James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


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wandte sich von den Sprechern ab, und Effingham begann mit erstickter Stimme:

      »Er steht hier in einfachem Marmor; er sollte aber mit goldener Schrift eingegraben sein!«

      »Zeigt mir den Namen, Junge«, versetzte Natty mit kindischer Neugierde, »laßt mich sehen, wo meinem Namen solche Ehre widerfahren ist. Es ist ein edelmütiges Geschenk für einen Mann, der keinen seines Namens und seiner Familie zurückläßt in einem Lande, wo er so lange geweilt hat.«

      Effingham führte seine Finger an die Stelle, und Natty folgte mit tiefem Interesse bis ans Ende, worauf er sich von dem Grab erhob und sprach:

      »Es wird wohl recht sein, und jedenfalls ist’s ein freundlicher Gedanke! Doch was habt Ihr über die Rothaut schreiben lassen?«

      »Ihr sollt es hören:

      Dieser Stein gilt dem Gedächtnis eines Indianerhäuptlings aus dem Stamme der Delawaren, bekannt unter den verschiedenen Namen John Mohegan; Mohican – –«

      »Moheecan, Junge, so sprechen sie es selbst aus! – heecan.«

      »Mohican und Chingagook –«

      »Gach, Junge; – gachgook; Chingachgook, was in unserer Sprache Große Schlange bedeutet. Der Name muß richtig da hin; denn ein indianischer Name trägt immer eine Bedeutung in sich.«

      »Es soll geändert werden.

      Er war der letzte seines Volkes, der fortfuhr, dieses Land zu bewohnen; und man kann von ihm sagen, daß seine Fehler die eines Indianers und seine Tugenden die eines Menschen waren.«

      »Ihr habt nie ein wahreres Wort gesprochen, Herr Oliver. Ach wenn Ihr ihn gekannt hättet, wenn Ihr ihn, wie ich, in seiner Jugend und zur Zeit jener Schlacht gekannt hättet, als der alte Herr, der an seiner Seite ruht, ihm das Leben rettete, nachdem die Diebe, die Irokesen, ihn bereits an den Pfahl gebunden hatten, so würdet Ihr dasselbe und noch mehr sagen. Ich schnitt mit eigener Hand seine Riemen durch und gab ihm mein Messer und meinen Tomahawk; denn die Büchse war von jeher meine Lieblingswaffe. Nun schlug er wieder um sich wie ein Mann. Als er von diesem Zug heimkehrte, traf ich ihn mit elf Mingoskalpen an seinem Gürtel. Sie brauchen nicht zu schaudern, Madame Effingham; denn sie kamen alle von geschorenen Köpfen und von Kriegern. Wenn ich aber jetzt diese Berge betrachte, wo ich sonst hin und wieder zwanzig Rauchsäulen von den Lagern der Delawaren über den Baumwipfeln aufsteigen sah, so erfüllt es mein Herz mit Trauer, denken zu müssen, daß von ihnen allen auch nicht eine Rothaut übriggeblieben ist. Höchstens trifft man noch einen betrunkenen Landstreicher von den Oneidas oder etliche von den Yankee-Indianern, die dem Vernehmen nach von der Meeresküste heraufkommen und die, wie mir scheint, eigentlich nicht zu Gottes Geschöpfen gehören, da sie weder Fleisch noch Fisch sind weder Weiße noch Wilde. Doch sei’s drum. Die Zeit ist endlich gekommen, und ich muß gehen.«

      »Gehen?« wiederholte Edwards. »Und wohin wolltet Ihr gehen?« Lederstrumpf, der, ohne es zu wissen, vieles von den Eigenschaften der Indianer angenommen hatte, obgleich er sich den Delawaren gegenüber stets als ein zivilisierteres Wesen betrachtete, wandte sein Gesicht ab, um die Bewegung seiner Muskeln zu verbergen, indem er sich zugleich bückte, um ein großes Bündel hinter dem Grab hervorzuholen, das er ganz bedächtig auf seine Schultern legte.

      »Gehen?« rief Elisabeth, indem sie ihm rasch an die Seite trat. »Ihr solltet Euch als einzelner Mann nicht mehr so weit in die Wälder wagen; es ist in der Tat nicht klug. Er hat wohl im Sinn, Effingham, irgendeinen weiten Jagdzug zu machen?«

      »Was meine Frau Euch sagt, ist wahr, Lederstrumpf«, sprach Edwards. »Ihr habt’s ja durchaus nicht nötig, Euch jetzt noch solchen Mühseligkeiten auszusetzen. Werft daher Euer Bündel ab und beschränkt Eure Jagd auf die Berge in unserer Nähe, wenn Ihr schon nicht zu Hause bleiben mögt.«

      »Mühseligkeiten? Es ist eine Lust, Kinder, und die größte die mir noch diesseits des Grabes blüht.«

      »Nein, nein; Ihr dürft nicht so weit fort«, rief Elisabeth, ihre zarte, weiße Hand auf sein hirschledernes Gepäck legend. – »Es ist, wie ich sagte! Ich fühle seinen Feldkessel und seine Pulverbüchse. Wir dürfen nicht zugeben, daß er so weit von uns fortzieht, Oliver; bedenke, wie schnell Mohegan dahinstarb!«

      »Ich wußte wohl, daß das Scheiden schwer werden würde, Kinder, ich wußte es wohl«, entgegnete Natty. »Ich wollte daher nur noch nach den Gräbern sehen und dachte, wenn ich euch das Andenken zurückließe, das mir der Major gab, als wir uns das erstemal in den Wäldern trennten, so würdet ihr mir es nicht übelnehmen; denn ihr wißt ja, daß das Herz des alten Mannes bei euch zurückbleibt, mag auch sein Körper hingehen, wohin er will.«

      »Dem liegt etwas Ungewöhnliches zugrunde!« rief der Jüngling. »Wohin gedenkt Ihr zu gehen, Natty?«

      Der Jäger trat ihm zutraulich und mit einer Miene näher, als denke er, Gründe vorzubringen, die jeden weiteren Einwurf beschwichtigen müßten, indem er antwortete:

      »Ei nun, Junge, ich habe gehört, daß es an den Großen Seen die beste und ausgedehnteste Jagd gibt, ohne daß man auf einen andern Weißen als auf meinesgleichen träfe. Ich bin’s müde, in Lichtungen zu leben, wo der Hammer von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang in meinen Ohren tönt. Ich hänge zwar sehr an euch, Kinder – wenn’s nicht wahr wäre, so würde ich’s nicht sagen –, ich sehne mich aber, wieder in die Wälder zu gehen.«

      »In die Wälder?« wiederholte Elisabeth im Übermaß ihres Gefühls. »Nennt Ihr diese endlosen Forsten keine Wälder?«

      »Ach, Kind! Das ist nichts für einen Mann, der an die Wildnis gewöhnt ist. Ich habe keine behagliche Stunde mehr gehabt, seit Ihr Vater seine Ansiedler hierher führte; ich konnte aber nicht weit gehen, solange noch Leben in dem Körper war, der hier unter dem Rasen liegt. Doch jetzt ist er heimgegangen; auch Chingachgook ist dahin, und ihr beide seid jung und glücklich. Ja, den vergangenen Monat hat Heiterkeit in dem großen Hause geherrscht, und ich dächte, es wäre jetzt Zeit, auch mir für den Rest meiner Tage zu einem bißchen Behaglichkeit zu verhelfen. Jawohl da, Wälder! Wie kann ich das Wälder nennen, Madame Effingham, wo ich mich jeden Tag meines Lebens in den Lichtungen verliere?«

      »Wenn Euch noch etwas zu Eurer Bequemlichkeit fehlt, so nennt es, Lederstrumpf; wenn es herbeizuschaffen ist, so sollt Ihr es haben.«

      »Ich weiß, daß Ihr es gut mit mir meint, Junge, und auch von Ihnen bin ich’s überzeugt, Madame; aber eure Wege sind nicht meine Wege. Es geht uns da ganz wie den Toten hier, die zu ihren Lebzeiten glaubten, der eine müsse nach Osten, der andere nach Westen gehen, um seinen Himmel zu finden; am Ende treffen sie aber doch wieder zusammen, und so wird es auch bei uns gehen, Kinder. Ja macht fort, wie ihr angefangen habt, und wir werden uns endlich in dem Land der Gerechten wiedersehen.«

      »Das kommt so neu, so unerwartet«, sagte Elisabeth in fast atemloser Aufregung. »Ich dachte, Ihr hättet im Sinn, bei uns zu leben und zu sterben, Natty!«

      »Worte verfangen hier nicht«, rief Effingham. »Vierzigjährige Gewohnheiten lassen sich nicht durch die Bande eines Tages umwandeln. Ich kenne Euch zu gut, um weiter in Euch zu dringen, Natty, wollt Ihr uns aber nicht gestatten, daß wir Euch auf einem der fernen Berge eine Hütte bauen lassen, wo wir Euch hin und wieder besuchen und erfahren können, ob Euch nichts abgeht?«

      »Habt keine Sorge um Lederstrumpf, Kinder! Ich bin in Gottes Hand, der mich wohl zu einem glücklichen Ende führen wird. Ich verkenne eure gute Absicht nicht, doch unsere Weisen passen nicht zusammen. Ich liebe die Wälder, und ihr habt Freude an der Gesellschaft der Menschen; ich esse und trinke, wenn mich hungert oder dürstet, und ihr habt dafür bestimmte Stunden und Regeln. Ja, ja, Junge, Ihr überfüttert aus purem Wohlmeinen sogar die Hunde, und ein Jagdhund muß mager sein, wenn er gut laufen soll. Das geringste von Gottes Geschöpfen hat eine Bestimmung, und ich bin für die Wildnis geschaffen; wenn Ihr mich also liebt, so laßt mich hinziehen, wohin meine Seele verlangt!«

      Diese Aussprache war entscheidend, und kein Wort der Bitte wurde mehr gesprochen, um ihn zum Bleiben zu veranlassen. Elisabeth senkte zwar ihr Haupt auf die Brust, während ihr Gatte einige Tränen