der Bucht dunkelte schwarz, und selbst die Steine an dem schmalen Strand waren von schwarzgrauen Flechten überzogen.
Rossy bückte sich und plätscherte mit den Händen in der reglosen Flut. „Das Wasser ist warm. Am liebsten möchte ich hineinspringen und über die schmale Bucht schwimmen!“
Auch Bill und Peer lockte es mächtig. Doch dann sahen sie abseits vom Ufer die nackten Äste abgestorbener Bäume aus dem Wasser ragen. Ein weiter Uferstreifen schien moorig. Das kühlte ihren Eifer wieder ein wenig ab. Aber Peer schnellte noch einen flachen Stein über den blanken Spiegel hin. Dieser hüpfte fünf-, sechs-, siebenmal auf und ließ wachsende Kringel zurück. Dann sank er lautlos in die Tiefe hinab.
„Hallo, Boys, wer baut die Zelte?“ rief Mac Lean lachend von der Höhe herab. „Ein richtiger Cowboy drückt sich niemals von der Arbeit!“
Am Lower Arrow Lake hatten die Jungen hundertmal sich im Zeltbau geübt. Sogleich standen die zwei Brüder Bill und Peer wieder unter den Tannen und breiteten die Zeltplanen auf dem trockenen Boden aus. Sie trieben die kurzen Pfähle in den Boden und hoben vorsichtig die Zeltstäbe, bis ein richtiges Zeltdach entstand. Auf die undurchlässige Bodenlage breiteten sie die dicken Wolldecken.
Aus einem kleinen, plätschernden Wasserlauf neben dem See trug Rossy Wasser, während Bärbi Sattler schon den Dreifuß über das Feuer gestellt hatte. Das Wasser brodelte bald, die harzigen Zweige knatterten im Feuer. Als die Dämmerung fahler wurde, saßen die Ranchers friedlich im Kreis und stärkten sich mit Wurst und Tee.
Unter den Bäumen war es inzwischen dunkel geworden. Der flackernde Schein des Lagerfeuers warf bald das eine, bald das andere Gesicht ins Helle, während die übrigen im tiefen Schatten saßen. Die Autos kauerten neben den Zelten wie unförmige schlafende Tiere.
Mac Lean schlug sich eine Zigarette in die hohle Hand. Als sie glühte, lehnte er sich an den Stamm der Tanne zurück.
„Also, Boys, was sagt ihr zu Anahim-Land?“
Es war eine rhetorische Frage, denn von Anahim-Land hatten die Jungen noch nicht mehr gesehen als einige schweigsame stolze Indianer, ein schmutziges Dorf der Chilcotins und das unbewohnte Ufer des Tatla-Sees. Zu ihren Häupten dunkelten jetzt die gleichen Tannen wie unten im Selkirk-Gebirge.
Bill blickte um sich. „Wo sind die Ranchers, von denen wir die Pferde und Rinder kaufen wollen?“
In diesem Augenblick knackten im Gebüsch hinter ihnen einige Zweige. Bill und Peer schnellten empor und starrten in das Dunkel. Peter Sattler faßte die Hand seiner Frau, die plötzlich blaß geworden war. Nur Mac Lean hatte das Klügste getan, er war mit einem Schritt in das Dunkel hinter der mächtigen Tanne getreten.
Jetzt hörten die Lauschenden das Schnauben eines Pferdes. Ein Reiter mußte irgendwo zwischen den Bäumen stehen. Mac Lean tastete nach dem Revolver in seinem Gürtel.
„He, wer ist da? Tritt ans Licht!“ rief er kurz und scharf.
Die Tritte knackten stärker. Aus dem Schatten schob sich die Gestalt eines langen, bärtigen Mannes, der ein Pferd am Halfter führte. Seine Kleidung hatte er schon lange nicht mehr erneuert. An der roten, da und dort eingerissenen Hemdbluse fehlten einige Knöpfe, die weite, ausgefranste Hose war mit dicken Schnüren zusammengehalten. Der farblose Schlapphut hatte schon viele Winter und Sommer gesehen.
„Ah, komfortable Weekendfahrer“, knurrte der Fremde mit polterndem Lachen. „Dachte schon an Ranchers auf großem Treck!“
Der Fremde ließ sich ohne viel Umstände am Feuer nieder, nachdem er den Leitriemen des Pferdes um einen dünnen Stamm geschlungen hatte.
Mac Lean steckte den Revolver ungesehen wieder in den Gürtel. Er trat langsam vor und blieb neben dem fremden Besucher stehen.
„Willkommen, Mister Unbekannt, an unserm Feuer! Dachten schon, das ganze Anahim-Land wäre menschenleer. Woher und wohin, wenn die Frage erlaubt ist?“
Der Fremde sah mit einem schiefen Blick zu dem, wie es ihm schien, ganz neu eingekleideten Cowboy empor.
„Habe vorher auch so etwas wie eine Frage getan, die noch keine Antwort gefunden hat.“
„Ach, Ihr meint die Weekendfahrer oder die treckenden Ranchers? Wir sind das erste nicht und wollen, wenn es gutgeht, das zweite werden!“
„Also doch auf der Fahrt aus dem Süden dort unten?“
„Nach dem Westen weiter, wenn es Euch recht ist“, lächelte Mac Lean.
Der Fremde wiegte langsam den Kopf. „Nach dem Westen hin gibt es nicht mehr viel Rechtes zu sehen. Ihr werdet einige Ranches treffen, tageweit auseinander, und an den Rainbow-Bergen vorbei kommt ihr wieder hinab an das Meer bei Bella Coola, vorausgesetzt, daß eure Klapperwagen nicht eher in ihre Bestandteile auseinanderfallen!“
„Und wie sieht es mehr nach Norden zu aus?“ fragte Mac Lean nun.
Der Besucher wiegte langsam den Kopf. Er wurde nicht recht klug aus den Cowboys, die sich da mitsamt ihrer Familie am Tatla-See niedergelassen hatten. Es gab nichts zu verheimlichen hier oben im Land der großen Einsamkeit.
„Kommt nur erst einmal bis an den Anahim-See! Einst hieß dies die Gegend, wo alle Straßen enden. Heute findet ihr vielleicht auch noch einen Reitpfad nach Norden in die Algack-Berge oder in die Sümpfe, wo die Ulgatchos leben. Was wollt ihr dort oben suchen? Eure Klapperwagen habt ihr inzwischen doch längst in die Garage stellen müssen.“
Peter Sattler und Mac Lean blickten sich an. Warum sollten sie mit ihren Zielen und Absichten lange hinter dem Berg halten? Vielleicht erfuhren sie aus dem Mund dieses seltsamen Besuchers auch manches Neue, das ihnen von Nutzen sein konnte.
„Wir suchen neues Weideland jenseits der Jawnie-Berge. Seid Ihr etwa ein wenig vertraut mit dem Land dort oben?“
In die Augen des Fremden trat auf einmal ein neuer Ausdruck. Er schüttelte voll Staunen den Kopf. „Hätte nie gedacht, daß noch einmal neue Pioniere unser verlassenes Anahim-Land aufsuchen. Nun muß ich wahrhaftig annehmen, ihr seid auf großem Treck.“
Bill und Peer warfen neues Holz in das Feuer, und lodernde Glut zerriß wieder die Dunkelheit. Peter Sattler gab seiner Frau einen Wink mit den Augen, und bald zog der Duft von Kaffee würzig und stark durch die Luft unter den schweigenden nächtlichen Tannen.
Der fremde, seltsame Besucher taute jetzt auf. „Nennt mich Dean Poker! Auf den Ranches im Anahim-Land kennt mich jedes Kind. Ich besaß selber einmal eine Ranch in den Algack-Bergen, nicht weit vom Musketweg. Aber anfangs verstand ich es nicht recht, mit den Ulgatchos-Indianern gute Freundschaft zu halten. Sie stahlen mir die Tiere von der Weide weg, und als ich einmal nach ihnen schoß, da begann mitten in der Nacht meine Blockhütte zu brennen. Nun gut, ich hatte mir vielleicht nicht den besten Platz für meine Ranch ausgesucht, hätte mich gleich mit einem zweiten Cowboy zusammentun sollen, dann wäre nicht meine Ranch oft tagelang unbewacht dagestanden. Damals war ich sogar froh, daß ich am Anahim-See und in Klenna Kleene wieder unter Menschen sein durfte. Wenn es mich auch seither nirgends mehr lange hielt, so können sie doch auf jeder Ranch eine Aushilfe brauchen, die Ledersättel zu nähen versteht, ein Lasso schwingt, wie es die Jungen nicht mehr können, und die auch freiwillig wieder Abschied nimmt, wenn sich nichts mehr zu tun findet.“
Dean Poker schlürfte den kochend heißen Kaffee mit großem Behagen. Dann stopfte er sich seine Pfeife und lehnte sich behaglich zurück.
„Hätte euch gern noch ein wenig begleitet, wenn ich nicht gerade auf dem Weg nach Williams Lake wäre. Aber ihr könnt euch ja nicht verirren. Es gibt nur eine Straße bis an den Anahim-See. Ob ihr dort einen Schuppen findet für eure Cadillacs, das kann ich nicht sagen. Am besten wird es wohl sein, ihr vertauscht sie gegen gute Reitpferde, da ihr ja nicht mehr umzukehren beabsichtigt.“
Mac Lean erhob sich und nickte Dean Poker zu. Viel Neues erfuhr er ja doch nicht mehr von diesem reisenden Cowboy. Er gähnte laut. „Es ist Schlafenszeit!“
Dean Poker verstand den Wink. „Wenn ihr nichts dagegen habt, wickle ich mich hier neben dem Feuer in meine