Rose Bloom

Rage


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überhaupt. Shawn sah mich aufmerksam an, während ich weitersprach. »Sie hat Varianten für Gini und mich erfunden und sich immer wieder selbst übertrumpft. Manche mit Schokolade, manche mit Marmelade und so was.«

      »Willst du mich hungrig machen? Du weißt nicht, was es hier für Fraß gibt! Das würde ich nicht mal meinem schlimmsten Feind wünschen«, brummte er.

      Ich lächelte. »Mum und Matt kommen später noch vorbei, und rate mal, was sie mitbringt?«

      Seine Augen wurden größer, und er drückte meine Hand. Sein Ausdruck erinnerte mich an einen kleinen Jungen im Süßigkeitenladen, und ich musste lachen.

      »Selbst gebackenes Shortbread«, erlöste ich ihn.

      »Selbst gebacken?«

      »Natürlich! Meine Mum würde so was niemals kaufen! Sie hat den Küchenchef im Hotel heute Morgen bestochen, damit sie welche backen kann.«

      »Extra für mich?« Ich nickte. »Und womit hat sie ihn bestochen?«, fragte er und runzelte die Stirn.

      »Er bekommt eine Portion davon ab. Sie sind echt richtig gut!«

      Er sah mich sprachlos an. Seine blauen Augen strahlten, und seine Miene wurde regungslos. Er konnte wohl nicht fassen, dass jemand das für ihn tat. Aber er musste doch selbst merken, was er uns allen bedeutete.

      »Du gehörst jetzt zur Familie, Dawson, und wenn es jemandem in unserer Familie nicht gut geht, dann bekommt er etwas Süßes. Das war schon immer so. Und selbst wenn es uns gut geht! Heiße Schokolade bei guten Noten, Shortbread wenn man krank ist und gezuckerte Mandeln, wenn man traurig ist. Warum, denkst du, war ich alle zwei Tage schwimmen? Mit einer Köchin als Mum!«

      Sein Finger strich über meinen Handrücken. »Ihr seid wundervoll.«

      Leise klopfte es an der Tür. Wir drehten uns in die Richtung und hielten beide im selben Moment die Luft an. Vorneweg kam Shawns Mum herein und dahinter tatsächlich sein Vater. Ich erkannte den Mann, den ich gestern auf dem Flur angetroffen hatte, sofort. War er nur hier, weil Shawns Mum ihn gebeten hatte? Oder wirklich aus freien Stücken? Ich hatte immer noch ein komisches Bauchgefühl dabei. War Shawn schon bereit, beiden wieder gegenüberzutreten?

      Seine Mum wirkte trotz Tränen in den Augen überglücklich, als sie sah, dass Shawn wach und klar war. Ich schaute zurück zu Shawn, der den Blick nicht von seinen Eltern löste, mir aber knapp zunickte. Ich verstand und erhob mich zögernd. »Ich hole mal eine Runde Kaffee aus der Kantine. Bis gleich.«

      Auch wenn ich nicht ganz wusste, ob sein Vater nur seiner Mutter zuliebe hier war oder sich tatsächlich um Shawn sorgte, musste ich sie allein lassen. Sie würden die Angelegenheiten, die geschehen waren, ganz sicher nicht vor mir ansprechen.

      7

      Ich hielt die Luft an, als meine Eltern eintraten und Lauren die Tür hinter sich schloss. Meine Mum und ich hatten uns vor dem Kampf nur kurz gesehen, und ich fühlte mich immer noch unwohl in ihrer Gesellschaft. Nicht wegen ihr, denn meine Mum zeigte mir eindeutig, dass sie froh war, hier zu sein. Sondern hauptsächlich, weil sich das schlechte Gewissen ihr gegenüber auch jetzt nicht einfach so abschütteln ließ. Und mein Dad. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich ihm gegenüber empfinden sollte. Es hatte damals so viele hässliche Worte auf beiden Seiten gegeben, die wir nie wieder zurücknehmen konnten, und ich war mir nicht sicher, ob das die Beziehung, die wir einmal hatten, für immer zerstört hatte.

      »Shawn, ich bin so froh, dass du wach bist«, sagte meine Mum und trat näher ans Bett. Sie griff nach meiner Hand und drückte sie einige Male. Ihr warmes Lächeln erinnerte mich an frühere Tage, und ich schluckte hart.

      »Hi, Mum«, erwiderte ich. »Dad«, sagte ich mit einem Nicken in seine Richtung. Er hatte sich mit dem Rücken gegen das Fensterbrett neben meinem Bett gelehnt und nickte mir ebenfalls zu. Neben den verwirrenden Gefühlen ihm gegenüber hasste ich es, dass er mich so schwach sehen musste. Schwäche war nichts für uns Dawsons, das hatte er uns früh genug eingetrichtert, und so wie es aussah, konnte auch er damit nicht umgehen. Trotzdem war er hier.

      Meine Mum nahm auf dem Stuhl neben meinem Bett Platz und hielt immer noch meine Hand. Mit der anderen strich sie beruhigend über meinen Handrücken.

      »Wie geht es dir?«, fragte sie.

      »Gut. Wirklich«, log ich. »Ich kann bald hier raus.«

      »Das freut uns sehr!« Meine Mum blinzelte eine Träne weg. Es musste schlimm für sie sein, ihren Jungen in dieser Situation zu sehen. Aber noch schlimmer war es damals bei Tommy gewesen …

      »Wann kannst du hier raus?«, fragte mein Vater unvermittelt, und ich unterdrückte ein Seufzen.

      »Montag.«

      Er nickte. Mehr hatte er mir nicht zu sagen? Aber ich wusste selbst nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte.

      »Kane hat sich nach dir erkundigt«, meinte Mum, und ich sah sie aufmerksam an.

      »Du kannst ihm sagen, dass ich wieder ganz der Alte bin und er sich keine Sorgen zu machen braucht.« Meine Worte trieften vor Sarkasmus, und meine Mum ließ meine Hand los.

      »Er meint es ernst. Ihr seid Brüder. Auch ihm liegst du am Herzen.«

      Ich lachte verächtlich und schüttelte den Kopf. »Natürlich.«

      »Shawn«, tadelte mein Dad streng, und ich versuchte, mich zusammenzureißen. Nur für meine Mum. Sie sollte nicht weiter den Hass, der zwischen uns herrschte, zu spüren bekommen. Wobei es bei mir nicht wirklich Hass war, eher eine Abneigung. Es würde nie wieder so sein wie früher. Einige Sekunden herrschte Stille, die ich kaum ertragen konnte. Ich spielte unruhig mit dem Bettbezug.

      »Wir haben gehört, dass Malone und Sawyer angeklagt werden. Deine Mum könnte sich als Zeugin melden …«, sagte mein Dad.

      »Und was bringt das?«, unterbrach ich ihn in bitterem Tonfall. »Sie werden eingebuchtet, aber bald sind sie wieder draußen. Und dann?«

      »Vielleicht bekommen sie länger, oder die Verhandlung ergibt, dass sie öfter solche Dinge abgezogen haben.«

      »Und wenn nicht?«

      Mein Dad zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich kannte diesen Gesichtsausdruck, und er gab mir mal wieder das Gefühl, unzulänglich zu sein. »Shawn. Mach keine Dummheiten.« Mein Vater drückte sich von der Wand ab und umrundete das Bett. Er legte sanft eine Hand auf die Schulter meiner Mum und streichelte sie ein wenig, weil meine Mutter völlig aufgelöst wirkte. »Sarah, lässt du uns kurz allein?«

      Sie nickte stumm, stand auf und schenkte mir ein letztes Lächeln, bevor sie das Zimmer verließ. Mein Dad setzte sich auf ihren Platz und sah mich stumm einige Sekunden an.

      »Was willst du damit bezwecken?«, fragte er, und ich kaute unruhig auf der Innenseite meiner Wange.

      »Womit?«

      »Stell dich nicht doof. Du weißt, was ich meine.«

      Ich seufzte. »Sie sollen das kriegen, was sie verdienen.«

      »Das werden sie. Aber du wirst dich nicht erneut in Gefahr bringen, nur weil du denkst, du könntest etwas ausrichten. Hör auf, alles selbst in die Hand nehmen zu wollen, und vertraue einmal auf andere.«

      Ich sah aus dem Fenster und presste die Lippen aufeinander. Er hatte gut reden. Er wusste doch, wie wir unsere Probleme regelten. Ganz sicher nicht mit einem guten Gespräch. Er räusperte sich, und ich spürte die Anspannung, die in seinen Körper kroch.

      »Unserer Familie sind einige Dinge passiert. Auch schon bevor ihr Jungs alt genug wart, es mitzubekommen.« Ich sah ihn erneut aufmerksam an. Was meinte er damit? »Wir hatten keinen leichten Start mit dem Trainingscenter in Atlanta. Die Menschen kamen mit meiner Art nicht immer klar, weißt du. Trotzdem hat es alles schlimmer gemacht,