Rose Bloom

Rage


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noch einige Tage Ruhe geben.«

      »Mir geht es gut!«

      »Das glaube ich Ihnen gerne, aber eine Gehirnerschütterung ist wirklich nicht zu unterschätzen. Sie sind haarscharf an mehr vorbeigerutscht und sollten Ihre Gesundheit nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.«

      Lauren legte die Hand auf meinen Unterarm und strich behutsam über meine Haut. Doch auch sie würde mich nicht dauerhaft besänftigen können. Mein Körper war ruhelos und bereits wieder im Bereitschaftsmodus.

      »Wie lange sollte ich noch hierbleiben?«

      »Mindestens noch bis Montag.«

      »So lange?«, fragte ich geschockt.

      »Shawn, heute ist Donnerstag, das sind doch nur noch vier Tage«, erwiderte Lauren beruhigend.

      Ich atmete einige Male durch. »Und danach kann ich wieder trainieren?«

      »Was willst du?«, fragte Lauren mit zitternder Stimme.

      Dr. Hills runzelte besorgt die Stirn. »Mister Dawson, Sie sollten sich das noch mal überlegen. Ich kann verstehen …«

      »Sie können überhaupt nichts verstehen! Oder sind Sie in der gleichen Situation wie ich?«, erwiderte ich aufgebracht. Was dachte er? Natürlich, er war der Arzt, aber ich fühlte mich bereit! Der Drang, weiterzumachen, war einfach nicht zu unterdrücken. Darauf sollte ich hören, nicht auf solch einen Quacksalber, der genug Kohle mit meiner Behandlung verdiente, dass er sich einen neuen Ferrari kaufen konnte. Denn das war ganz sicher der einzige triftige Grund, mich hierzubehalten.

      »Du wärst fast gestorben! Und du willst einfach weitermachen?«, fragte Lauren scharf und sah mich zornig an.

      »Lauren, bitte …« Ich hob eine Hand an ihr Gesicht, aber sie drehte sich weg.

      »Hör auf mit deinem Bitte! Bist du lebensmüde?« Wütend presste sie die Lippen aufeinander, und ich ließ langsam meine Hand sinken, sah sie stumm an. Sie sollte mich doch mittlerweile kennen und wissen, dass ich nur das eine war. Ein Kämpfer. Ohne das Adrenalin und das Gefühl eines bevorstehenden Kampfes existierte ich nur zur Hälfte.

      »Es ist doch bloß eine Gehirnerschütterung, oder Doc?«, wandte ich mich an den Arzt. »Die verheilt in wenigen Wochen, und ich trainiere langsam.«

      »Sie sollten sich lieber Monate nehmen.«

      Ich schluckte hart. Der nächste Kampf in New York rückte immer näher. Ich hatte keine Monate mehr, wenn ich nicht Jahre warten wollte, bis ich mir endlich diesen verdammten Titel holte. Mein ganzes Leben hatte ich auf diese Chance hingearbeitet. Ich lag nur hier, weil ich gelinkt wurde. Durch normale Kämpfe, wie sie mir ganz sicher in Zukunft bevorstanden, wäre ich niemals in solch eine Situation geraten.

      »Ich rate Ihnen dringend davon ab, zu früh zu viel zu geben«, tadelte Dr. Hills. »Aber es ist Ihr Leben. Was Sie am Ende machen, ist Ihre Entscheidung.«

      Lauren schnaubte.

      »Okay«, erwiderte ich. Der Arzt sah nicht sehr glücklich aus, wandte sich aber mit einem Kopfnicken ab.

      »Ich komme gleich zurück, dann schauen wir mal, dass wir Sie in die Waagerechte bekommen«, sagte die Schwester, wohl in dem Versuch, die Stimmung aufzulockern. Unruhig flackerte ihr Blick zu Lauren, die mittlerweile mit verschränkten Armen neben mir saß und innerlich brodelte. Ich sah ihr an der Nasenspitze an, dass sie kurz vor einer Explosion stand.

      »Bis gleich«, sagte ich zu Arzt und Schwester und fischte nach Laurens Hand. Sie drehte sich noch ein Stück von mir weg, und ich griff ins Leere.

      Als die Tür ins Schloss fiel und wir wieder allein waren, war die Luft zum Zerschneiden dick. Natürlich konnte sie es nicht verstehen, aber wenn sie es ernst meinte, dass sie mich liebte, musste sie sich damit abfinden. Bevor ich etwas zu ihr sagen konnte, öffnete sich die Zimmertür erneut. Meine Güte, hier war es schlimmer als an jedem Bahnhof!

      »Hey, ihr zwei, ausgeschlafen?«, fragte Sam mit einem süffisanten Grinsen. Bis er urplötzlich verstummte, denn er schien die angespannte Stimmung sofort zu merken.

      Lauren stand zögerlich auf. Mit gesenktem Kopf sagte sie: »Ich werde dann mal ins Hotel fahren und mich frisch machen. Bin bald wieder da.«

      »Lauren …«, flehte ich, doch sie hob die Hand. Der schmerzliche Ausdruck in ihren Augen schnürte mir schier die Luft ab.

      »Bis später«, flüsterte sie, presste die Lippen aufeinander und eilte Richtung Tür.

      Sam sah zwischen uns hin und her und runzelte die Stirn, bevor er mich fixierte. Natürlich. Rage war einige Stunden wach und verärgerte gleich wieder die ganze Nation. Ich seufzte schwer und sah demonstrativ aus dem Fenster, als die Tür zugeworfen wurde und ich mit meinem besten Freund allein war.

      Sam setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett. »Wie geht’s dir?«

      Genervt sah ich ihn an. »Keine Standpauke?«, fragte ich.

      »Würde es etwas bringen?«, erwiderte er locker. Ich schüttelte den Kopf. »Na also«, sagte Sam. »Deine Mum weiß Bescheid. Sie kommt heute Mittag vorbei. Ach und Rob müsste auch gleich hier sein.«

      »Gut, dann kann ich mit ihm über den Trainingsplan sprechen«, erwiderte ich schnell, um mich von dem kleinen Stich abzulenken, dass mein Dad es nicht für nötig hielt, vorbeizukommen. Natürlich nicht. Es änderte nichts. Noch ein Grund, weiter zu trainieren und mich abzulenken.

      Sam hielt die Luft an und nickte kaum merklich, als hätte er verstanden, weshalb Lauren so aufgebracht war. »Ist das dein Ernst?«

      Ich sah ihn fest an. »Habe ich jemals Scherze gemacht?«

      »Zumindest keine guten …«

      Nervös tippte ich mit den Fingern auf der Bettdecke. Mein gesamter Körper kribbelte, und ich hatte das Gefühl, schier zu platzen, wenn ich nicht bald etwas tun konnte.

      »Hast du wirklich gedacht, ich würde einfach alles aufgeben?«, fragte ich.

      »Nicht einfach, nein«, antwortete Sam. »Aber ist es dir das wert?«

      Mein Blick wanderte in die Ferne. »Was soll ich denn sonst tun? Ich kann nichts anderes! Soll ich hinter irgendeinem beschissenen Schreibtisch sitzen oder Taxi fahren? Dann könntest du mir gleich die Kugel geben oder die Eier abschneiden!«

      Sam lachte verächtlich. »Nein danke, die würde ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen.«

      Ein wenig musste ich grinsen. »Sam, du kennst mich doch. Ich will kämpfen. Ein Risiko schwingt bei allem mit. Man kann nicht wissen, wie der morgige Tag aussieht. Malone hat beschissen, deshalb konnte das passieren. Hätte Sawyer normal gekämpft, hätte ich ihn kaltgemacht. Das wussten sie! Und das weißt auch du!«

      Sam nickte resigniert, dann bückte er sich nach unten und zog etwas aus einer Tasche, die er mitgeschleppt hatte.

      »Hier, damit dir nicht langweilig wird.« Er warf einige Fight-Magazine sowie eine Packung Oreo Kekse auf mein Bett.

      Freudestrahlend grinste ich ihn an. »Ich weiß, weshalb ich Jahr für Jahr einen Haufen Geld für meinen Manager bezahle.«

      »Das ist eher ein Geschenk von einem Freund. Dein Manager hat dir den nächsten Fight klargemacht. Du hast zwei Monate für New York.«

      Sprachlos sah ich ihn an. Er hatte gewusst, dass ich nicht aufhören würde, noch bevor ich es gesagt hatte. Vielleicht hatte er die Hoffnung gehabt, aber trotzdem hatte er mir das gegeben, was ich brauchte. Die Chance auf einen Neuanfang und den Beweis, dass ich immer noch der Alte war.

      Die Tür ging auf, und die Schwester kam herein.

      »So, Mister Dawson, wie sieht es aus mit Aufstehen?«

      »Und duschen?«, fragte ich hoffnungsvoll.

      Sie nickte grinsend. »Und duschen!«

      »Teufel, ja!«