Poppy J. Anderson

Rockstar Love - Ein Song für Alexis


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erstes Album Left behind frenetisch gefeiert worden war und großartige Kritiken erhalten hatte, war Taylor davon ausgegangen, dank seiner Vorschusslorbeeren auch mit seinem zweiten Album Sunset Erfolg zu haben. Natürlich war ihm klar gewesen, dass ein paar der Songs eher mittelmäßig geworden waren – ohne nennenswerte Tiefen und individuellen Klang, aber ein paar andere Songs waren wahnsinnig gut gewesen. Leider hatte sich die Plattenfirma mit Only us für einen der Songs entschieden, die nur mittelmäßig gelungen waren, und ihn als erste Auskopplung des neuen Albums präsentiert.

      Verdammt, an jenem Album war so viel grottenschlecht und total beschissen gewesen. Angefangen bei den teilweise unerträglich kitschigen Songtexten bis zu den grauenvollen Coverfotos, auf denen er wie ein lächerlicher Schmusesänger aussah, der sich mit der Unterwäsche seiner Fans den Schweiß von der Stirn wischte. Man hätte ihn für den Nachfolger von Tom Jones halten können.

      Noch heute könnte sich Taylor selbst in den Arsch treten, dass er nicht einfach Nein gesagt und die Reißleine gezogen hatte. Es war gekommen, wie es hatte kommen müssen.

      Die Kritiker hatten sich wie die Hyänen auf ihn und auf das Album gestürzt.

      Niemanden hatte interessiert, wie gut sein erstes Album gewesen war und wie sehr seine eigenen Songs des zweiten Albums überzeugen konnten. Stattdessen war er über Nacht als One-Hit-Wonder gebrandmarkt worden, das sich sozusagen ausgeschrieben hatte und nach seinem ersten Album nichts Neues, nichts Innovatives und nichts Überzeugendes mehr vorzeigen konnte.

      Taylor war vom Senkrechtstarter, dem eine überragende Solokarriere vorhergesagt worden war, zum absoluten Flop abgestiegen. Und das so schnell, dass er erst Monate später begriff, was überhaupt passiert war.

      Zwar hieß es immer, dass die Musikindustrie schnelllebig war und man stets auf der Hut sein musste, um nicht auf der Strecke zu bleiben, aber Taylor hätte nie für möglich gehalten, dass ihm so etwas passieren könnte. Das beste Beispiel war die Party, auf der er sich momentan befand.

      Mit Anfang zwanzig war er in der Grammynacht von einer Party zur nächsten gefahren und hatte auf jeder Gästeliste gestanden. Auf wirklich jeder einzelnen. Damals hatte er auch nicht in einer Schlange stehen und einem Türsteher seine Einladung vorzeigen müssen, sondern war sehnlichst erwartet und bevorzugt eskortiert worden. Er und seine Bandkollegen. Dabei waren sie damals nicht einmal trocken hinter den Ohren gewesen. Und auch am Anfang seiner Solokarriere war er immer ein gern gesehener Gast gewesen, der hofiert worden war, wenn er eine Veranstaltung oder auch ein Restaurant in Los Angeles oder in New York betrat.

      Zehn Jahre später sagte sein Name kaum noch jemandem etwas, wenn er ihn erwähnte. SpringBreak waren schließlich nicht die Beatles gewesen. Und er war nicht Paul McCartney.

      Der heutige Abend war offensichtlich der absolute Tiefpunkt seiner bisherigen Karriere. Niemals zuvor hatte er eine Einladung zu einer Party erbetteln müssen, die sogar auf den ersten Blick ziemlich ernüchternd aussah. Nach außen machte das Restaurant, das für diesen Anlass gemietet worden war, zwar etwas her, aber wenn man genauer hinsah, bemerkte man, dass nicht etwa Grey Goose Vodka ausgeschenkt wurde, sondern billiger Fusel für ein paar Dollar die Flasche, dass die weiblichen Gäste keine echten Taschen von Chanel oder Gucci trugen, sondern billige Imitate, und dass beinahe alle Gäste hinter ihren Lächeln gehetzt und fast schon verzweifelt wirkten, weil sie sich von dieser Party mehr erhofften, als sie sein würde. Dabei musste man bereits bei den lustlosen Türstehern, dem verschlissenen roten Teppich, dem fehlenden Parkservice und der nicht existenten Warteschlange vor dem Eingang des Restaurants erkennen, dass diese Veranstaltung eine echte Zeitverschwendung war. Aus langjähriger Erfahrung konnte Taylor sagen, dass ein Event, bei dem keine hochwertigen Give-away-Tüten an die Gäste verteilt wurden, ein ziemlicher Reinfall war.

      Um ehrlich zu sein, ärgerte sich Taylor schon jetzt darüber, den heutigen Abend hier zu verbringen, anstatt zu Hause an seinen Songs zu arbeiten. Momentan hatte er nämlich einen ziemlichen Lauf und war mehr als zufrieden mit der Ausbeute der letzten Wochen. Dieses Album versprach, sehr gut zu werden, sofern er jemanden fand, der sich dazu bereit erklärte, es zu produzieren, wonach es momentan nicht aussah. Nach dem Flop mit seinem zweiten Album war er in der Branche verbrannte Erde. Mittlerweile war er sogar nicht einmal mehr das. Er war ein Niemand. Unter diesen Umständen war es schwierig, jemanden zu finden, der ihm eine Chance gab.

      In den vergangenen Jahren hatte sich Taylor damit über Wasser gehalten, für andere Künstler Songs zu schreiben, für diverse Plattenlabels Demotapes einzusingen und sogar – obwohl er mit diesem Job nicht hausieren ging – ein paar Werbejingles zu komponieren. Außerdem hatte er ein dickes finanzielles Polster aus seiner Zeit bei SpringBreak und als Solokünstler, denn Taylor hatte niemals Geld aus dem Fenster geworfen, indem er im Luxus gelebt hatte, schließlich war er Musiker geworden, weil er die Musik liebte, und nicht, weil er ein Star hatte werden wollen, der im Champagner badete.

      Taylor wollte auch nicht wegen des Geldes wieder im Aufnahmestudio stehen und ein Album herausbringen, sondern weil er sich rastlos und ohne Aufgabe fühlte. Er brauchte eine sinnvolle Beschäftigung, die ihn ausfüllte und die ihm Spaß machte. Außer der Musik fiel ihm nichts ein, was ihm dieses Gefühl gab.

      „Kenne ich dich nicht irgendwoher?“

      Mit einem unverbindlichen Lächeln drehte sich Taylor zu der hohen, fast schon quietschenden Stimme um, die dem winzigen Persönchen gehörte, das sich neben ihn gestellt hatte und ihn aus dick bemalten Augen anstarrte – und das viel zu jung aussah, um zu dieser Party eingeladen worden zu sein und legal Alkohol trinken zu dürfen. Jedenfalls ging er davon aus, dass die knallrote Flüssigkeit in dem Martiniglas aus Alkohol bestand.

      Auch wenn er nicht damit gerechnet hatte, am heutigen Abend interessante Gespräche zu führen, wollte er erst recht nicht mit einem Teenager plaudern und Gefahr laufen, von der Polizei verhaftet zu werden, weil man ihm vorwarf, die Kleine mit Alkohol versorgt zu haben. Er kannte genügend Leute aus der Branche, die auf diese Weise in der Klatschpresse gelandet und mit einem schlechten Ruf davongekommen waren. Nichtsdestotrotz antwortete er dem Mädchen: „Keine Ahnung. Das kann schon möglich sein.“

      Sie wirkte beeindruckt, warf sich in Pose und verkündete: „Ich heiße Estelle, aber ich überlege, mir einen Künstlernamen zuzulegen, mit dem ich bekannt werden kann.“

      Himmel! Taylor wusste nicht, ob er amüsiert oder besorgt sein sollte, denn Estelle gehörte zu den Mädchen, die voller Optimismus und Naivität eine Karriere anstrebten und über kurz oder lang auf die Nase fallen würden. Er wusste zwar nicht, aus welchem Provinznest sie kam, aber Los Angeles war ein hartes Pflaster. „Aha. Schön.“

      „Ehrlich.“ Die Kleine himmelte ihn förmlich an. „Du kommst mir total bekannt vor. Bist du ein Sänger?“

      „Das war ich – in einem früheren Leben“, entgegnete er trocken und schaute sich in der Hoffnung um, jemanden zu entdecken, den er begrüßen konnte, um dem Gespräch mit Estelle zu entkommen. Er war hier, um gesehen zu werden, weil sein Agent darauf bestand, und nicht, weil er auf der Suche nach einer schnellen Nummer war. Mit Mädchen in Estelles Alter hatte er zum letzten Mal gevögelt, als er im gleichen Alter gewesen war. Taylor fand Frauen attraktiv, mit denen er sich auch unterhalten konnte.

      Estelle kicherte. Offenbar fand sie ihn lustig.

      Taylor hätte beinahe eine Grimasse geschnitten, denn nur leicht zu beeindruckende Teenager konnten über diesen abgedroschenen Spruch kichern.

      „Ich bin auch Sängerin“, gestand sie ihm.

      „Faszinierend.“

      Für seinen Sarkasmus unempfänglich bekannte sie: „Ich bin erst seit ein paar Tagen in der Stadt und habe jetzt schon eine Einladung zu dieser Party bekommen. Jetzt hoffe ich, dass Lady Gaga hier auftaucht. Vielleicht bekomme ich sogar ein Autogramm.“

      Die einzige Frau, die hier auftauchen und Lady Gaga ähnlich sehen würde, wäre ein vom Veranstalter gebuchter Transvestit. „Mhm.“

      „Bist du mal bei American Idol aufgetreten?“ Estelle runzelte die Stirn und klebte dabei an seinen Lippen. „Ich wüsste zu gern, wo ich dich schon einmal gesehen habe.“