Jutta von Kampen

Mami Bestseller Staffel 3 – Familienroman


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seine Lodenjoppe ab und hängte sie an die Garderobe.

      »Ist meine Frau bei dem Besucher?«

      Johannas Gesicht bekam einen sorgenvollen Ausdruck. »Nein, Herr Arundsen, die gnädige Frau fühlte sich nicht wohl und hat sich heute morgen wieder hingelegt, gleich nachdem Sie fortgefahren sind!«

      »Sagen Sie bitte meiner Frau, ich wäre in einer Viertelstunde bei ihr«, antwortete Arundsen hastig, während er die Halle durchquerte.

      Der Mann, der sich aus einem Sessel erhob und seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, war mittelgroß und untersetzt und hatte ein schmales Gesicht mit aufmerksamen, kühlen Augen.

      Rainhart kannte den Mann nicht. »Sie wollten mich sprechen?« fragte er abwartend, als er den Besucher begrüßte.

      Der Mann lächelte. »Greve«, sagte er. »Eigentlich kennen wir uns schon – wenn auch nur telefonisch!«

      Sekundenlang überlegte Rainhart, wo er diesen Namen schon gehört hatte, und aus dem Unterbewußtsein kam das Gefühl einer dunklen Bedrohung. Im nächsten Augenblick fiel ihm alles wieder ein.

      »Es ist jetzt mehr als drei Jahre her, daß wir miteinander korrespondiert und telefoniert haben, Herr Greve«, sagte er zurückhaltend und bot dem Besucher Platz an. »Damals wollte ich von Ihnen landwirtschaftliche Maschinen kaufen, doch die Sache zerschlug sich.«

      Greve sah Rainhart mit einem schmalen Lächeln an. »Ja – warum eigentlich?«

      Rainhart hob die Hände zu einer fragenden Gebärde. »Es ist schon lange her – ich kann mich nicht mehr entsinnen«, sagte er ausweichend.

      Er wußte alles ganz genau. Er hatte damals auf der Terrasse der Greveschen Villa gesessen und auf den Hausherrn gewartet. Dabei war er Zeuge jenes Gesprächs geworden, das sein ganzes Leben verändert hatte.

      »Unsere vereinbarte Besprechung, bei der wir den Vertrag abschließen wollten, hat niemals stattgefunden«, erwiderte Greve mit leichtem Spott. »Anscheinend hatten Sie damals die Geduld verloren. Ich ließ Sie ziemlich lange warten.«

      »Ja – mag sein«, antwortete Rainhart einsilbig. »Darf ich fragen, was der Anlaß Ihres heutigen Besuches ist? Wollen Sie an das seinerzeit unterbrochene Verkaufsgespräch anknüpfen?« Er richtete sich entschlossen auf. »Ich muß Sie enttäuschen. Leider ist dafür im Augenblick der ungünstigste Zeitpunkt.«

      Das spöttische Lächeln auf der Miene des Fabrikanten vertiefte sich. »Sie irren, Herr Arundsen. Der Kaufvertrag ist bereits erteilt, und zwar in der Zeit Ihrer Abwesenheit von Ihrem Gutsverwalter, dem Sie alle Vollmachten gegeben haben!«

      Rainer brauchte einige Sekunden, um sich zu fassen.

      »Das – das ist doch nicht möglich!« rief er erregt.

      »Sie wollen doch damit nicht etwa sagen, daß Sie von der ganzen Angelegenheit nichts gewußt haben?« Mißtrauisch beobachtete er den Majoratsherrn.

      Rainhart sprang auf. »Nein, ich habe tatsächlich nichts davon gewußt!« antwortete er außer sich. »Ich verstehe die Zusammenhänge nicht! Mein Verwalter hatte niemals den Auftrag, einen solchen Kauf zu tätigen, denn ich bin im Augenblick finanziell gar nicht in der Lage, derartigen Verpflichtungen nachzukommen!«

      Die Miene Greves wurde undurchdringlich. »Deshalb habe ich Sie aufgesucht, Herr Arundsen«, sagte er förmlich. »Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, die erste Lieferung der Maschinen bereits erfolgt. Eine geringfügige Anzahl wurde von Ihrem Verwalter bei Vertragsabschluß geleistet, die nächste Zahlung wäre vor vier Wochen fällig gewesen. Ich habe höflich gemahnt, bin aber ohne Antwort geblieben. Zwei weitere Schreiben wurden ebenfalls nicht beantwortet. Daraufhin habe ich mich in den Wagen gesetzt und wollte selbst mit Ihnen sprechen, da ich Sie – per Renommee – als einen sehr zuverlässigen Geschäftspartner kenne.« Er öffnete die Aktentasche, die neben ihm am Tischbein lehnte, und zog ein Vertragsexemplar hervor. »Bitte, lesen Sie! Die Unterschrift Ihres Verwalters stimmt doch? Und es entspricht doch auch den Tatsachen, daß er absolute Geschäftsvollmachten hatte?«

      »Ja – allerdings«, murmelte Rainhart, während er den Vertrag überflog.

      Birkhain war ein verschlossener, verläßlicher Mitarbeiter gewesen, seit er ihn kannte. Er hatte nicht gezögert, ihm alle Vollmachten zu übertragen, als er mit Ulrike das Gut verließ und die ganze Zeit während Ulrikes Krankenhausaufenthalt in der Stadt geblieben war. Bei seinen wenigen und kurzen Besuchen auf dem Gut hatte er sich flüchtig überzeugt, daß alles in Ordnung war, und er war froh gewesen, wenn er am nächsten Morgen wieder abfahren konnte, um bei seiner geliebten Frau zu sein.

      Ich habe das Gut vernachlässigt! dachte Rainhart in diesem Augenblick in panischem Entsetzen. Ich habe alles laufen lassen, ohne mich darum zu kümmern! Es war mir gleichgültig geworden – alles war mir gleichgültig geworden. Ich habe nur an Ulrikes Genesung gedacht!

      Kalter Schweiß brach ihm aus, als er noch einmal die schwindelnd hohe Summe überflog. Es war unmöglich, einen so hohen Betrag in seiner finanziell angespannten Situation aufzubringen!

      »Ich will Sie nicht bedrängen«, sagte Greve, nachdem das Schweigen schon einige Minuten zwischen ihnen lastete, »aber ich muß Sie heute dennoch fragen, wie Sie sich die weiteren Zahlungen vorstellen.«

      »Ich werde von dem Vertrag zurücktreten!« erwiderte Arundsen heftig.

      Greve legte ruhig die Hände ineinander. »Das ist ausgeschlossen, Herr Arundsen, und das wissen Sie auch ganz genau. Vertrag ist Vertrag, und ich bin ein viel zu guter Geschäftsmann, als daß ich einen Vertrag ohne weiteres annullieren würde, nachdem die Lieferung bereits erfolgt ist.«

      »Sie sagten, es sei vorläufig nur zu einer ersten Lieferung gekommen! Ich werde die anderen Maschinen, die ich noch nicht erhalten habe, nicht abnehmen!«

      »Die Maschinen sind bereits unterwegs«, antwortete Greve kühl.

      »Ich habe von diesem Geschäft nichts gewußt«, murmelte Rainhart verzweifelt.

      »Das kann ich Ihnen nur schwer glauben. Sind Sie der Herr auf Gut Arundsen – oder nicht?« Aus seiner Miene sprach spöttische Herausforderung.

      Rainhart sprang auf. »Ja, ich bin der Herr auf dem Gut, aber ich war monatelang fort. Ich habe die gesamte Verwaltung in Birkhains Hände gelegt! Wie konnte ich wissen…«

      »Sie haben ihm Vollmachten gegeben«, fiel Greve unbewegt ein. »Über die Konsequenzen mußten Sie sich im klaren sein!«

      »Meine Güte, Herr Greve, begreifen Sie mich denn nicht?« brach Rainhart unbeherrscht aus. »Ich habe eine schwerkranke Frau, mit der ich von einem Arzt zum anderen reise! Ich kenne kein anderes Ziel, als meine Frau gesund zu machen! Können Sie sich nicht vorstellen, daß dabei der Gedanke an das Gut in den Hintergrund tritt?«

      Greve zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Aufmerksam sah er den jungen Majoratsherrn an. »Ihre persönliche Situation tut mir sehr leid, Herr Arundsen«, sagte er diesmal eine Spur freundlicher, »aber ich kann als Geschäftsmann keine Rücksicht darauf nehmen!

      Ich habe sogar meinen Bruder, den ich jahrelang unterstützt habe, aus dem Haus gesetzt, als er kurz vor dem Staatsexamen unbedingt heiraten wollte.« Er sah Arundsen unverwandt an.

      Rainhart fühlte einen schmerzhaften Stich. Da war sie wieder, die Vergangenheit, die schon so weit hinter ihm lag! Plötzlich wurde alles wieder gegenwärtig und bedrängte ihn auf unangenehme Weise.

      Was wußte Greve über seine Rolle in jener Geschichte?

      »Sie haben Ihren Bruder also fallenlassen, nur weil er etwas tat, das nicht in Ihre Pläne paßte?« fragte er scharf.

      Greve lächelte nachsichtig. »Ich wollte die akademische Ausbildung meines Bruders finanzieren«, erwiderte er ruhig, »aber nicht seine Torheiten. Er war schwach und willenlos in den Händen jener Frau. Sie bekam ein Kind von ihm.«

      »Ihr Bruder hat sie – trotzdem geheiratet?« fragte Rainhart heiser.

      »Ja, geheiratet