Milon bejahte, begab sich der Fremde mit seinen Begleitern den Treppenweg hinauf zur Villa. Als Milon sich auf dem Schiff seiner Ladung entledigte, sah er, dass die beiden Schiffswächter lange Besen in Wasserkübel steckten und die Bretter des Schiffes bespritzten, wo die heiße Asche mit dem Wasser einen grauen dampfenden Brei bildete. Auf dem Rückweg hinauf zur Villa stülpte er sich eine Lederschürze über den Kopf, um sich vor Steinschlag zu schützen. Er kam oben an, als Pomponianus gerade aus dem Hause unter das Vordach trat, um den unerwarteten Gast aus dem Vierruderboot zu begrüßen. Sie mussten alte Freunde sein; denn Pomponianus schloss ihn in die Arme und rief:
«Plinius, du bist es! Die Götter senden dich in dieser schlimmen Stunde zu mir.»
Der Fremde, der von hoher, gebieterischer Gestalt war, lächelte, machte mit der Hand eine beruhigende Gebärde:
«Was seid ihr alle so außer Rand und Band geraten? Wenn ein Berg etwas Asche und Unrat ausspuckt, geht die Welt noch nicht unter! Mein Freund, du willst doch jetzt nicht durch den Sarnus auf das Meer hinausfahren, um nach einigen Stunden des Herumirrens zurückzukehren?»
Pomponianus stammelte einige verlegene Worte. Da sprach der Gast weiter:
«Lieber Freund, ich wollte flussaufwärts zum Hofe des Cessus Bassus fahren; aber der Steinhagel hat mich zu dir getrieben. Lass uns zusammen essen und trinken und der Ruhe pflegen, bis sich Vesuvius wieder beruhigt hat.»
Diese Worte wirkten Wunder. Pomponianus verlor seine Aufgeregtheit und gebot Fuscus, das Hinuntertragen ins Schiff abzubrechen. Dann wendete er sich wieder seinem Gast zu:
«Mein Freund Plinius, ich wähnte dich in Rom. Was führt dich in diese Gegend?»
«Ich bin als Befehlshaber der kaiserlichen Flotte drüben in Misenum und habe Muße, alte Freunde zu besuchen, um sie vor Torheiten zu bewahren!»
Damit verschwanden die Herrschaften im Inneren des Hauses. Fuscus, der in der Nähe mit den Sklaven das Gespräch belauscht hatte, meldete wichtig:
«Das ist einer der mächtigsten Römer. Er gebietet über Tausende und fürchtet sich vor nichts; und wenn der Schlund der Erde vor ihm aufbräche, der kennt kein Zittern.»
Kaum hatte Fuscus diese Worte zu den Umstehenden gesprochen, verstärkte sich das Prasseln der Steine wieder, sodass schon Ziegel auf dem Dach zerbrachen. Auf Fuscus’ Befehl begab sich Milon in die Küche, da er mit Tyrios die Tafel für den hohen Gast zu richten hatte.
Der Untergang
Nach Beendigung des ausgiebigen Gastmahls fand Milon Gelegenheit, unter das Vordach des Hauses hinauszutreten und den drohenden Berg zu beobachten. Über den Gärten der Villa lag knöcheltief Asche. Es war sehr dunkel geworden, obwohl es erst Nachmittag war. Vom Vesuvius flammte es durch die Rauchnebel wie eine gewaltige Feuersbrunst. Nach dem Mahle traten auch Pomponianus, seine Angehörigen und der Befehlshaber Plinius unter das Vordach heraus. Ein Ausruf des Entsetzens wurde laut:
«Der ganze Berg brennt!»
Doch Plinius beruhigte:
«Das sind nur einige Bauernhäuser, die brennen, da sie nahe am Berge stehen. Lasst uns jetzt für eine Weile der Ruhe pflegen. Einmal wird der Berg ausgetobt haben. Der Zorn der Götter ist wie der Zorn der Menschen von kurzer Dauer.»
Also begaben sich die Herrschaften wieder ins Innere des Hauses. Plinius legte sich in eine Kammer, die vom Hof aus zu betreten war, um Mittagsschlaf zu halten. Der Regen von Asche und Steinchen ging unaufhörlich weiter.
Etwa nach einer Stunde begann ein so heftiges Beben der Erde, dass man glauben konnte, die Mauern der Gebäude rutschten auf dem Boden dahin. Dazu ertönte ein so entsetzliches Krachen, dass sich die ganze Bewohnerschaft, von Angst ergriffen, wieder unter dem Vordach einfand. Man ging Plinius wecken und musste schon Gewalt anwenden, um die Tür, die nach dem Hofe aufging, zu öffnen, da Asche und Steine bereits ein Hindernis bildeten. Als Plinius die Verschlimmerung der Lage nun auch gewahrte und vor allem die Gefahr, weiter im Hause zu verbleiben, das einstürzen konnte, erwog er mit Pomponianus ernsthaft, wohin man am besten fliehen könnte. Vom Sarnus her kam die Meldung, dass mit größeren Schiffen auf dem Fluss kein Durchkommen mehr sei, da die seichten Stellen bereits verstopft wären vom Schlamm der Asche und vom Steinregen. Es sei auch heftiger Gegenwind ausgebrochen, der eine Ausfahrt aufs Meer selbst für kleinere Boote verhindere.
Als plötzlich einige Balken und Ziegel des Daches herabstürzten, beschloss man nach aufgeregtem Hin und Her, in dem nur Plinius seine unerschütterliche Ruhe bewahrte, in die Felder südostwärts zu flüchten, möglichst weit weg von dem tobenden Berge.
«Stürzt das Haus ein, so sind wir lebendig begraben!», rief Pomponianus.
Nun banden sich die meisten ein Kissen auf den Kopf oder stülpten sich Körbe über, um vor dem Steinregen geschützt zu sein. Die Sklaven wurden angewiesen, Speise, Trank und Decken mitzunehmen. Es war dunkle Nacht geworden, als der geisterhafte Zug die Villa verließ, von schwankenden Windlichtern angeführt. Als er am Fischteich vorbeikam, leuchtete ein ferner Blitzstrahl auf. Milon gewahrte für einen Augenblick den in der Asche tanzenden Faun, immer noch Flöte spielend. Ihm schien, er grinse über die von Furcht ergriffenen, flüchtenden Menschen.
Das Vorwärtskommen über die zerbröckelnden, aschegetränkten Steinfelder war mühsam. Manch einer rutschte aus, stürzte und bedurfte der Hilfe, um sich wieder aufzurichten. Weinen und Jammern der Kinder, mitunter Schreie der Angst durchzitterten das unaufhörliche Prasseln der Schlackensteine. Alle hielten sich möglichst dicht hintereinander, da jeder fürchtete, den Anschluss zu verlieren und in die Irre zu gehen.
Fuscus führte, nach Anweisung des Plinius, den Zug etwas südlich auf die Küste zu, wo sich vielleicht die Gelegenheit einer Rettung aufs Wasser ergeben könnte. Es ging immer langsamer vorwärts, da zu allen Hindernissen die staubige Aschenluft das Atmen zu erschweren begann.
Plötzlich sank Plinius erschöpft zu Boden. Tyrios musste für ihn eine Decke ausbreiten. Er verlangte nach kaltem Wasser, das man ihm aus einem Krug reichte. Er trank zweimal. Bald aber trieb der heiße Wind einen stechenden Schwefelgeruch heran, der zu weiterer Flucht zwang. Auf Tyrios und Milon gestützt, richtete sich Plinius auf, brach aber im selben Augenblick tot zusammen.
Verwirrung und Entsetzen der Fliehenden waren nun vollkommen. Da es für sie jetzt nur ein Vorwärts gab, blieb der hohe Tote ohne Wächter in der Nähe des Meeresufers liegen, mit einer Decke zugedeckt. Durch die gewonnene Entfernung hatte der Steinregen nachgelassen; aber die Asche fiel wie Schnee im Winter. Neue Aufregung entstand, als die Frau des Pomponianus hinfiel, obgleich sie von ihrem Mann und einer Sklavin gestützt wurde. Sie verlor die Fassung und schrie auf:
«Es gibt keine Götter im Himmel! Die letzte Nacht ist angebrochen, die ewige Nacht, die unsere Erde verschlingt!»
Schließlich bettete man sie auf eine schwere Decke. Vier Sklaven hoben sie auf und trugen die Jammernde weiter. Pomponianus, mit seinen zwei Töchtern nebenhergehend, versuchte sie zu besänftigen, damit sie nicht ganz von Sinnen käme. Endlich lichteten sich langsam die dunklen Ballungen des Aschengewölks. Ein Schimmer von Tageslicht drang durch, und nach einer Weile leuchtete eine helle Stelle auf, wo die späte Nachmittagssonne am Himmel stand. Grau verstaubte Gestalten, wankten die Flüchtenden durch die weißlich tote Welt. Wohl lebte mit dem Hellerwerden ein Schimmer Hoffnung in den Geängstigten auf; aber das Beben der Erde setzte immer wieder von Zeit zu Zeit ein. Rückwärts, in Richtung Pompeji, war die ganze Gegend weiterhin in Finsternis gehüllt. Fernes Grollen ließ die Schrecken des Untergangs der blühenden Stadt ahnen.
Vor den Augen der Fliehenden erhob sich plötzlich in dunklen Umrissen gespenstisch ein Orangenbaum, aus dessen grauem Laubwerk goldgelbe Früchte wie aus einer unwirklichen Vergangenheit herunterleuchteten. Eine Scheune stand in der Nähe. Ihre festen Pfähle hatten dem Wanken der Erde widerstanden. Pomponianus ließ den Zug anhalten und gebot:
«Hier bleiben wir. Richtet drinnen ein Lager für die Herrschaft. Wir werden hier über Nacht bleiben. Vielleicht ist frühmorgens eine