James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


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das Keinem auf die Dauer zu Theil werden sollte.

      Die Unfähigkeit seiner Heerführer draußen und der unglückliche Mangel an Energie in seinen Berathungen im Innern hatte Großbritannien von der stolzen Höhe, auf die es die Talente und der Unternehmungsgeist seiner früheren Kriegs-und Staatsmänner gebracht hatten, herabgestürzt. Nicht länger von seinen Feinden gefürchtet, verloren seine Diener bald auch das Vertrauen auf sich selbst. Bei diesem drückenden Zustand der Erniedrigung waren die Kolonisten, obgleich unschuldig an seiner Schwäche, und zu niedrig gestellt, um an solchen Mißgriffen Schuld zu haben, die natürlichen Opfer derselben. Sie hatten erst noch gesehen, wie ein auserlesenes Heer aus dem Lande, das sie bisher als Mutter verehrten und für unbesiegbar gehalten, unter den Befehlen eines Führers, der wegen seiner seltenen kriegerischen Verdienste aus einer Schaar erfahrener Kriegsmänner auserwählt worden, von einer Handvoll Franzosen und Indianer schimpflich zersprengt worden war, und vor völliger Vernichtung nur bewahrt wurde durch die kalte Besonnenheit eines virginischen Knaben, dessen Ruf, durch die Zeit gereift, sich seitdem, kraft des Eindruckes, dessen sittliche Größe nie verfehlt, bis an die äußersten Gränzen der christlichen Welt verbreitet hat. So war durch diesen unerwarteten Unstern die Gränze weithin blosgegeben und wesentlicheren Uebeln gingen tausend eingebildete und erträumte Gefahren voraus. Die bestürzten Kolonisten glaubten, das Geheul der Wilden mische sich in jeden Windstoß, der aus den endlosen Waldungen des Westens pfiff. Der furchtbare Charakter ihrer erbarmungslosen Feinde vermehrte noch die natürlichen Schrecken des Kriegs über alle Beschreibung. Zahllose neuere Gemetzel lebten noch in ihrer Erinnerung: auch war kein Ohr in den Provinzen so taub, das nicht begierig der Erzählung einer furchtbaren mitternächtlichen Mordscene gelauscht hätte, bei welcher die Eingebornen der Wälder in ihrer Grausamkeit eine Hauptrolle spielen mußten. Wenn der leichtgläubige, aufgeregte Reisende von den Gefahren der Wildniß erzählte, gerann dem Furchtsamen vor Schrecken das Blut in den Adern, und Mütter warfen ängstliche Blicke selbst auf Kinder, die im sichern Schooße der größten Städte schlummerten. Kurz, die Alles vergrößernde Furcht machte die Berechnungen der Vernunft zu Nichte, und diejenigen, welche sich ihrer Mannheit hätten erinnern sollen, zu Sklaven der niedrigsten Leidenschaft. Selbst die Zuversichtlichsten und Standhaftesten begannen zu glauben, daß der Ausgang des Kampfes zweifelhaft werden könnte, und stündlich vermehrte sich die Zahl jener Verächtlichen, welche schon alle Besitzungen der englischen Krone in Amerika von ihren christlichen Feinden erobert oder durch die Einfälle ihrer fühllosen Verbündeten verödet sahen.

      Als daher in dem Fort, welches das Südende des Trageplatzes zwischen dem Hudson und den Seen deckte, die Nachricht eintraf, daß Montcalm mit einem Heere, zahllos wie das Laub auf den Bäumen, den Champlain herauf komme, so wurde die Wahrheit derselben mehr mit dem verzagten Widerwillen der Furcht, als mit der ernsten Freude eingeräumt, die der Krieger fühlen sollte, wenn er den Feind in seinem Bereiche findet. Die Nachricht war an einem Sommerabend durch einen indianischen Läufer eingetroffen, durch den auch Munro, der Befehlshaber eines Festungswerkes an dem Ufer des »heiligen Sees,« um schleunige und kräftige Verstärkung bitten ließ. Es wurde bereits erwähnt, daß die Entfernung zwischen diesen beiden Punkten weniger als fünf Stunden betrug. Der rauhe Pfad, welcher ursprünglich ihre Verbindungslinie bildete, war für Wagen erweitert worden, so daß der Weg, für welchen der Sohn des Waldes nur zwei Stunden bedurfte, von einem Corps mit seinem erforderlichen Gepäck leicht zwischen dem Auf-und Untergang der Sonne an einem Sommertag zurückgelegt werden konnte. Die loyalen Diener der britischen Krone hatten die eine dieser Waldfesten William Henry und die andere Fort Edward, nach zwei beliebten Prinzen des regierenden Hauses, benannt. Der vorerwähnte schottische Veteran lag in der ersten mit einem Regiment regelmäßiger Truppen und einer Anzahl Provinzialen, einer Besatzung, die in der That zu schwach war, der furchtbaren Macht, mit welcher Montcalm seinen Verschanzungen nahte, die Spitze zu bieten. An letzterem stand jedoch General Webb, welcher die Heere des Königs in den Nordprovinzen befehligte, mit einem Corps von mehr denn fünftausend Mann. Durch Vereinigung der verschiedenen Detachements unter seinen Befehlen hätte dieser Offizier beinahe die doppelte Anzahl Kämpfer dem unternehmenden Franzosen, der sich mit einem nicht viel stärkern Heere so weit von seinen Reserven hervor gewagt hatte, entgegen zu stellen vermocht.

      Von ihrem Mißgeschick niedergedrückt, schienen Offiziere und Soldaten mehr geneigt, die Annäherung ihres furchtbaren Feindes innerhalb ihrer Festungswerke zu erwarten, als sich ihrem Vorrücken zu widersetzen und nach dem glücklichen Vorgang der Franzosen bei dem Fort du Quesne einen kühnen Angriff auf die Heranrückenden zu wagen.

      Nachdem sich die erste Bestürzung über diese Nachricht in etwas gelegt hatte, verbreitete sich durch das verschanzte Lager, das dem Rande des Hudson entlang eine Reihe von Außenwerken des Fortes selbst bildete, das Gerücht, ein auserlesenes Detachement von fünfzehnhundert Mann habe mit Tagesanbruch nach dem Fort William Henry, dem Posten auf dem nördlichen Ende des Bergrückens, abzugehen. Was anfangs blos Gerücht war, wurde bald zur Gewißheit, da aus dem Quartier des Oberbefehlshabers an die verschiedenen von ihm zu diesem Dienste ausersehenen Corps die Ordre erging, sich zum schleunigen Abmarsch bereit zu halten. Aller Zweifel über Webbs Absicht verschwand, und die nächsten paar Stunden sah man nichts, denn eilige Fußtritte und bängliche Gesichter. Der Neuling in der Kriegskunst flog von Punkt zu Punkt, seine eigenen Zubereitungen durch das Uebermaß eines ungestümen und etwas unordentlichen Eifers hemmend, während der erfahrenere Krieger seine Vorkehrungen mit einer Besonnenheit traf, die allen Anschein der Eile verschmähte, obwohl seine ernsten Züge und sein unruhiges Auge verriethen, daß er keine besondere Lust zu dem noch unversuchten, gefürchteten Krieg in der Wildniß in sich verspürte. Endlich sank die Sonne in einer Fluth von Glorie hinter die entfernten westlichen Hügel, und als die Finsterniß ihren Schleier um den abgeschiedenen Ort zog, verstummte allmählig das Geräusch der Zurüstung. Das letzte Licht verschwand endlich aus dem Blockhauszimmer eines Offiziers; die Bäume warfen tiefere Schatten auf die Wälle und den kräuselnden Strom, und bald herrschte in dem Lager so tiefe Stille, als in dem Walde umher.

      Gemäß den Befehlen der vorigen Nacht unterbrach das Wirbeln der Lärmtrommeln, deren schallendes Echo in der feuchten Morgenluft aus jeder Richtung der Wälder wiedertönte, den tiefen Schlaf des Heeres, als eben der Tag die rohen Umrisse einiger hohen Fichten in der Nähe an den Glanz eines milden, wolkenlosen östlichen Himmels zu zeichnen begann. Im Augenblick war das ganze Lager in Bewegung. Selbst der niedrigste Soldat sprang von seinem Lager auf, um Zeuge von dem Abmarsche seiner Kameraden und den aufregenden Vorfällen des Augenblicks zu seyn. Die kleine auserlesene Truppe hatte sich bald in Marschordnung aufgestellt. Während die regelmäßigen, geübteren Soldaten des Königs sich stolz auf den rechten Flügel zogen, nahmen minder anspruchsvolle Pflanzer ihre bescheidenere Stellung auf dem linken mit einer Gewandtheit ein, die lange Uebung ihnen zu eigen gemacht hatte. Die Patrouillen brachen auf, starke Bedeckungen zogen vor und hinter den schwerfälligen Gepäckwagen, und ehe das graue Zwielicht den Strahlen der Sonne gewichen war, schwenkte sich das Hauptcorps der Streiter in eine Kolonne und verließ das Lager mit einem Anschein militärischen Stolzes, welcher die schlummernden Besorgnisse manches Neulings beschwichtigte, der seine erste Waffenprobe machen sollte. So lange sie im Angesichte ihrer sie bewundernden Kameraden waren, behielten sie dieselbe stolze Haltung, dieselbe Ordnung bei, bis die Töne ihrer Querpfeifen immer mehr verklangen und der Wald endlich die lebendige Masse zu verschlingen schien, welche er eben langsam in seinem Schooß aufgenommen hatte.

      Die tiefsten Töne der sich entfernenden und bereits dem Blicke entschwundenen Kolonne erreichten nicht mehr das Ohr der Horcher, und die letzten Nachzügler waren schon den Augen entrückt. Aber immer noch sah man Anstalten zu einer andern Abreise vor einem Blockhause von ungewöhnlichem Umfang und mit größeren Bequemlichkeiten, vor welchem Schildwachen, die, wie man wußte, die Person des englischen Generals zu bewachen hatten, auf-und abgingen. Auf dieser Stelle stand ein Halbdutzend Pferde beisammen, von denen zwei, nach ihrem Sattelzeug zu urtheilen, für Frauen von einem Rang bestimmt zu seyn schienen, den man sonst nicht so weit in den Wildnissen des Landes zu treffen gewohnt war. Ein drittes trug das Geschirr und die Wappen eines Stabsoffiziers, während die andern, mit einfachen Decken und mit Reisetaschen beschwert, offenbar für Diener bestimmt waren, welche bereits der Winke ihrer Herrschaften gewärtig standen. In ehrerbietiger Entfernung von dieser Scene sah man verschiedene Gruppen neugieriger Zuschauer stehen, von denen Einige die Race und den Wuchs des feurigen Schlachtrosses