aus dem er ein Päckchen Banknoten nahm und sie dem Jäger überreichte.
»So nehmt dies«, sagte er, »so nehmt wenigstens dies! Verwahrt sie wohl auf Eurem Körper, sie werden Euch in der Stunde der Not gute Dienste tun.«
Der alte Mann nahm das Papier und betrachtete es mit neugierigen Augen.
»Das ist also von dem neumodischen Geld, das sie in Albany aus Papier machen? Aber dem, der es nicht zu lesen versteht, kann es von keinem sonderlichen Wert sein. Nein, nein, Junge, – steckt es nur wieder zu Euch; denn mir würde es nichts nützen. Ehe der Franzose abreiste, hab’ ich seinen Pulvervorrat an mich gebracht, und wo ich hingehe, soll dem Vernehmen nach das Blei wachsen; ich brauche daher nichts weiter als Kugelpflaster, und dazu habe ich von jeher Leder genommen. Madame Effingham, lassen Sie einen alten Mann Ihre Hand küssen! Gottes bester Segen möge Sie und die Ihrigen begleiten!«
»Laßt mich Euch noch einmal bitten, hierzubleiben!« rief Elisabeth. »Geht nicht fort, Lederstrumpf; bringt mich nicht in Sorge wegen des Mannes, der mir zweimal das Leben rettete, und der denen, die ich liebe, so treue Dienste geleistet hat. Wenn Ihr’s nicht um Euretwillen tun wollt, so bleibt wenigstens um meinetwillen! Die schrecklichen Träume, die noch immer meine Nächte beunruhigen, werden Euch mir zeigen, sterbend in Kummer und Armut, an der Seite der schrecklichen Tiere, die Ihr getötet habt. Meine Einbildungskraft wird mir hinsichtlich Eures Schicksals alle Übel, die Krankheit, Mangel und Einsamkeit möglicherweise begleiten können, heraufbeschwören. Bleibt bei uns, alter Mann – wenn nicht um Eurer selbst, so doch um unsertwillen!«
»Solche Gedanken und so bittere Träume, Madame Effingham«, erwiderte der Jäger feierlich, »werden eine unschuldige Person nicht lange beunruhigen und mit Gottes Beistand bald verschwinden. Kommt Euch noch allenfalls so eine Pantherkatze im Schlaf vor Augen, so geschieht es nicht meinetwegen, sondern deshalb, um Sie auf die Macht zu verweisen, die es mir möglich machte, Sie zu retten. Vertrauen Sie auf Gott, Madame, und auf Ihren braven Gatten, so können die Gedanken an einen alten Mann, wie ich bin, weder lange währen noch schmerzlich sein. Ich will beten, daß der Herr Ihrer gedenke – der Herr, der über den Lichtungen wie über der Wildnis waltet – und Sie und alles, was zu Ihnen gehört, segne, von nun an bis zu dem großen Tag, da sich weiße und rote Häute vor seinem Richterstuhl treffen und das Gesetz der Gerechtigkeit, nicht das der Gewalt gilt.«
Elisabeth erhob das Haupt und bot ihm ihre farblose Wange zum Kuß, die er auch mit abgenommener Mütze achtungsvoll berührte. Dann ergriff der Jüngling mit krampfhafter Glut seine Hand, ohne daß er zu sprechen vermochte. Der Jäger zog seinen Gürtel fester an und traf seine Vorbereitungen zur Abreise, obgleich man nicht verkennen konnte, daß auch ihm der Abschied schwer wurde. Ein-oder zweimal versuchte er zu sprechen, aber die Laute blieben ihm in der Kehle stecken. Endlich warf er seine Büchse auf die Schulter und rief mit lauter Jägerstimme, die weithin durch die Wälder hallte: »Hierher, hierher – los, los, Hunde! – Ihr werdet müde Füße kriegen, ehe ihr am Ziel unserer Reise anlangt!«
Die Hunde sprangen bei diesem Ruf von der Erde auf, beschnupperten die Gräber und das schweigende Paar, als wüßten sie, was ihnen nunmehr bevorstehe, und folgten dann gehorsam ihrem Herrn auf der Ferse. Eine kurze Pause war eingetreten, während welcher sogar der Jüngling sein Gesicht an dem Grabstein seines Großvaters verbarg. Sobald jedoch der Stolz des Mannes die Gefühle der Natur bewältigt hatte, wandte er sich, um seine Bitten zu erneuern, bemerkte aber alsbald, daß er und seine Gattin allein an der Grabesstätte waren.
»Er ist fort«, rief Effingham.
Elisabeth erhob ihr Antlitz und sah den alten Jäger am Rand des Waldes stehen, wie er noch einen Moment zurückblickte. Sobald er wahrnahm, daß man ihm nachschaute, fuhr er sich mit der rauhen Hand hastig über die Augen und winkte ein Lebewohl, worauf er aufs neue seine Hunde rief, sie sich an seine Füße schmiegten, und im Forst verschwand.
Es war das letztemal, daß sie Lederstrumpf sahen, obgleich Richter Temple nach ihm spähen ließ und sogar in eigener Person an den Nachforschungen teilnahm. Er war weiter nach Westen gezogen, – der erste in der Schar der Ansiedler, welche der Volkswanderung den Weg quer durch unser Festland zeigten.
Der letzte Mohikaner