Charles Dickens

Nikolas Nickleby


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– NB. Am Sabbat kaltes Mittagessen in der Küche, da Mr. Gallanbile auf strenge Observanz des Sabbats hält. Am ›Tage des Herrn‹ wird überhaupt nichts gekocht als das Mittagessen für Mr. und Mrs. Gallanbile, was natürlich als ein Werk der Notwendigkeit eine Ausnahme bildet. Mr. Gallanbile speist am ›Tage der Ruhe‹ spät zu Mittag, um der Köchin die Sünde des Ankleidens zu ersparen.«

      »I glaub nöt, daß der Posten der richtige war«, meinte die Köchin nach einer kurzen geflüsterten Beratung mit ihrer Freundin. »Bitt schön, geben S' mir die Adress' von der Wrymug. I kann ja wieder kommen, wann's nöt zammgeht.«

      Tom schrieb die Adresse heraus, und die modisch gekleidete Klientin entfernte sich mit ihrer Freundin.

      Nikolas wollte eben den jungen Mann ersuchen, die verfügbaren Sekretärstellen nachzusehen, als eine junge Dame eintrat, deren Äußeres ihn ebensosehr überraschte wie ansprach, weshalb er auch zu ihren Gunsten sogleich zurücktrat.

      Die Dame, die kaum achtzehn Jahre zählen mochte und von außerordentlicher Schönheit war, trat schüchtern an den Schreibtisch und fragte mit leiser Stimme nach einer Stelle als Erzieherin oder Gesellschafterin.

      Auf ihrem ungemein sympathischen, fein geschnittenen Gesicht lag eine Trauer, die bei einem so jungen Wesen doppelt auffallen mußte.

      Sie war nett, aber ungemein bescheiden gekleidet. Fast ärmlich. Ihre Begleiterin, denn sie hatte eine solche, war ein schmutziges Frauenzimmer mit rotem Gesicht und runden Augen und schien nach den abgearbeiteten bloßen Armen, die unter dem schlampig umgeworfenen Umhängetuch hervorguckten, nach den Spuren von Schmutz und Ruß im Gesicht und gewissen Blicken und Freimaurerzeichen, die sie mit den Dienstmädchen auf der Bank wechselte, dieser Klasse anzugehören.

      Nachdem die junge Dame einige Adressen erhalten, glitt sie rasch hinaus und ihre Begleiterin folgte ihr. – Noch ehe sich Nikolas von dem ersten tiefen Eindruck, den ihre Schönheit auf ihn gemacht, erholen konnte, war sie bereits verschwunden.

      »Wann kommt sie wieder, Tom?« fragte die dicke Dame.

      »Morgen früh«, antwortete der Schreiber, seine Feder spitzend.

      »Und wo haben Sie sie hingeschickt?«

      »Zu Mrs. Clarke.«

      »Sie wird's dort gut haben, wenn sie die Stelle kriegt«, brummte die dicke Dame und nahm eine Prise aus einer zinnernen Schnupftabakdose.

      »Nun, Sir, und was wünschen Sie?« wendete sie sich dann an Mr. Nickleby.

      Nikolas erklärte mit kurzen Worten, daß er wissen möchte, ob nicht irgendeine Stelle als Sekretär oder Amanuensis bei einem Herrn frei sei.

      »Oh, ein ganzes Dutzend«, versetzte die Agentin.

      Als man das Buch zu Rate zog, stellte sich zwar heraus, daß nur eine einzige frei sei, aber diese, hieß es, sei vorzüglich. – Ein gewisser Mr. Gregsbury, Parlamentsmitglied, suchte einen jungen Mann, der seine Papiere und die Korrespondenz in Ordnung halten solle.

      »Die Bedingungen sind uns nicht weiter bekannt, da der Auftraggeber sich mit der Partei selbst zu einigen gedenkt«, bemerkte die dicke Dame, »aber sie können nur sehr vorteilhaft sein, da der Herr Parlamentsmitglied ist.«

      So unerfahren auch Nikolas war, so schien ihm doch dieser Schluß nicht besonders logisch. Ohne sich aber auf weitere Erklärungen einzulassen, ließ er sich die Adresse aufschreiben und machte sich unverzüglich auf den Weg nach Manchester Buildings zu Mr. Gregsbury, dem großen Parlamentsmitglied. Eine längere Wanderung brachte ihn ans Ziel.

      »Wohnt hier Mr. Gregsbury?« fragte er den Diener, einen blassen, schäbigen, jungen Menschen, der ihm öffnete und aussah, als ob er von Kindheit an in einem Keller geschlafen hätte.

      Der Diener nickte nur stumm, schloß die Haustüre hinter ihm und machte sich dann ohne weitere Erklärung davon.

      Das war seltsam genug, aber noch mehr verwirrte Nikolas der Umstand, daß sich auf dem engen Hausflur und den schmalen Stiegen eine Masse von Menschen drängte, die augenscheinlich auf ein bevorstehendes Ereignis warteten. – Hie und da stand eine kleine Gruppe beisammen und unterhielt sich im Flüsterton, augenscheinlich fest entschlossen, sich unter keinen Umständen abweisen zu lassen.

      Einige Minuten vergingen, ohne daß etwas vorfiel, und Nikolas, der sich nicht sonderlich behaglich fühlte, wollte eben bei irgendeinem der Anwesenden Erkundigungen einziehen, als sich plötzlich eine lebhafte Bewegung auf den Treppen bemerkbar machte und eine Stimme rief:

      »Meine Herren, haben Sie die Güte heraufzukommen.«

      Sofort drängte sich die Menge hinauf oder, besser gesagt, die Treppen hinunter in das große Audienzzimmer Mr. Gregsburys, den kleinen Raum bis auf die Korridore ausfüllend.

      Nikolas, der wider Willen mit hineingedrängt worden, begriff jetzt, daß es sich um eine Deputation handelte, die ihrem Abgeordneten irgend etwas unterbreiten wollte.

      Ein gewisser Mr. Pugstyles, ein vierschrötiger Herr, war der Hauptsprecher und machte Mr. Gregsbury, der sich dabei wand und drehte, offenbar wegen nicht genügender Pflichterfüllung die unzweideutigsten Vorwürfe.

      Es war ein endloses Hinundhergerede über die nichtigsten Dinge, aber endlich gab sich die Deputation mit dem Versprechen ihres Abgeordneten, irgendeinen albernen Artikel in die Zeitungen zu lancieren, zufrieden und zog ab.

      Als der letzte Mann draußen war, rieb sich Mr. Gregsbury die Hände und kicherte, wie Schlaufüchse das zu tun pflegen, wenn sie glauben, einen ungewöhnlich feinen Trick ausgeführt zu haben. Er war überhaupt so sehr von sich und seinen diplomatischen Plänen eingenommen, daß er Nikolas, der beim Fenster zurückgeblieben war, nicht eher gewahrte, als dieser, besorgt, irgendein Selbstgespräch, das nicht für fremde Ohren bestimmt war, mit anhören zu müssen, zwei- oder dreimal laut hustete.

      »Was ist das?« fuhr Mr. Gregsbury auf.

      Nikolas trat hervor und verbeugte sich.

      »Was haben Sie hier zu schaffen, Sir?« fragte Mr. Gregsbury.

      »Ein Spion in meinem Privatzimmer! Ein versteckter Wähler! Sie haben doch meine Antwort vernommen, Sir? Ich muß wirklich bitten, Sir, daß Sie der Deputation folgen.«

      »Wenn ich zu ihr gehörte, würde es bereits geschehen sein«, entgegnete Nikolas; »das ist jedoch nicht der Fall.«

      »Aber was wollen Sie dann hier, Sir? Und wo zum Teufel kommen Sie her, Sir?«

      »Ich erhielt diese Karte von der General-Agentur, Sir«, erklärte Nikolas, »und ich möchte mich Ihnen als Sekretär anbieten, da sie dem Vernehmen nach eines solchen bedürfen.«

      »Das wäre alles, weshalb Sie hergekommen sind?« fragte Mr. Gregsbury mißtrauisch.

      Nikolas bejahte.

      »Sie stehen in keiner Verbindung mit einem dieser schuftigen Zeitungsblätter? Sie haben sich nicht in das Zimmer geschlichen, um zu horchen, was vorgeht, und es nachher drucken zu lassen, he?«

      »Es tut mir leid, sagen zu müssen, daß ich vorderhand mit gar nichts in Verbindung stehe«, entgegnete Nikolas höflich, aber unbefangen.

      »So. Aber wie fanden Sie den Weg hier herauf!«

      Nikolas erzählte, wie er durch die Deputation heraufgedrängt worden.

      »So ging es also zu?« meinte Mr. Gregsbury. »Nun, dann nehmen Sie Platz.«

      Nikolas nahm einen Stuhl, und Mr. Gregsbury betrachtete ihn eine Weile mit durchbohrenden Blicken, als ob er sich erst genau überzeugen wolle, daß in dem Äußern seines Besuches nichts Verdächtiges liege, ehe er weitere Fragen stellte.

      »Sie möchten also mein Sekretär werden?« begann er endlich.

      »Ja.«

      »Schön. Und was glauben Sie, haben Sie zu leisten?«

      »Ich denke«, entgegnete Nikolas lächelnd, »daß ich das, was gewöhnlich Sekretären zukommt, zu erledigen