Gisela Reutling

Mami Staffel 1 – Familienroman


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kommen.

      Trude war schon in der Küche.

      »Ich hab gar nicht gehört, daß du gekommen bist, Trude«, staunte Doris, die dem Mädchen half, den Tisch zu decken.

      »Ich hab’ den Wagen auch nicht direkt am Haus geparkt, ich wollte euch doch nicht wecken. Hoffentlich habt ihr etwas Schönes geträumt. Was man in der ersten Nacht in einem Haus träumt, geht nämlich in Erfüllung.«

      »Wirklich?« Erfreut zog Thomas seine Nase hoch. »Ich hab’ geträumt, ich kann reiten. Ich bin mit Marie-Luise durch den Wald geritten.«

      »Und ich hab auch von Marie-Luise geträumt«, unterbrach Doris ihren Bruder lebhaft. »Sie kam in mein Zimmer, ich glaube, ich war krank, sie setzte sich nämlich auf mein Bett, wie Mami es früher machte. Sie hat über meine Stirn gestrichen, aber dann bin ich leider wach geworden.

      Max’ Stimme war belegt, als er mit falscher Fröhlichkeit in die Hände klatschte.

      »Ein herrlicher Morgen. Wenn der Tag mit einem so guten Frühstück beginnt, muß es ein schöner Tag werden. Guten Morgen, Trude. Schön, daß Sie gekommen sind.«

      Aber nur den Kinder wollte es schmecken. Er brachte mit Mühe einen Bissen hinunter, der Hals war ihm zugeschnürt. Am liebsten hätte er gebrüllt: Ich will den Namen Marie-Luise in diesem Haus nicht mehr hören.

      *

      Die Kinder musterten das kleine rote Auto, das vor dem Gartenzaun hielt, mit Abneigung. Störungen wollten sie nicht, sie spielten gerade so schön. Aber als sie Marie-Luise sahen, stürzten sie schrei­end vor Begeisterung auf sie zu. Natürlich schloß sich Dagobert dem Lärm an, sein Bellen war vermutlich im weiten Umkreis zu hören.

      »Marie-Luise… toll. Jetzt bist du da. Wir wußten, daß du kommst.«

      Sie hingen an den Armen des Mädchens, sie wollten sie schier erdrücken.

      Die Kinderaugen strahlten sie an. War es da ein Wunder, daß Marie-Luises Herz vor Seligkeit hüpfte? Was war denn dieser Empfang gegen all den gewohnten Applaus?

      »Natürlich bin ich gekommen. Ich habe es doch versprochen.« Einen Moment drückte sie die beiden fest an sich, hob sie sogar ein wenig hoch. Da Dagobert sich ausgeschlossen fühlte und das Ganze für einen herrlichen Spaß hielt, warf er seine Vorderpfoten mit seiner ganzen Kraft gegen Marie-Luises Brust.

      Natürlich verloren sie alle drei den Halt, stolperten und fielen der Länge nach auf den Boden. Da­gobert drückte seinen dicken Kopf gegen Marie-Luises Kinn und leckte ihr hingebungsvoll das Gesicht.

      Sie lachten, und die Kinder quickten vor Begeisterung. Natürlich schalten sie den Hund und halfen Marie-Luise, ihn wegzudrücken.

      »Bist du verrückt, Dago?«

      »Laß Marie-Luise zufrieden. Meinst du, deine Zunge ist etwas Köstliches?«

      Marie-Luise setzte sich auf und lachte. Natürlich war sie ein wenig unsanft auf dem Boden gelandet. Sie spürte den Sturz von gestern ja noch.

      »Du mußt einige Zentner wiegen, Dagobert«, stöhnte sie.

      »Hast du dir weh getan?« Doris umklammerte Marie-Luises Hand und betrachtete sie ängstlich.

      »Komm, ich helf’ dir hoch. Aber du darfst auf Dagobert nicht wütend sein, der freut sich genauso doll wie wir.«

      »Ich bin doch nicht wütend. Wofür hältst du mich denn?«

      Sie hatte nicht einmal die Hände frei, um sich den Schmutz von der Hose zu klopfen. Die Kinder hingen an ihrem Arm und drückten sich eng an sie, als hätten sie ihre Nähe eine Ewigkeit vermißt. Dagobert versuchte verzweifelt dazwischenzukommen.

      Als die drei sich, noch immer eng beeinander, durch die Gartentür drückten, stieß er ein jammervolles Geheul aus.

      »Still«, fuhr Thomas ihn an, kraulte ihm aber den Kopf. »Willst du, daß wir Ohrenschmerzen kriegen? Geh’ nicht ins Haus«, bettelte der Junge. »Trude schafft das prima allein. Sie war heute morgen schon da, als wir aufstanden. Sie wollte Papa sogar ein Butterbrot mitgeben«, Doris grinste genauso übermütig wie ihr Bruder. »Wenn wir nachher ins Haus gehen, Marie-Luise, mußt du ihr unbedingt sagen, daß wir nicht den ganzen Tag essen können. Eben war sie auch schon wieder draußen und wollte, daß wir Milch trinken. Mama hat immer gesagt, so schnell verhungern Kinder bei uns nicht. Sie kommen schon, wenn ihnen der Bauch knurrt. Wir haben eben versucht, Dagobert zu trainieren. Hier gibt es nämlich eine Hundeschule, da soll er hin. Aber im Augenblick ist er nur dick und faul. Er wollte nicht mal über die Bretter springen.«

      »Laß uns doch lieber Mutter und Kind spielen«, bettelte Doris. »Ich bin das Kind und du bist der Vater und Marie-Luise ist die Mutter.«

      »Na gut«, nickte Thomas nach gründlichem Nachdenken. »Aber ich gehe nicht ins Büro und bin den ganzen Tag weg und du hast Marie-Luise für dich. Ich bin ein Vater, der Ferien hat.«

      Als wäre Marie-Luise selbst noch ein Kind, so begeistert spielte sie. Natürlich hatte sie zuerst Trude guten Tag gesagt. Die gutmütige Trude hatte ihnen sogar Kuchen hinausgebracht und für die Kinder Kakao gekocht.

      Sie vergaßen die Zeit. Eigentlich hatte Marie-Luise nur bis vier Uhr bleiben wollen. Sie hatte am Abend Vorstellung und mußte ausgeruht sein.

      Alle drei hörten das Auto nicht. Sie hörten nicht einmal, daß das Gartentörchen quietschte. Dago­bert verstopfte seine Ohren, so genoß er das Spiel.

      Max Gilberg hatte einen anstrengenden, aber angenehmen Tag verbracht. Es hatte sogar Stunden gegeben, in denen er nicht an Marie-Luise gedacht hatte.

      Und jetzt sah er sie. Ihr kupferfarbenes Haar bildete einen wundervollen Kontrast zu den blonden Haaren seiner Kinder.

      Sie hockten vor einer Decke, saßen auf dem Rasen, der Hund nahe neben dem Mädchen, das er aus Kopf und Herzen verbannen wollte.

      »Mami«, das war die Stimme seiner Tochter und das Wort Mami fuhr wie ein Dolch in sein Herz, »ich muß noch Schulaufgaben machen, hilfst du mir?«

      »Nein«, Thomas bemühte sich um eine tiefe Stimme. »Wenn du in der Schule aufpaßt, dann braucht dir niemand zu helfen. Ich gehe jetzt mit Mama ein Glas Wein trinken.«

      »Du bist gemein«, fuhr Doris wütend auf ihren Bruder los. »Eine Mutter hilft immer, ganz bestimmt, wenn ein Kind so lieb bittet wie ich. Das soll dir so passen, daß du schon wieder mit Marie-Luise allein auf der Bank sitzt.«

      Max holte tief Luft. Er wollte gar nicht hören, was das Mädchen antwortet, er würde sie auch kaum ansehen. O nein, sie hatte genug Durcheinander in seinem Herzen angerichtet.

      Wie geschmacklos von ihr, mit seinen mutterlosen Kindern dieses Spiel zu spielen. Aber eine verwöhnte Diva dachte daran natürlich nicht.

      »Guten Abend.«

      Alle Köpfe ruckten hoch. Die Kinder strahlten Max an, aber er sah auch, wie verhalten Marie-Luise ihn musterte, als spürte sie seine Abneigung.

      »Papa. Du bist schon da?« Und er hatte geglaubt, von seinen Kindern vermißt und sehnsüchtig erwartet zu werden. »Wir spielen so schön. Marie-Luise ist die Mutter und Thomas der Vater und ich bin das Kind.«

      Auf Marie-Luises Wange prangte ein Schmutzstreifen, sie war genauso schön, wie er sie in Erinnerung hatte. Gestern abend, als er sie im Fernsehen angestarrt hatte, trug sie ihr Haar offen, jetzt hatte sie es achtlos am Hinterkopf zusammengebunden. Sie war auch jetzt ungeschminkt.

      Bei diesem Gesicht brauchte sie wieder Lippenstift noch Wimperntusche.

      »Warum sagst du denn nichts, Papa?« Thomas musterte seinen Vater ängstlich. »War’s nicht schön im Büro? Hast du dich nicht wohl gefühlt? Wärst du jetzt lieber in Hamburg? Aber, Papa, wir sind froh, daß wir hier sind, wir hätte ja sonst Marie-Luise nicht kennengelernt.«

      »Das wäre ja gräßlich«, stieß sein Töchterchen entsetzt aus, Doris stand nicht auf, um ihren Vater zu umarmen, sie drückte