Martina Meier

Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1


Скачать книгу

die Sauerei, bevor Oberengel Manuel, der in ihrem Kleine-Engel-Backkurs die Aufsicht führte, in den Raum zurückkehrte. „Danke“, flüsterte Willi und beugte sich wieder über seine Plätzchen. Florian seufzte leise. Von allen kleinen Engeln hatten sie ihm ausgerechnet den dicken Willi als Teampartner zugeteilt. Jeder wusste doch, wie tollpatschig und dumm der war! Jetzt formte er mit Hingabe seine Plätzchen. Sein rundes Gesicht war knallrot von der Hitze, der Schweiß rann ihm übers Gesicht und sein dunkles Haar, das er passend zu seiner Kopfform in einem kurzen Rundhaarschnitt trug, klebte ihm auf der Stirn.

      Florian machte die Backerei keinen Spaß. Er hatte sich ja eigentlich für den Kurs „Süßer die Glocken nie rocken“ angemeldet, aber der war nicht zustande gekommen. Wie blöd. Wahrscheinlich war der altehrwürdige Ratsengel Hieronymus dagegen gewesen. Und jetzt war er einfach für die Backstube eingeteilt worden, ausgerechnet auch noch mit dem dicken Willi als Partner. Florian strich sich das lange, blonde Haar aus dem Gesicht und seufzte noch einmal leise. Eines musste er allerdings zugeben. Der dicke Willi hatte ihm in dieser Woche auch manches Mal aus der Patsche geholfen, zum Beispiel als sein Stollenteig so hart geworden war, dass man ihn mit Hammer und Meißel hätte bearbeiten können, oder als seine Nussmakronen auseinandergelaufen waren wie Kuhfladen.

      Die Tür öffnete sich und Oberengel Manuel stolzierte herein, wie Vertrauensschüler Percy Weasley in seinen besten Jahren. „Fehlen nur die roten Haare und der schwarze Umhang“, flüsterte der dicke Willi Florian zu. Der sah ihn verblüfft an. Er hatte gar nicht gewusst, dass Willi seine Vorliebe für die Bücher der Menschen teilte. In der Engels-Bibliothek standen nämlich eher Titel wie „Der kleine Engel Sebastian auf Internat Himmelsruh“, „Das Geheimnis der klingenden Harfe“ oder „Gustav, das Rentier mit dem blauen Auge“.

      Willi zwinkerte ihm verschmitzt zu und Florian grinste. Oberengel Manuel ging von Tisch zu Tisch und begutachtete die Erzeugnisse der kleinen Engel. Dann stellte er sich mitten in den Raum, klatschte zweimal in die Hände und begann zu sprechen: „Ich bitte um eure geschätzte Aufmerksamkeit. Ich spreche euch meinen Dank aus für eure fleißige und gelungene Mitarbeit in diesem Kurs.“ Dabei strahlte er Willi an und bedachte Florian mit einem eisigen Blick. „Wie euch allen zur Kenntnis gelangt sein dürfte, begehen wir morgen den letzten Tag unseres interessanten Kurses mit Säubern der Backstube und Nachbesprechung der Kursinhalte in einer gemeinsamen Zusammenkunft.“ Der kleine Willi fuhr zusammen. Er sprach gar nicht gerne vor anderen Engeln. „Außerdem mussten wir noch eine Änderung unseres erlesenen Programmes vornehmen.“ Mein Gott, konnte der Typ nicht normal reden! Florian sah Willi an und verdrehte die Augen gen Himmel. „Euer für heute Abend geplanter Einsatz mit den Weihnachtsmännern auf der Erde musste leider aus unüberwindbaren organisatorischen Gründen entfallen. Statt dessen dürft ihr euch in Wolkensaal 7 den Vortrag mit dem Titel „Geschichte der Weihnacht – Gedanken aus neuerer Zeit“ anhören. Um vollständiges Erscheinen möchte ich dabei bitten.“ Er klatschte begeistert in die Hände, um seinen, wie er fand, gelungenen Vortrag abzuschließen, und eilte geschäftig aus dem Raum.

      Lautes Murren war in den Reihen der kleinen Engel zu hören, als sie sich anschickten, nach und nach die Backstube zu verlassen. Willi stand da wie angewurzelt und sah Florian völlig verzweifelt mit weit aufgerissenen Augen an. „Aber das können die doch nicht machen! Ich habe mich doch so darauf gefreut, endlich einmal ein von den Menschen geschmücktes Weihnachtszimmer zu sehen.“ Ihm standen die Tränen in den Augen.

      „Ja, das ist wirklich eine Gemeinheit“, antwortete Florian, als sie sich langsam in Bewegung setzten. Draußen schwebten sie auf einer Wolke etwas abseits und ließen sich den frischen Wind um die Nase blasen.

      „Nein, das lassen wir uns nicht gefallen“, sagte Willi plötzlich mit entschiedener Stimme.“ Florian zuckte zusammen und sah Willi überrascht an. Der kaute angestrengt auf seiner Unterlippe, wie Justus Jonas beim Lösen seines schwierigsten Falls. „Ich hab’s“, sagte er dann und sah Florian verschwörerisch an. „Wir verstecken uns hinten auf einem der Schlitten zwischen den Geschenken. So groß sind wir ja nicht. Ich weiß, wo die Rentiergespanne geparkt sind, ich bringe den Tieren doch immer Leckerlies, wenn ich Zeit habe“, grinste er Florian plötzlich an.

      „Das sieht dir ähnlich“, antwortete Florian lachend. Doch Willi überhörte den Einwurf. „Komm mit! Wir müssen vorsichtig sein, dass uns niemand sieht.“ Er zog Florian am Arm mit sich.

      Das könnte sogar klappen, dachte Florian bei sich und musste zugeben, dass er dem dicken Willi gar nicht so viel Schneid zugetraut hätte. Langsam und vorsichtig schwebten die beiden kleinen Engel über die Wolkenstraße 7, überquerten dann unbemerkt den kleinen Himmelsplatz und folgten einer schmalen Wolkengasse in Richtung der großen Gebäude, die den Rentieren als Stallungen dienten. Sie warfen sich bäuchlings auf eine nahe gelegene Wolke und lugten vorsichtig über den Rand. Auf dem Hof herrschte reges Treiben. Da parkten zahlreiche Schlitten unterschiedlicher Größe mit Rentiergespannen. Die Weihnachtsmänner und ihre Gehilfen beluden die Schlitten gerade mit prall gefüllten Säcken und Kisten, die gut festgezurrt werden mussten.

      „Sieh mal, da hinten“, der kleine Willi stieß Florian an. Am unteren Ende der Reihe parkte ein großer Schlitten mit einem geräumigen, nach oben geöffneten Kasten darauf. Florian verstand. Wenn sie es schafften, unbemerkt bis zu dem Schlitten zu kommen, könnten sie sich leicht in dem Kasten verstecken. Er nickte Willi zu und vorsichtig pirschten sie sich von Gebäude zu Gebäude schwebend heran. In einem günstigen Moment erreichten sie die Rückwand der Kiste, schnellten unbemerkt in die Höhe und ließen sich über den Rand gleiten. Florian stieß einen unterdrückten Schrei aus, als er spürte, wie er auf etwas Weichem landete, das sich bewegte.

      „Oh, Schafe“, sagte der kleine Willi, dessen Augen sich schneller an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Er und Florian fanden sich rittlings auf einem großen Schafbock sitzend wieder.

      „Oh Gott, wer will denn schon Schafe zu Weihnachten?“, stöhnte Florian, rutschte vom Rücken des Tieres und ließ sich auf einem Heuballen in der Ecke nieder.

      „Das sind bestimmt wertvolle Tiere“, antwortete Willi mit einem Stolz in der Stimme, als hätte er sie selbst ausgesucht.

      „Deshalb riechen sie aber auch nicht besser“, rümpfte Florian die Nase. Willi setzte sich neben ihn, kraulte dem vor ihm stehenden Schaf die Ohren und sah ihm hingebungsvoll in die Augen. Da vernahmen sie plötzlich von draußen eine laute und polternde Stimme: „Ho ho ho. Jetzt wird es aber langsam Zeit, dass wir aufbrechen.“ Willis Schaf sprang ihm vor Schreck auf den Schoß und die beiden kleinen Engel sahen sich entsetzt an.

      Jetzt hatten sie von allen Schlitten doch ausgerechnet den vom Weihnachtsmann Berchtold erwischt. Das durfte doch nicht wahr sein. Weihnachtsmann Berchtold war bekannt für seine Ruppigkeit und seine Strenge, und die kleinen Engel machten normalerweise einen weiten Bogen um ihn. Willi schob das Schaf beiseite und lugte durch einen Spalt in der Bretterwand. Florian folgte ihm.

      Weihnachtsmann Berchtold kontrollierte gerade, ob die Säcke im vorderen Bereich des Schlittens richtig festgezurrt waren. Dann schickte er sich an, den Kutschbock zu besteigen. Willi und Florian war klar, dass sie keine Chance mehr hatten, den Holzkasten unbemerkt zu verlassen. „Ho ho ho. Los geht die Fahrt“, tönte es von draußen und ein lautes Schnalzen war zu hören. Als sich der Schlitten knirschend in Bewegung setzte, kehrten die beiden Engel schicksalsergeben zu ihrem Sitzplatz auf dem Heuballen zurück.

      Sie spürten, wie der Schlitten immer schneller über die Wolken glitt und sich dann langsam in die Lüfte erhob. Lautlos schoss der Schlitten durch den Nachthimmel. Zu hören waren nur die vor Anstrengung schnaubenden Rentiere. Die beiden kleinen Engel betrachteten die über ihnen funkelnden Sterne. Es dauerte lange, bis der Schlitten an Höhe verlor und schließlich sanft im knirschenden Schnee aufsetzte.

      „Ho ho ho, da wären wir“, hörte man Weihnachtsmann Berchtolds poltrige Stimme flüstern. Als der Schlitten zum Stillstand gekommen war, versuchten Willi und Florian durch die Bretter zu erkennen, wo sie sich befanden. Der Schlitten parkte im Schatten eines ausladenden, dunklen Waldes. In der Ferne sahen sie ein großes, hell leuchtendes Bauernhaus. Die beiden kleinen Engel beobachteten, wie Weihnachtsmann Berchtold vom Kutschbock glitt. Er löste einen der großen Säcke vom Schlitten,