Landstraßen anstatt über Bundesstraßen führte. Es gab einfach nichts Schöneres, als auf kurvenreichen, einspurigen Straßen, die sich durch die Felder und Hänge schlängelten, durch die englische Landschaft zu fahren, besonders an einem schönen Sommertag. Lacey konnte einfach nie genug davon bekommen und war begeistert, als sie an einer Wiese voller Schafe und Feldern mit wiegenden Weizenhalmen vorbeifuhr. Sie freute sich genauso sehr über Landschaft wie auf die bevorstehende Schatzsuche.
Sie erreichte Bournemouth und die ruhigen Landstraßen gehörten der Vergangenheit an, als sie in die geschäftige Küstenstadt hineinfuhr