das erschien ihnen schwerer, als auf einem bockigen, beißenden Pferd zu reiten.
Mister Perkins kniff ein Auge zu. „Zieht in Frieden, meine Boys! Möchte gern später einmal hören, wie es euch ergeht. Und wenn das Unternehmen zusammenkracht, kommt wieder zu mir. Habt ihr mich verstanden?“
„Okay, Mister Perkins!“ atmete Bill erleichtert auf. Das wäre also überstanden. Eben wollte er sich umwenden und wieder zu seiner gemächlich weidenden Stute zurücklaufen, da drückte ihm der Boß einen größeren Dollarschein in die Hand. Auch Peer geschah dasselbe.
„Nachzahlung für fleißigeil Dienst, und vergeßt nicht zu schreiben!“ Er blickte lachend den davoneilenden Jungen nach.
„Gesundes Blut“, murmelte er. „Die gehen nicht unter.“
Das fürchteten auch Bill und Peer nicht, als sie am nächsten Morgen in die hochbepackten Autos krochen. Peter Sattler hatte in der letzten Woche noch eine Fahrt nach Nelson unternommen und seinen Chevrolet gegen einen starken, aber klapprigen Austin-Kombi vertauscht. So war es zuletzt doch noch gelungen, das wichtigste Reisegut aufzupacken. Wer kannte auch die Preise in den kleinen Städten dort oben am Rand der Wildnis? Auf jeden Fall kaufte man im Süden von British Columbia wesentlich billiger ein. Aber dennoch schmolzen die Dollars zusammen wie der Schnee im Mai von den Bergen der Gold Range.
Die Liste Mac Leans war in diesen zwei Wochen noch um einiges länger geworden. Alles Nötige zu einer Expedition ins Unbekannte mußte bedacht werden.
„Und dabei kehren wir von dieser nicht einmal mehr zurück!“ lachte Mac Lean fröhlich, als von Peter Sattler dieses Wort gefallen war.
Der Frau gab es einen schmerzhaften Stich, als sie das Wort hörte. Nie mehr zurück, vergraben, verschollen hinter den fernsten Bergen, für immer! Nun, da der Aufbruch bevorstand, spürte sie eine ungeheure Last der Sorge auf den Schultern. Doch sie ließ kein klagendes Wort aus ihrem Mund. Peter, der Mann und Vater, hatte ein Ziel gefunden, und das mußte auch ihr genug sein.
Bärbi Sattler saß schon im Wagen; Bill und der Vater kletterten noch auf der Ladefläche des kleinen Lastwagens herum.
„Sind die Reitsättel gut verstaut, Bill?“
„Ja, Vater; auch Rossys nagelneuer.“ Er lachte. „Er wird ihr ja noch viel zu groß sein. Übrigens muß sie ja auch dort oben bald wieder zur Schule!“
Alle Cowboys der Ranch, die es an diesem Morgen einrichten konnten, umstanden die kleine Karawane. Lachende Zurufe wechselten hin und her. Tom Seter, der nach der Kündigung Mac Leans zum Chef der Cowboys aufgestiegen war, half Mac Leans Gepäck festzurren.
„Du wirst keine hundert Kilometer weit kommen, dann kannst du deine Pfannen und Äxte stückweise am Straßenrand wieder suchen, wenn du nicht alles besser verschnürst!“ nörgelte er. Dann lief er in die Garage und kehrte mit neuen Riemen zurück. „Es täte mir doch leid, wenn du am zweiten Tag schon wieder angerattert kämst. Ein solches Aas wie dich möchte man nicht ein zweites Mal um sich haben.“
Mac Lean verstand den Spaß. Aber er kniff seine Augen zu einem Spalt zusammen. „Vielleicht komme ich wieder – nach ein paar Jahren, wenn ich Cowboys für meine Großranch am Tetachuk Lake suche.“
Tom Seter lachte. „Inzwischen hat dich längst ein Grizzly verspeist. Wünsche ihm gute Zähne für diesen Knochenhaufen!“
Inzwischen schien auch auf Mac Leans Auto alles festgebunden zu sein. Peter Sattler war ebenfalls von seinem Wagen gestiegen. Peer durfte in Macs Auto kriechen, damit die Last ein wenig gleichmäßig verteilt war. Die Mutter und Rossy saßen eng zusammengepreßt im Fond des Austin. Peter Sattler und Bill wollten abwechselnd am Steuer sitzen.
Mac steckte den Schlüssel in den Starter und horchte auf das singend anspringende Summen des Motors. Jetzt kam es auf diesen an, daß er treu tausend Kilometer und mehr lief. „Verdammt, kann ihm nicht einmal wie einem Pferd die Schenkel tätscheln!“ murmelte er. Er blickte zu Peter Sattler hinüber und hob die Hand.
„Allons – vorwärts!“
Die hochbepackten Autos schnellten ratternd vorwärts wie ungeduldig wiehernde Cowboypferde, der Staub auf dem Hof der Ranch wallte in Wolken auf. Die Cowboys sprangen zurück und rissen die ledernen Hüte schwingend über die Köpfe. Was sie riefen, verstanden die Fahrer nicht mehr, aber sie wußten es dennoch: „Fare well – gute Reise – and good luck!“
Viel Glück, viel Glück!
„Verdammt noch mal, das brauchen wir jetzt!“ murmelte Mac Lean seinem dröhnenden Motor zu. Er hatte nicht viel Zeit, zuletzt noch in Rührseligkeit zu verfallen. Die ausgeschlagene Straße, die von der Ranch am Broadwater gegen den Fuß des Selkirk-Gebirges hinführte, verlangte alle Aufmerksamkeit. Die Cowboys schauten den Ausziehenden gewiß noch nach, und wie hätten sie gebrüllt, wenn jetzt schon der verpackte Plunder auseinandergefallen wäre!
Peter Sattler fuhr hinter Mac Lean und blickte scharf durch die Staubwolke auf den Pfad. Wenn es ihn in ein tiefes Regenloch schleuderte, duckte er sich horchend, ob hinter ihm nicht schon die ganze Ladung sich selbständig machte. Bill kurbelte das Fenster herab und beugte sich einen Augenblick in den Staub hinaus. „Alles hängt noch fest“, nickte er dem Vater zu.
Bärbi Sattler hatte die Augen geschlossen. Der Trubel und die Mühen der letzten Tage forderten jetzt ihr Recht. Schon als sie ins Auto stieg, war sie so erschöpft, daß sie kaum ihre Beine mehr trugen. Jetzt ließ sie sich willenlos hin und her schütteln, und hinter den Schleiern der Jahre stieg noch einmal ihre Jugend herauf.
„. . . Willst du wirklich mit diesem Deutschen gehen, Barb?“ hörte sie wieder die Mutter fragen.
Das war vor der kleinen Blockhütte in Weyburn im Staate Saskatchewan gewesen. Bärbis Vater war sein Leben lang Farmarbeiter gewesen, aber die Mutter hatte dafür gesorgt, daß ihre Tochter eine gute Schulbildung bekam. Und jetzt wollte das Mädchen mit einem Mann gehen, der nichts weiter besaß als seine starken Fäuste und viel guten Willen.
„Peter ist gut, Mammy, einen besseren Mann finde ich nicht mehr. Und auch mein Großvater war ein Deutscher.“
Dad und Mammy hatten in die Heirat eingewilligt, und die nächsten Jahre in der Nähe der Stadt Regina wurden überaus glücklich. Bill und Peer torkelten bald durch Küche und Zimmer, dann kam noch Rossy, die Jüngste. Ihr Mann verdiente gut, und sie litten keine Not.
Manchmal erzählte Peter aus seinem früheren Leben. „Weißt du, wir besaßen ein großes Gehöft mitten in Ungarn. Und wären wir nicht vertrieben worden, mähte ich jetzt den eigenen Weizen!“
Bärbi wußte, daß der Mann nun wieder tagelang den Kopf hängenlassen würde. „Dann hätten wir uns nie kennengelernt, und es gäbe keinen Bill und Peer, keine Rossy!“ versuchte sie den Traurigen zu trösten.
Peter schwieg, doch in seinem Kopf bohrte es weiter: auf eigenem Boden gehen, Bauer sein, Rancher!
Und diese heimliche, niemals stillbare Sehnsucht war es, die Peter Sattler mit seiner Familie immer weiter nach dem Westen getrieben hatte. Lange Zeit lebten die Sattlers auf den Viehranches im Staate Alberta. Einen Winter lang war Peter mit zwei anderen Holzfällern im North Wood, dem endlosen Waldgürtel, der bis zur Tundra hinaufreichte, gefahren – auf einem Motorboot – und hatte hundert Meilen nördlich von Prince Albert am Twoforce River Kiefern und Tannen gefällt. Ein kalter, harter Winter, der viele Dollars einbrachte.
„Näher dem großen Ziel!“ hatte Peter frohlockt, als er endlich im Mai, als die Flüsse im North Wood aufbrachen, wieder zu seiner Familie im Süden heimgekehrt war.
Aber die ganz großen Möglichkeiten sollte es eben doch nur in Britisch-Kolumbien geben. Im nächsten Sommer hatten die Sattlers den Staub Albertas von den Schuhen geschüttelt und waren mit Einrichtung und Geschirr beladen auf dem wackligen Chevrolet weiter nach Westen gewandert. Nun saßen sie seit zwei Jahren auf der Großranch Perkins & Sons zwischen dem Selkirk- und dem Goldgebirge. Peters Unruhe hatte sich allmählich gelegt – bis Mac Lean, der Pläneschmied und Possenreißer, auftauchte . . .