Gisela Reutling

Mami Staffel 1 – Familienroman


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das Tempo bei uns sind schon atemberaubend.«

      »Aber Spaß macht es, gefordert zu werden, auch Hetze kann Spaß machen. Bitte, verändern Sie nichts daran«, flehte sie ihn an und legte beschwörend ihre Hand auf seinen Arm. »Die Zeichnung ist vollkommen. Ich gebe sie sofort zur Reinzeichnung hinunter. Es ist genau das, was ins Auge fällt. Man kann die Werbung gar nicht übersehen. Sie wird in allen Illustrierten erscheinen.«

      Ihre Bewunderung freute ihn. Aber er betrachtete nicht das Mädchen, sondern noch einmal prüfend den Entwurf.

      »Ja, er kann so bleiben«, nickte er. Er wünschte sich, er könnte Marie-Luise die Zeichnung zeigen. Ob sie heute abend zu Hause war, wenn er kam? Wie herrlich wäre es, wenn es ihr Zuhause wäre, wenn sie bei ihnen wohnte, immer da wäre, mit ihm und den Kindern unter einem Dach lebte.

      »Sie hören gar nicht zu«, schmollte Franziska. Sie hatte blaue Augen, ein wirkungsvoller Kontrast zu ihren roten Haaren. Daß die Haarfarbe nicht echt war, wußte Max natürlich nicht, aber es hätte ihn auch nicht interessiert.

      »Entschuldigen Sie, Franziska.«

      »Ich sagte, Sie sollten sich doch bitte die Entwürfe für den Werbefilm ansehen. Die Autofabrik Neumann besteht auf einen Film, er darf aber nur eine Minute laufen. Wie diese Leute sich so etwas vorstellen!…

      Aber jetzt machen wir zuerst einmal Pause«, bestimmte sie und stand auf. Sie zupfte ihren Rock zurecht, und flüchtig dachte Max, wie unbequem muß so ein enges Ding sein. Wie man den wohl anzieht und wie man aus dem wieder herauskommt.

      »Sie sind müde, kein Wunder. Sie arbeiten ja auch schon seit dem frühen Morgen. Ich werde uns jetzt Kaffee kochen und aus der Kantine appetitliche Häppchen holen. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Ich muß auf Sie achten, damit Sie sich nicht übernehmen. Uns ist nicht geholfen, wenn Sie sich überarbeiten.«

      Sie klapperte auf ihren hochhackigen Schuhen davon, sie schwenkte die Hüften ein wenig, aber all ihre Bemühungen waren an Max verschwendet, er bemerkte sie nicht einmal.

      Es war gut, daß sie seine Gedanken nicht lesen konnte.

      Ich werde froh sein, schoß es ihm durch den Kopf, wenn ich mein Büro für mich habe! Lange halte ich ihre diktatorische Art nicht aus. Ewig konnte das Einarbeiten ja nicht dauern.

      Aber er war viel zu höflich, um ihr seinen Unmut zu zeigen, es wäre auch sehr unklug gewesen, sie zu verärgern. Diese Frau war nun einmal die Seele des Geschäfts.

      »Sie speichern in Ihrem Kopf alle Vorgänge.« Max biß mit bestem Appetit in das Brötchen. »Von rechtswegen hätte Sie die Chefin werden sollen.«

      Sie winkte ab, goß fürsorglich Kaffee in die Tasse. »Milch? Zuk­ker?«

      »Nein, danke.«

      »In Zukunft weiß ich das und brauche nicht mehr fragen. Wollen wir nicht für die kurze Zeit unserer Frühstückspause die Arbeit vergessen? Erzählen Sie mir von Ihren Kindern, haben sie sich schon eingelebt?«

      Er schmunzelte. »Ganz prächtig sogar. Eine junge Dame hilft ihnen dabei.«

      Eifersucht sprang sie an, aber sie zeigte sie natürlich nicht. Ihr mokantes Lächeln störte ihn. »Ich kann mir vorstellen, daß junge Mädchen, ich denke da an das Alter von 14 bis 17 Jahre, sich überschlagen, sich bei Ihren Kindern lieb Kind zu machen. Immerhin erobert man das Herz eines Mannes über die Kinder.«

      Er ärgerte sich über sie.

      »Sie wissen hoffentlich, wer dieses junge Mädchen ist?« bohrte sie mit liebenswürdiger Stimme.

      »Ja, ich weiß es. Ihre Angst ist unbegründet.«

      »Ich hoffe, ich gehe Ihnen mit meiner Fürsorge nicht auf die Nerven. Aber ich habe mir nun einmal vorgenommen, Sie unter meine Fittiche zu nehmen, nicht nur beruflich. Es ist sehr wichtig, daß Sie als Chef der Werbeagentur auch gesellschaftliche Kontakte pflegen. Ich bin in dieser Stadt sehr gut bekannt. Halten Sie die Bemerkung bitte nicht für Überheblichkeit, dazu neige ich nun wirklich nicht. Aber ich gehöre zur sogenannten guten Gesellschaft. Mein Vater war Studiendirektor und mein Mann Ratsherr.«

      »Sie sind verheiratet?« staunte er. »Ich könnte mir vorstellen, daß bei Ihrem Arbeitseinsatz Ihr Privatleben zu kurz kommt.«

      »Ich habe im Augenblick kein Privatleben, ich bin froh, daß meine Arbeit mich vollkommen ausfüllt. Ich bin vor einem Jahr geschieden worden. Die ganze Angelegenheit war sehr schmerzlich. Aber ich möchte nicht von mir sprechen.«

      »Es tut mir leid.« Er musterte sie mitfühlend. Eigentlich sah er erst jetzt, wie vollendet sie zurecht gemacht war. Jeder Zoll die perfekte Mitarbeiterin. Ein besseres Aushängeschild als diese Dame, konnte eine Firma gar nicht finden.

      »Es ist vorbei. Es war eine schmerzhafte Zeit, und ich habe sie noch lange nicht überwunden. Ich war meiner Sache so sicher, ich glaubte, wir führten die perfekte Ehe, dabei gab es schon lange eine andere in seinem Leben. Er wollte die Scheidung nicht, ihm gefiel der Zustand, eine Ehefrau, einen perfekten Haushalt und eine Geliebte. Ich Närrin habe ihm alles Unangenehme ferngehalten, hab’ nie kontrolliert, wieviel Geld er ausgab und wofür. Ich bin nun einmal sehr großzügig und hasse es, jemanden zu bevormunden. Diese Eigenschaft wurde mir schlecht gelohnt. Ich jedenfalls wollte solch ein Leben nicht.«

      Er nahm sich noch ein Brötchen und nickte. »Das kann ich gut verstehen. Von einer Beziehung außerhalb der Ehe halte ich auch nichts. Ich glaube, Franziska, wir sollten uns wieder über unsere Arbeit hermachen. Ich will mir die Werbung von Giese noch einmal ansehen.«

      »Noch einen Augenblick, Max. Essen Sie zuerst in Ruhe zu Ende. Ich habe eine große Bitte, ich hoffe, daß sie nicht unverschämt ist. Ich möchte Ihre Kinder gern kennenlernen, ich brenne richtig darauf. Ich liebe Kinder, ich leide sehr darunter, daß meine Ehe kinderlos geblieben ist, aber mein Mann wollte keine Kinder. Vielleicht sollte ich jetzt froh darüber sein. Kinder aus einer geschiedenen Ehe sind nicht zu beneiden. Damit ein Kind glücklich ist, braucht es beide Elternteile, einen Vater und eine Mutter. Oh, wie taktlos ich bin«, rief sie im gespielten Erschrecken und schlug sich wie ein Kind auf den Mund. »Wie kann ich nur so etwas sagen! Für gewöhnlich bin ich wirklich kein enfant terrible. Aber das ist doch auch Ihre Meinung, nicht wahr?«

      Wie ein kleines Mädchen riß sie die Augen auf, den Mund hielt sie ein wenig geöffnet, damit man die weißen Zähne sehen konnte.

      »Das Sie kein enfant terrible sind?« fragte er neckend. Auf ihre Frage ging er nicht ein. Mit der Serviette strich er über seinen Mund, säuberte die Hände.

      »Seien Sie doch nicht so stur«, schmollte sie. »Darf ich Sie einmal besuchen? Ich möchte ganz sicher nicht aufdringlich sein.«

      Er konnte ja gar nicht anders! Und wenn es noch so gegen seine Prinzipien verstieß. Er bemühte sich um einen burschikosen Ton, er verbeugte sich sogar und schmunzelte.

      »Wir Gilbergs fühlen uns geehrt, wenn wir Sie begrüßen dürfen. Ich kann Ihnen sogar einen guten Kaffee versprechen. Wenn Sie mir sagen, wann Sie kommen, kann ich sogar für einen Guglhupf garantieren. Nur ob meine Kinder vorzeigbar sind, das kann ich nicht versprechen.« Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, lachte. Ihr Herz zog sich begehrlich zusammen. Sie war sicher, noch nie einem Mann begegnet zu sein, der eine Ausstrahlung hatte wie er. Nichts würde sie unversucht lassen, um ihn zu »ihrem Mann« zu machen! Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ihr das nicht gelang. Sie würde alle Register ziehen, wenn ihr das nicht gelang. Sie würde alle Register ziehen, er würde gar nicht anders können, als sie begehrenswert zu finden. Gleich heute wollte sie mit ihrem Schachzug beginnen.

      »Max!« bat sie ihn am späten Nachmittag. »Könnten Sie mich nach Hause bringen? Mein Wagen ist in der Werkstatt, und mit dem Autobus zu fahren, ist nervig. Die vielen Menschen auf so engem Raum gehen mir nach einem arbeitsreichen Tag aufs Gemüt.«

      Es paßte ihm nicht. Er brannte darauf, nach Hause zu kommen, er hoffte doch so sehr, Marie-Luise vorzufinden.

      *

      Er setzte Franziska vor