Poppy J. Anderson

Rockstar Love - Ein Song für Alexis


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und dem Babyface Zac gab es noch ihn – Taylor. Er war sozusagen der Anführer, der inoffizielle Frontmann und der Vernünftige, der dafür zuständig war, seine Bandkollegen davon abzuhalten, über die Stränge zu schlagen und Unsinn anzustellen. Er wusste, dass er als der Ernsthafte verkauft wurde, der die Liebeslieder voller Inbrunst sang, in der Musik aufging und perfektes Schwiegersohnmaterial bot. Tatsächlich war es ihm egal, welches Image ihm zugedacht worden war, solange er nur Musik machen konnte. Gerne beteuerte er während Interviews, dass er auf der Suche nach der ganz großen Liebe war, und benahm sich stets wie ein Musterknabe, wenn er dafür nur Musik machen konnte.

      Allein die Musik zählte für ihn.

      Scheiße, ihre letzte Platte war die momentane Nummer eins in den USA! Für diesen Erfolg spielte er gerne den Hampelmann und betete die Aussagen rauf und runter, die das Management ihnen vorsagte.

      Genau das raunte er seinen Bandkollegen zu, mit denen er in einem Kreis stand: „Denkt dran: Wir sind zurzeit die Nummer eins in den USA! Wir haben Jennifer Lopez und 50 Cent hinter uns gelassen. Wir sind gut. Wir rocken die Halle!“

      Jesse grinste breit. Coles Brust schwoll sichtbar an. Deans Augen funkelten vor Begeisterung. Und Zac klatschte in die Hände. „Worauf warten wir dann noch?“

      Nachdem sie sich gegenseitig umarmt, ihre jeweiligen Plätze eingenommen und einander ein letztes Mal zugenickt hatten, starrte Taylor auf den dunklen Vorhang vor sich und umschloss das Mikrofon mit seiner rechten Hand. Die Taktfolge des Intros ihres Eröffnungssongs dröhnte in seinen Ohren, und er konzentrierte sich auf seinen Einsatz, während der Vorhang rasant nach oben gezogen wurde. Vor ihm erschienen Tausende schemenhafte Gesichter, Blitzlichter und kreischende Teenager, als die Beleuchtung mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks einsetzte.

      Er schloss die Augen und sang die erste Strophe des Songs.

      Und dabei dachte er an nichts – außer daran, dass er schon immer nichts anderes gewollt hatte als das hier.

      1

       „Brad, Sie gehören zu den Nominierten für das Album des Jahres, und Branchenkenner rechnen Ihnen sehr gute Chancen aus, dass Sie heute Abend den Grammy mit nach Hause nehmen können. Darf ich Sie fragen, wie es Ihnen geht?“

      Brad Paxton präsentierte der Kamera sein strahlend weißes, perfektes Gebiss und schmunzelte, während er die Frau an seiner Seite näher an sich zog. Er sah fantastisch aus in seinem Smoking und mit dem kunstvoll zerzausten blonden Haar sowie den blauen Augen, die er liebevoll auf die Frau an seiner Seite gerichtet hatte. Die war eine rassige Schönheit mit einer dunkelbraunen lockigen Mähne, aparten Gesichtszügen und einem Körper, der sowohl in dem luxuriösen Abendkleid von Marchesa eine gute Figur machte als auch halb bekleidet auf diversen Hochglanzmagazinen wunderbar in Szene gesetzt werden konnte.

      Sie waren das absolute Traumpaar des Abends – das hatten bereits diverse TV-Sender, Kollegen und Fans in Interviews verkündet und über Twitter verbreitet. Er – der erfolgreiche, charismatische Sänger und Grammy-Anwärter und sie – das brasilianische Topmodel. Auf Instagram gab es sogar einen eigenen Hashtag. Eine Zusammensetzung ihrer beiden Namen: Brad und Camila.

      #Bramila

       „Vielen Dank der Nachfrage, Steve. Der heutige Abend ist sehr aufregend, und eigentlich sollte ich nervös sein, aber ehrlicherweise muss ich zugeben, dass Camila und ich viel zu müde sind, um besonders aufgeregt zu sein. Wir wollen diesen Abend vor allem genießen, schließlich kommen wir zurzeit nicht sehr oft aus dem Haus.“

      Der Moderator gab ein joviales Glucksen von sich. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie es war, als mein Sohn zwei Monate alt war. Damals haben meine Frau und ich pro Nacht nicht mehr als vier Stunden Schlaf bekommen. Aber Sie beide sehen großartig aus, wenn ich das sagen darf. Wie machen Sie das nur?“

      „Bei mir ist das Geheimnis eine dicke Schicht Feuchtigkeitscreme. Bei Camila sind es die Gene. Sie sieht immer fantastisch aus“, bekannte Brad mit einem seelenvollen Lächeln auf seine Frau, das vermutlich reihenweise die Herzen der Zuschauer zum Schmelzen brachte. Und als er die Hand seiner Frau an den Mund zog, um sie zu küssen und anschließend zu murmeln: „Ich bin ein sehr glücklicher Mann, denn unsere Tochter kommt ganz nach ihrer schönen Mutter“, verliebte sich sicherlich die eine oder andere Zuschauerin hoffnungslos in den Mann, der noch vor zwei Jahren gänzlich unbekannt gewesen war und sein Geld als kaum beachteter Backgroundsänger verdient hatte.

      „Alexis, schaust du dir wirklich diesen Mist an?“

      Alexis Gardner hob den Kopf und spähte über die Rückenlehne der Couch zu ihrer Schwester, die den Raum betrat und missbilligend den fünfundachtzig Zoll Fernseher betrachtete, auf dem Brad Paxton zu sehen war, der gerade seine Ehefrau küsste. Dass Holly ausgerechnet jetzt in Alexis’ Wohnzimmer auftauchte und Zeugin wurde, wie sie förmlich an den Lippen des neuen Superstars hing, während der seinen großen Auftritt mit seiner bildschönen Ehefrau hatte und stolz ein Foto seines bezaubernden Töchterchens in die Kamera hielt, war Alexis ein wenig peinlich. Eigentlich war es ihr sogar wahnsinnig peinlich, aber das hätte sie ihrer Schwester niemals verraten.

      Umschalten konnte sie jetzt auch nicht mehr. Das wäre zu offensichtlich gewesen.

      Wenn sie gewusst hätte, dass Holly zu Hause war, wäre sie genau dieser Situation aus dem Weg gegangen, indem sie im Schlafzimmer ferngesehen und die Tür abgeschlossen hätte. Dummerweise war sie davon ausgegangen, dass Holly mit ihren Freunden unterwegs war. Bei ihrer Schwester konnte sie sowieso nie sicher sein, was sie gerade tat, wo sie war oder ob sie bei Alexis auftauchte. Obwohl sie eine eigene Wohnung in West Hollywood hatte, verbrachte Holly nicht gerade wenig Zeit bei Alexis in Brentwood. Alexis wusste nicht, ob es daran lag, dass ihr Kühlschrank immer gut gefüllt war und dass sie einen Pool hatte, oder ob es daran lag, dass Holly ihr nach den letzten Monaten ein wenig unter die Arme greifen wollte.

      Normalerweise gefiel es ihr, Besuch von ihrer Schwester zu haben, denn in ihrem Haus konnte es sehr schnell sehr einsam werden, aber ausgerechnet heute wäre sie lieber allein gewesen. Sie hätte lieber ohne Zuschauer ihre Wunden geleckt und sich in Selbstmitleid gesuhlt.

      „Ich habe gerade erst umgeschaltet“, log sie und war stolz darauf, wie souverän und beiläufig sie klang.

      Holly verdrehte die Augen, schließlich war sie alles andere als auf den Kopf gefallen. „Natürlich, Alexis. Ich bin doch nicht bescheuert!“

      Alexis rümpfte die Nase und wich dem wissenden Blick ihrer Schwester aus. Gleichzeitig war sie froh, dass Holly nicht bereits vor zwei Minuten erschienen war, als sie sich einen verirrten Nacho aus dem BH gefischt und diesen gegessen hatte. Nun ja ... wenigstens hatte sie sich heute dazu aufgerafft, einen BH anzuziehen, was momentan nicht sehr oft vorkam.

      „Dieser Typ ist so ein verfickter Schleimer“, ließ sich Holly in ihrer wunderbar zurückhaltenden Art vernehmen und warf sich neben Alexis auf die Couch, wobei sie ein abfälliges Schnauben von sich gab und anschließend lauthals würgte, als der Mann auf der Leinwand bedeutungsvoll das Foto seiner Tochter küsste. „Das ist ja noch schlimmer als dieses unerträgliche Bild von ihm mit nacktem Oberkörper und dem Baby auf der spärlich behaarten Brust auf dem Instagram-Account seiner Trulla. Meiner Meinung nach sollte man nicht damit hausieren gehen, wenn man als Kerl zu wenig Testosteron besitzt.“

      Normalerweise hätte Alexis ihre Schwester wegen ihrer Ausdrucksweise gescholten. Als ältere vernünftige Schwester war es sozusagen ihre Aufgabe, ihre hitzköpfige kleine Schwester im Zaun zu halten. Aber sie tat es nicht, denn das Gefühl, dass Brad Paxton durch den Kakao gezogen wurde, war wahnsinnig tröstlich.

      Um Holly zu zeigen, wie dankbar sie ihr war, reichte sie ihr die Schale mit den überbackenen Nachos. Jedenfalls das, was noch übrig war. Zwar war es in letzter Zeit nicht so, dass Alexis eine Ausrede brauchte, um sich mit Junkfood vollzustopfen, aber heute Abend war der Frust der vergangenen Monate noch größer als sonst, was die Familienpackung mit Schokolade überzogener Marshmallows, die mit Käse überbackenen Nachos und die fettige Pizza erklärte, die ihr schwer im Magen lagen.