Augenblick später wurde die Tür zu seinem Arbeitszimmer aufgerissen.
Unwillig über die Störung blickte er auf.
In der Tür stand Kathinka!
»Sie wollte mich nicht zu dir lassen!« sagte sie mit zornig geröteten Wangen und kam mit einer Selbstverständlichkeit näher, als ginge sie noch heute auf dem Gut aus und ein.
Johanna war einen Schritt hinter Kathinka zurückgeblieben und machte eine hilflose Gebärde.
Kathinka schlug hinter sich die Tür zu. Ihre Augen glänzten in einem wilden Feuer, als sie Rainhart brennend ansah.
»Endlich!« murmelte sie und blieb wenige Schritte vor ihm stehen.
Er hatte sich noch nicht von seiner Verblüffung erholt. »Was willst du?« fragte er rauh.
»Dich sehen! Mit dir sprechen!«
»Nach allem, was du mir angetan hast, wagst du, wieder hier zu erscheinen? Ja, du schreckst nicht einmal vor der Tatsache zurück, daß ich verheiratet bin – glücklich verheiratet!« Seine Empörung kannte keine Grenzen.
»Glücklich?« wiederholte sie ironisch. »Deine Frau ist krank – todkrank, wie ich weiß. Sie hat nicht mehr lange zu leben. Dann bist du endlich frei – frei für mich!«
Er holte aus zum Schlag, doch im letzten Moment beherrschte er sich. »Geh!« sagte er leise mit dunkler Drohung. »Geh – ehe ich dich hinauswerfe!«
»Du wirst mich nicht hinauswerfen, denn ich weiß, daß du mich begehrst!« Sie wollte die Hände auf seine Schultern legen, doch er faßte sie hart am Handgelenk und stieß sie zurück.
»Ich liebe dich nicht und begehre dich auch nicht! Ich wünsche nicht, dir jemals wieder zu begegnen! Hast du mich verstanden?«
»Was willst du machen, wenn deine Frau stirbt? Willst du ewig einsam bleiben und den trauernden Witwer spielen?« Sie lachte höhnisch auf. »Das ist eine Rolle, die dir nicht steht! Du brauchst Liebe – du brauchst eine Frau! Meinst du, ich wüßte das nicht? Du brauchst mich!«
»Schweig!« herrschte Rainhart sie an. »Kein Wort weiter – oder ich vergesse mich!«
»Du hast Angst vor mir, nicht wahr?« murmelte sie leise. »Du spürst, daß du mir nicht mehr lange widerstehen kannst! Jahrelang hast du von diesem Augenblick geträumt, in dem du mich endlich besitzen wirst! Du hast dich vor Sehnsucht verzehrt, und aus verzweifeltem Trotz, weil du mich damals nicht bekommen konntest, hast du eine andere Frau geheiratet! Ein hilfloses, krankes Geschöpf, bei dem du weder Liebe noch Leidenschaft gefunden hast!«
»Ich habe bei meiner Frau alles gefunden, was ein Mann sich wünschen kann!« antwortete Rainhart mit leidenschaftlicher Erregung. Er sprach laut, und es war ihm gleichgültig, ob jemand diese Auseinandersetzung mit anhören konnte. »Ich liebe meine Frau!« fuhr er fort. »Sie bedeutet mir mehr als mein Leben – sie ist für mich das Glück und der Inhalt meines Daseins!«
Rainhart war so erregt, daß er das laute Klopfen an der Tür überhört hatte. Er wurde erst aufmerksam, als die Tür geräuschvoll geöffnet wurde und Konrad Eckhoff hastig eintrat.
»Verzeihung, wenn ich störe«, sagte er atemlos und warf einen raschen Blick auf Kathinka. »Ich mußte dich unbedingt sprechen!«
Kathinka starrte dem unerwarteten Besucher haßerfüllt entgegen. »Ich habe gerade eine wichtige Auseinandersetzung mit Herrn Arundsen, bei der ich gern mit ihm allein wäre!«
»Bedaure«, erwiderte Rainhart Arundsen, »den Wunsch kann ich dir nicht erfüllen, Kathinka! Das ist Herr Eckhoff, mein Schwiegervater, den ich bitte, unserem Gespräch beizuwohnen, damit keinerlei Mißverständnisse entstehen!« Er sah Kathinka durchdringend an. Dann wandte er sich an Eckhoff, der kaum seine Verwirrung verbergen konnte. »Vater, das ist Kathinka Greve, die mich heute überraschend aufgesucht hat, um mir einzureden, daß ich sie immer noch liebe!« Kalt und schneidend kamen die Worte von seinen Lippen.
»Rainhart!« rief Kathinka empört aus. »Wie kannst du es wagen…«
»Ich habe vor meinem Schwiegervater keine Geheimnisse«, entgegnete Rainhart zornentbrannt.
»Was wollen Sie von meinem Schwiegersohn?« fragte Eckhoff heiser, während sein durchdringender Blick sich auf Kathinka heftete.
»Sie wollte mir begreiflich machen, daß sie die richtige Frau für mich wäre«, erklärte Rainhart in schneidendem Ton. »Und ich habe sie eben hinausgewiesen, doch sie wollte nicht gehen.«
Er wandte sich zu Eckhoff um. »Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, Frau Greve zum Verlassen meines Gutes zu bewegen!«
Kathinka war fassungslos über die ungeheure Demütigung, die Rainhart ihr zufügte. Ihr Blick loderte vor Zorn und Empörung. »Das das wirst du mir büßen!« flüsterte sie heiser. Nach einer Sekunde der Erstarrung warf sie den Kopf zurück und eilte mit hastigen Schritten zur Tür.
Rainhart machte keine Anstalten, sie zu begleiten. Fassungslos sah er ihr nach. Erst als die Tür hinter ihr ins Schloß gefallen war, strich er sich aufstöhnend über die Stirn, als müßte er das Bild, das sich ihm wie ein böser Traum eingeprägt hatte, hinwegwischen.
Konrad Eckhoff faßte sich als erster. »Es muß ziemlich schlimm gewesen sein«, sagte er langsam. »Ich habe noch nie erlebt, daß du dich so vergessen konntest!«
Rainhart wandte sich langsam zu dem Schwiegervater um und blickte in seine verständnisvollen Augen. »Es war wirklich sehr schlimm«, entgegnete er leise. Mit einem Seufzer ließ er sich in einen Sessel fallen.
Eckhoff setzte sich ihm gegenüber und wartete. Er wollte nicht durch voreilige Fragen in ihn dringen.
Nach einer Weile begann Rainhart zu erzählen. Er schilderte die ganze Szene, die er eben mit Kathinka erlebt hatte. »Ich sehe es als eine Fügung des Schicksals an, daß du gekommen bist«, sagte er dankbar. »Wahrscheinlich hätte ich sie geschlagen, und hinterher hätte ich mich geschämt. Aber sie hat mich bis aufs äußerste gereizt. Kannst du das verstehen?«
Eckhoff nickte. »Es ist mir unverständlich, wie eine Frau sich so erniedrigen kann!«
»Kathinka lebt nach ihren eigenen Gesetzen«, antwortete Rainhart düster. »Ich hoffe, sie wird nie wiederkommen!«
»Das glaube ich nicht«, meinte Eckhoff mit bitterem Spott.
Eine Weile schwiegen sie beide.
Dann sagte Eckhoff: »Ich hatte eigentlich einen wichtigen Grund für meinen Besuch.«
Rainhart hob gespannt den Blick.
»Ich habe gehört, du willst das Waldstück am Hügelkamm verkaufen?« fuhr Eckhoff fort. »Ist das wahr?«
»Ja, es ist wahr«, gab Rainhart bedrückt zurück.
»Warum? Es ist dein bestes Waldland!«
»Ich will mich verkleinern!«
»Du hast mir immer noch nicht den Grund gesagt!« Eckhoffs durchdringender Blick ließ den Schwiegersohn nicht los.
»Ich brauche Geld«, antwortete Rainhart.
Eckhoff nickte bedächtig. »Ich dachte es mir«, sagte er breit. »Wieviel brauchst du?«
Rainhart lachte trocken auf. »Viel – sehr viel…«
»Wieviel genau?«
»Ich kann dir die Summe nicht nennen!«
»Warum nicht! Ist sie so hoch?«
»Ja.« Der Majoratsherr senkte den Kopf.
»Du wirst das Waldstück nicht verkaufen.«, sagte Eckhoff kurz und bündig. »Ich werde dir das Geld, was du als Kaufpreis bekommen hättest, geben.«
»Das kann ich nicht annehmen!« fuhr Rainhart auf. »Ich brauche deine Hilfe nicht, Vater! Ich muß allein mit den Schwierigkeiten fertig werden!« Er war zu stolz, um seine wirtschaftliche Niederlage