James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


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ein Mann, der weder müßig, noch auch, wie es schien, sehr unwissend war.

      Das Aeußere dieses Menschen machte einen höchst ungünstigen Eindruck, ohne daß jedoch eine besondere Mißgestaltung an ihm zu bemerken war. Er hatte alle Gebeine und Gelenke anderer Leute, aber keine Spur von Ebenmaß. Stand er, so überragte er alle Nachbarn, saß er, so schien er wieder auf die gewöhnliche Größe unseres Geschlechts reducirt. Derselbe Widerspruch in den Gliedern schien durch den ganzen Menschen zu herrschen. Sein Kopf war groß; seine Schultern eng; seine Arme lang und schlotternd; seine Hände dagegen klein und fast zart; seine Beine und Schenkel dünn, fast ausgemergelt, aber außerordentlich lang, und seine Knie wären unnatürlich plump erschienen, wenn sie nicht von den breiteren Grundlagen, auf welchen dieser falsche Bau verkehrter menschlicher Ordnungen ruhte, übertroffen worden wären. Der nicht zusammenpassende, geschmacklose Anzug des Individuums diente blos dazu, sein linkisches Wesen noch mehr hervorzuheben. Ein himmelblauer Rock mit kurzen, breiten Schößen und niederem Kragen gab einen langen, dünnen Hals und noch längere, dünnere Beine den schlimmsten Bemerkungen Uebelwollender preis. Seine untere Bekleidung bestand aus gelbem Nankin, der sich dicht am Leibe anschloß und an seinen Ungeheuern von Knieen mit breiten Schleifen weißer Bänder befestigt war, welche durch den Gebrauch ziemlich beschmutzt erschienen. Dunkle, baumwollene Strümpfe und Schuhe, an deren einem ein versilberter Sporn hervorstand, vollendete das Costüm der Niederungen seiner Gestalt: keine Krümmung oder Ecke war davon versteckt, im Gegentheil durch die Eitelkeit oder die Einfalt des Eigenthümers geflissentlich an’s Licht gestellt. Die unförmliche Tasche eines beschmutzten Kamisols von gewirkter Seide, mit verblichenen Silberborten schwerfällig verziert, ließ unter ihrer unförmlichen Klappe ein Instrument blicken, das in solch kriegerischer Umgebung leicht für ein unheilbringendes, unbekanntes Kriegsgeräth hätte genommen werden können. So klein es war, so hatte es doch die Neugierde der meisten Europäer in dem Lager erregt, obgleich man mehrere der Provinzialen dasselbe nicht blos ohne Furcht, sondern auch als etwas ganz Bekanntes handhaben sah. Ein großer, bürgerlicher, Hut, aufgestülpt, wie ihn in den letzten dreißig Jahren die Geistlichen trugen, ruhte über dem Ganzen, und verlieh Würde einem gutmüthigen, etwas leeren Gesicht, das solch künstlicher Hülfe sichtlich bedurfte, um das Gewicht eines hohen und ungewöhnlichen Amtes zu unterstützen.

      Während der gemeine Haufe sich in ehrerbietiger Entfernung von Webbs Quartiere hielt, ging unser Mann unbedenklich mitten unter den Dienern umher, indem er Lob oder Tadel über die Pferde ausdrückte, so wie sie ihm mißfielen oder seinen Beifall hatten.

      »Freund, ich möchte fast sagen, dieses Thier stammt nicht aus heimischer Zucht, sondern ist aus fremden Landen, vielleicht gar von der kleinen Insel über dem blauen Wasser gekommen?« sprach er in einem Ton, der sich ebensowohl durch seine Milde und Sanftheit, als seine Person durch ihre seltsamen Verhältnisse auszeichnete. »Ich kann von diesen Dingen sprechen, ohne eben zu prahlen: denn ich bin drunten an beiden Häfen gewesen, dem, welcher an der Mündung der Themse liegt und nach der Hauptstadt Altenglands benannt wird, und dem andern, der noch den Beisatz des »Neuen« führt, und hab’ gesehen, wie die Zweimaster und Brigantinen ihre Heerden, wie man’s einst bei der Arche that, zusammentrieben, da sie nach der Insel Jamaica mußten, um dort mit vierfüßigen Thieren Tausch-und andern Handel zu treiben; aber nie habe ich je ein Thier gesehen, das so sehr dem Schlachtroß in der Bibel gleicht, wie dieses: ›es scharrt in dem Thal und freut sich seiner Stärke: es stürmt heran, um den Geharnischten zu begegnen. Es ruft unter den Trommeten: ha, ha! und riecht die Schlacht von ferne, den Donnerruf der Führer und das Jauchzen.‹ Man sollte meinen, die Rosse Israels hätten sich bis auf unsre Zeit fortgepflanzt, nicht wahr, Freund?«

      Als er auf diese ungewöhnliche Anrede, die, mit aller Kraft voller und klangreicher Töne vorgebracht, wohl einige Aufmerksamkeit verdient hätte, keine Erwiederung erhielt, so wandte er, der jene Worte der heiligen Schrift entlehnt hatte, sich an die schweigende Gestalt, die er absichtslos angeredet hatte, und fand einen neuen und mächtigeren Gegenstand der Bewunderung in dem Wesen, das seinem Blicke begegnete. Seine Augen fielen auf die schweigsame, aufrechte und starre Gestalt des indianischen Läufers, der die unwillkommene Nachricht vom vorigen Abend ins Lager gebracht hatte. Obgleich der Wilde, im Zustande vollkommener Ruhe, dem Anschein nach mit charakteristischem Stoicismus die Aufregung und das Geräusch umher nicht beachtete, so lag doch in seiner Ruhe ein mürrischer Trotz, der die Aufmerksamkeit selbst erfahrenerer Augen auf sich gezogen hätte, als diejenigen waren, welche ihn jetzt mit unverholenem Erstaunen betrachteten. Der Eingeborne trug den Tomahawk und das Messer seines Stammes; und doch war sein Aussehen nicht ganz das eines Kriegers. Im Gegentheil sprach sich in seiner Erscheinung eine gewisse Nachlässigkeit aus, wie es schien, die Folge von kürzlicher großer Anstrengung, von der er sich noch nicht ganz erholt haben mochte. Die Farben auf seinem nach Kriegerart bemalten, wilden Gesichte waren in dunkler Verwirrung in einander geflossen und machten seine schwärzlichen Gesichtszüge noch wilder und abstoßender, als wenn die Kunst hervorzubringen versucht hätte, was hier der bloße Zufall gethan. Sein Auge allein, das gleich einem feurigen Stern unter finstern Wolken hervorblitzte, war in seiner natürlichen Wildheit zu schauen. Einen Augenblick nur begegnete sein forschender und doch vorsichtiger Blick dem verwunderten Auge des Andern, wandte sich dann theils aus Schlauheit, theils mit Verachtung ab und stierte dahin, als wollte es die fernen Lüfte durchdringen.

      Es läßt sich nicht wohl bestimmen, welche Bemerkung dieser kurze und schweigsame Augenverkehr zwischen zwei so seltsamen Menschen dem weißen Manne entlockt haben würde, wäre nicht seine Neugierde auf andere Gegenstände gerichtet worden. Eine allgemeine Bewegung unter den Dienern und leise Töne zarter Stimmen kündigten die Annäherung derjenigen an, deren Gegenwart allein es bedurfte, um den Zug in Bewegung zu setzen. Der schlichte Bewunderer des Schlachtrufes wich sogleich zu einer kleinen, magern Stute mit langem, dünnem Schwanze zurück, welche das welke Gras des Lagers in der Nähe hin und wieder abweidete. Mit dem Ellbogen auf die Decke gelehnt, die statt des Sattels diente, blieb er hier ein Zuschauer der Abreise, während ein Füllen auf der entgegengesetzten Seite des Thiers ganz ruhig seinen Morgenimbiß einnahm.

      Ein junger Mann in der Uniform eines Offiziers führte zwei Damen, welche, nach ihrem Anzug zu urtheilen, im Begriff waren, den Anstrengungen einer Reise in den Wäldern sich zu unterziehen, zu ihren Rossen. Eine, und wie es schien die jugendlichste, obgleich beide noch jung waren, vergönnte einen flüchtigen Blick auf ihr blendend weißes Gesicht, ihr schönes goldenes Haar und ihre lichten blauen Augen, indem sie die Morgenluft den grünen Schleier, der langsam von ihrem Biberhut herabfloß, kunstlos bei Seite wehen ließ. Das Roth, welches noch über den Fichten am westlichen Himmel verweilte, war nicht glühender noch zarter, als die Blüthe ihrer Wangen, und der anbrechende Tag nicht lieblicher, als das seelenvolle Lächeln gegen den Jüngling, der ihr in den Sattel half. Die andere Dame, welche gleichfalls die Aufmerksamkeiten des jungen Offiziers zu theilen schien, verbarg ihre Reize vor dem neugierigen Blicke der Soldateska mit einer Sorgfalt, die sich für vier oder fünf Jahre weiterer Erfahrung besser geschickt hätte. So viel konnte man jedoch sehen, daß sie, obschon von gleich ausgezeichnetem Ebenmaß, das durch ihren Reiseanzug Nichts an Grazie verlor, eher voller und ausgebildeter war, als ihre Begleiterin.

      Die Damen saßen nicht sobald zu Pferde, als ihr Begleiter sich leicht in den Sattel seines Schlachtrosses schwang. Alle drei verbeugten sich jetzt gegen Webb, welcher ihren Abgang höflich auf der Schwelle seiner Wohnung erwartete, und ihrer Rosse Häupter wendend, ritten sie in einem langsamen Paß, von ihrer Dienerschaft gefolgt, nach dem nördlichen Eingang der Verschanzungen.

      Auf dieser kleinen Strecke ließ sich unter ihnen kein Ton vernehmen: ein leichter Ausruf entfuhr aber der jüngern Dame, als der indianische Läufer unerwartet an ihr vorüberglitt und vor ihnen auf der Heerstraße dahin eilte. Obgleich diese plötzliche und überraschende Erscheinung des Indianers der andern keinen Laut entlockte, so öffnete doch ihr Schleier seine Falten und verrieth einen unbeschreiblichen Blick des Mitleids, der Verwunderung und des Entsetzens, während ihr schwarzes Auge den leichten Bewegungen des Wilden folgte. Die Locken dieser Lady waren glänzend schwarz, gleich dem Gefieder des Raben. Ihre Gesichtsfarbe war nicht braun, sondern eher in die Farbe des reichlichen Blutes getaucht, das seine Gränzen zu durchbrechen drohte. Und doch war hier nichts Unedles, kein Mangel an Schattirung in einem Gesichte, das ungemein regelmäßig, würdevoll und ausnehmend schön genannt werden konnte.