Ben Guterson

Die Magie von Winterhaus


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zu werden», sagte er. «Wir hatten ursprünglich vor, erst nächsten Mittwoch herzukommen, doch dann haben Mr. Rajput und ich nach eingehender Beratung beschlossen, unseren Zeitrahmen zu erweitern, um den Fertigstellungstermin halten zu können.» Er beugte sich vertraulich vor und sagte munter: «Wenn wir jeden Tag vor dem Frühstück anfangen und bis spät abends dranbleiben, dann bin ich zuversichtlich, dass wir es innerhalb der nächsten zwei Wochen schaffen können! Wir haben keine Zeit zu verlieren, was, Mr. Rajput?»

      Mr. Rajput zuckte müde die Schultern und ging zum Puzzle zurück. «Ich bin nicht derjenige, der meine Zeit mit einem Schwätzchen vergeudet», sagte er düster.

      Elizabeth, die das Puzzle betrachtet und sich – nicht zum ersten Mal – darüber gewundert hatte, dass diese riesige Kiste und die vielen tausend Puzzleteile überhaupt existierten, spürte ein vertrautes Ziehen in ihrem Inneren.

      «Hey!», sagte sie fröhlich und deutete auf ein Teil neben Mr. Rajputs Hand. «Ich glaube, ich weiß, wo das hingehört.»

      Mr. Wellington schaute Hyrum an und machte ein Gesicht wie jemand, der gerade einen Zwanzig-Dollar-Schein auf dem Teppich gefunden hat. «Sie ist schon erstaunlich, ohne Frage», sagte er. «Wir wissen ja, was jetzt kommt.»

      «Eins muss man der jungen Dame lassen», setzte Mr. Rajput hinzu. «Sie hat eine ganz außerordentliche Begabung für das Puzzeln.»

      Das Teil, das Elizabeth entdeckt hatte, war ganz und gar blau – ein Stück des aus tausenden Teilen bestehenden Himmels –, aber etwas an seiner Form oder an der Art, wie es auf dem Tisch lag, erweckte das Gefühl in ihr. Sie nahm es, ging zu einer Gruppe von zusammengefügten Teilen am oberen Rand des Bildes und setzte es ein. Es passte perfekt.

      «Genau dahin!», sagte sie triumphierend. Sie hatte keine Ahnung, wieso sie das konnte. Sie wusste nur, dass sie oft diese Intuition hatte, wenn sie den beiden Männern half. Sie spürte förmlich, dass ein bestimmtes Teil an eine bestimmte Stelle gehörte. Aber diesmal, als alle drei Männer sie bewundernd betrachteten, empfand sie eine ungewöhnliche Befriedigung darüber, dass sie ein passendes Teil gefunden hatte, eine Freude, wie sie sie vorher noch nie verspürt hatte.

      «Wow!», sagte Hyrum. «Das ist wirklich eine Begabung.»

      «Nein, eine Gabe», sagte Mr. Wellington. «Sie hat eine Gabe

      «Und in einer Stunde hat sie eine Verabredung mit Mr. Falls», sagte jemand.

      Elizabeth drehte sich um und sah Jackson hinter sich stehen, den ersten Pagen und Norbridges rechte Hand. Er sah wie immer tadellos und adrett aus in seiner roten Livree und mit der roten Kappe auf dem Kopf, den Messingknöpfen und dem Namensschild – ebenfalls aus Messing –, beides blitzblank poliert. Jackson war der erfahrenste und fähigste Angestellte des Hotels, und er genoss Norbridges und Elizabeths vollkommenes Vertrauen.

      «Hallo Jackson», sagte sie, und Hyrum begrüßte ihn auch. Die beiden Männer am Tisch traten vor und schüttelten Jackson die Hand.

      «Mr. Wellington, Mr. Rajput», sagte Jackson erfreut. «Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise.» Er schaute sich um. «Sind Ihre Gattinnen mit eingetroffen?»

      Mr. Wellington deutete die Treppe hinauf. «Sie sind schon nach oben gegangen.»

      Jackson lächelte herzlich. «Wir sind überglücklich, Sie wieder als unsere Gäste begrüßen zu dürfen.» Er wandte sich an Hyrum. «Und Sie ebenfalls, junger Herr. Schön, Sie zu sehen. Ihr Schuldirektor, Mr. Fowles, wird sicher gleich da sein. Zum Abendessen gibt es Forelle und Süßkartoffeln, und dann wird Miss Sunny Chen ein Violinkonzert im Saal der Künste geben, um acht Uhr. Sie spielt die Vinteuil Sonata. Ich bin sicher, das wird Ihnen gefallen.» Er nickte Elizabeth zu. «Und wie Miss Somers ja weiß, gibt es morgen eine Aufführung des Theaterstücks Isfaheen, die schwimmende Stadt, gefolgt von einem Vortrag über die Kunst der Verstellung der Stimme von dem berühmten Bauchredner Isaac Igbinedion. Sie sollten sich nichts davon entgehen lassen.»

      «Der Aufenthalt im Winterhaus ist immer ein Vergnügen, Jackson», sagte Hyrum. «Aber wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne der Bibliothek einen Besuch abstatten. Es gibt da ein paar Bücher, die ich für den Unterricht nächste Woche brauche.»

      «Gerne», sagte Jackson. «Das Abendessen wird um halb sieben serviert.»

      Hyrum salutierte und lächelte den anderen zu. «Bis nachher», sagte er und wandte sich ab.

      Eine unbehagliche Stille senkte sich über Elizabeth und die drei Männer, als sie Hyrum hinterhersahen. Elizabeth hatte den Verdacht, dass Mr. Wellington und Mr. Rajput es nicht erwarten konnten, sich wieder dem Puzzle zu widmen.

      Jackson räusperte sich. «Gentlemen», sagte er gütig, «da Sie bereits mit Miss Somers’ Hilfe ein Puzzleteil gefunden haben, könnten Sie sich vielleicht überreden lassen, auf Ihre Zimmer zu gehen und sich vor dem Abendessen etwas auszuruhen. Das Puzzle wird auch später noch auf sie warten.»

      Mr. Rajput schaute Mr. Wellington schulterzuckend an. «Möglicherweise sollten wir seinen Rat beherzigen. Denn da unsere junge Helferin nicht bleiben kann, sind unsere Aussichten, heute Nachmittag noch Fortschritte zu machen, äußerst gering. Wir sind beide aus der Übung.» Er rieb sich die Stirn. «Und ich bin müde.»

      Mr. Wellingtons Blick huschte eilig über die Puzzleteile, die verstreut auf dem Tisch lagen. Dann strich er sich über das Kinn und lächelte Jackson an, woraufhin er tief Luft holte.

      «Sie haben recht, Jackson», sagte er. «Eine kurze Unterbrechung wird wohl nichts schaden. Nun denn, auf in unsere Zimmer!» Er winkte Mr. Rajput, ihm zu folgen, und die beiden Männer gingen in Richtung Fahrstuhl. «Auf dass wir unseren Aufenthalt im Winterhaus genießen, wie immer.» Er drückte den Knopf und wandte sich noch einmal zu Jackson und Elizabeth. «Bis heute Abend.»

      Mr. Rajput wedelte lustlos mit der Hand, als sich die Fahrstuhltür öffnete. «Wir sehen uns beim Abendessen, vorausgesetzt, uns stößt bis dahin kein Ungemach zu.»

      «Sir!», protestierte Mr. Wellington, als er mit seinem Freund in den Fahrstuhl trat. «Natürlich sehen wir sie beim Abendessen. Und dann machen wir uns gleich wieder an die Arbeit an …»

      Die Tür schloss sich. Elizabeth starrte sie an, als ob die beiden Männer ihre Meinung ändern und wieder zurückkommen würden. Dann blickte sie zu Jackson, der ebenfalls die Fahrstuhltür nicht aus den Augen ließ.

      «Die beiden sind ja ganz wild darauf, das Puzzle fertigzukriegen», sagte sie.

      «Das Reisen kann manche Leute ziemlich durcheinanderbringen», sagte Jackson mit hochgezogenen Augenbrauen.

      Er schaute sich in der Lobby um. An einem Samstagnachmittag vor drei Monaten, in der geschäftigen Vorweihnachtszeit, wäre hier einiges los gewesen: Leute, die in alle Richtungen eilen – Angestellte bei den Vorbereitungen für die Festessen und Konzerte und Gäste auf dem Weg hinaus zum Schlittschuhlaufen oder hinein für eine Tasse heiße Schokolade im Wintersaal. Dann wirkte Winterhaus wie ein Bahnhof im Berufsverkehr. Aber jetzt, an einem dunklen Tag Mitte März, zwei Wochen vor Ostern, war das Hotel nur zur Hälfte ausgebucht, und die Abende verbrachte man im hoteleigenen Kino oder bei stillen Konzerten. Elizabeth liebte die Weihnachtszeit im Winterhaus, aber sie merkte, dass sie jetzt, da sie hier im Hotel wohnte, auch die ruhigeren Zeiten schätzte.

      «Du sagtest, dass Norbridge mich sehen will?»

      «Um vier Uhr im Observatorium.»

      Das Observatorium befand sich im dreizehnten Stock, ganz oben, wo Norbridge ein kostbares Teleskop auf einem überdachten und von Fenstern eingefassten Balkon aufbewahrte, sodass es möglich war, die Welt rings um Winterhaus bei Tag und die Sterne und Planeten in der Nacht zu beobachten. Dort befand sich auch ein Büro, in dem er die wichtigsten Angelegenheiten des Hotels regelte.

      «Ich glaube», sagte Jackson, «es geht um Elana.»

      Elizabeth erschauerte. Elana. Es war in der Silvesternacht gewesen, in den düsteren Tunneln unter dem Winterhaus, dass Elana Vesper – oder besser