abgesandt, die Flanke der Franzosen zu umgehen und die Nachricht von ihrem Unstern über den Bergrücken hin nach dem Fort am Hudson zu überbringen. Gerade dort, wo Ihr die Bäume auf der Anhöhe emporwachsen seht, traf ich auf ein Hülfscorps und führte es nach der Stelle, wo der Feind just sein Mittagsmahl hielt und sich Nichts weniger träumen ließ, als daß sein blutiges Tagewerk nicht zu Ende sey.«
»Und Ihr überfielet sie?«
»Wenn der Tod ein Ueberfall für Leute ist, die blos darauf denken, den Magen zu füttern. Wir ließen ihnen keine Zeit zum Besinnen; denn sie hatten uns in dem Strauße am Morgen auch übel mitgespielt, und nur Wenige unter uns waren, die nicht einen Freund oder Verwandten unter ihren Händen verloren hatten. Als Alles vorbei war, wurden die Todten, und einige sagen, sogar die Sterbenden in den kleinen Teich dort geworfen. Mit diesen meinen Augen sah ich das Wasser so mit Blut gefärbt, wie nie eines aus den Eingeweiden der Erde floß.«
»Ein passendes und, wie ich hoffe, friedliches Grab für einen Soldaten! Ihr habt also auf dieser Gränze viele Treffen mitgemacht?«
»Ich?« sprach der Kundschafter, indem er sich mit einem Ausdrucke militärischen Stolzes zu seiner vollen Höhe erhob; »‘s gibt nicht viele Echos unter diesen Hügeln, die nicht den Knall meiner Büchse nachgerufen, und wenig Geviertmeilen zwischen dem Horican und dem Flusse, wo nicht mein ›Wildtödter‹ einem lebendigem Geschöpfe, sei’s nun einem Feind oder einem Thiere, den Garaus machte. Ob das Grab da drunten so ruhig ist, wie Ihr meinet, ist eine andre Frage. Es gibt Leute im Lager, die sagen und meinen, wenn ein Mann ruhig im Grab liegen soll, so dürfe man ihn nicht darein legen, wenn noch Leben in seinem Leibe sey; und so viel ist gewiß, daß die Aerzte nur wenig Zeit hatten, zu bestimmen, wer todt oder lebendig war. St! Seht Ihr Nichts am Ufer des Teichs auf-und niedergehen?«
»Es ist nicht wahrscheinlich, daß sich Jemand so heimathlos, wie wir, in diesem öden Wald befinde.«
»So einer, wie der, fragt vielleicht wenig nach Haus und Obdach, und der Nachtthau thut Dem Nichts, der den Tag in dem Wasser zubringt,« entgegnete der Kundschafter, Heyward mit so krampfhafter Heftigkeit an der Schulter ergreifend, daß dieser mit Schmerzen inne ward, wie sehr abergläubische Furcht in einem sonst so unerschrockenen Manne die Oberhand gewinnen konnte.
»Bei Gott! es ist eine Menschengestalt und kommt auf uns zu! Die Waffen bereit, meine Freunde! Wir wissen nicht, mit wem wir’s zu thun haben.«
»Qui vive?« fragte eine strenge, rasche Stimme, die wie ein Ruf aus einer andern Welt von jener einsamen und unheimlichen Stelle herüberklang.
»Was will er?« flüsterte der Kundschafter; »er spricht weder indianisch noch englisch.«
»Qui vive?« wiederholte dieselbe Stimme, und dem Rufe folgte ein Rasseln der Waffen und eine drohende Stellung des Trägers.
»France,« rief Heyward, aus dem Schatten der Bäume auf das Ufer des Teiches und in die Nähe der Schildwache hervortretend.
»Woher kommt Ihr? wohin wollt Ihr so früh?« fragte der Grenadier in der Sprache und mit dem Accent eines Mannes aus Altfrankreich.
»Ich komme vom Rekognosciren und will mich wieder niederlegen«
»Seyd Ihr ein Offizier des Königs?« –
»Natürlich, Kamerad; hältst du mich für einen Provincialen? Ich bin Hauptmann bei den Jägern.« (Heyward wußte wohl, daß der Andre von einem Linienregimente war.) »Ich habe die Töchter des Kommandanten der Festung bei mir. Sicher hast du davon gehört – ich nahm sie in der Nähe des andern Forts gefangen, und bringe sie zum General.«
»Meiner Treu! meine Damen, das ist mir leid für Sie!« rief der junge Soldat, seine Mütze mit Anstand berührend: »Aber so geht’s im Krieg. Sie werden finden, welch braver Mann unser General ist und wie artig gegen Frauen. »Das ist das Auszeichnende eines ächten Kriegsmannes,« versetzte Cora mit bewundernswürdiger Geistesgegenwart und ebenfalls französisch – »lebe wohl, Freund, ich wünschte dir wohl einen angenehmern Beruf zu erfüllen!« Der Soldat salutirte sie höflich für ihre Artigkeit. Nach einem »Gute Nacht, Freund!« von Heyward zogen die Reisenden bedächtig weiter. Die Schildwache, welche wieder am Ufer des Teichs auf und niederging und sich nicht einfallen ließ, daß ein Feind so frech herbeikommen könnte, trillerte beim Anblick der Frauen, der vielleicht Erinnerungen aus seinem fernen und schönen Frankreich in ihm erweckte, die Strophen eines Liedes, das mit den Worten anfängt:
Vive le vin, vive l’amour, ete.
»Das war gut, daß Ihr den Schelm verstandet!« flüsterte der Kundschafter, als sie sich ein wenig entfernt hatten, und ließ seine Büchse in die Biegung seines Armes sinken; »ich sah gleich, daß es einer von den unruhigen Franzmännern war; und er that wohl daran, daß er so freundlich sprach, sonst hätte er unter die Gebeine seiner Landsleute gebettet werden können.«
Hier wurde er von einem langen und heftigen Stöhnen unterbrochen, das aus dem kleinen Wasserbecken kam, als ob die Geister der Hingeschiedenen um ihr Wassergrab spukten.
»Gewiß hatte Der Fleisch und Bein,« fuhr der Kundschafter fort; »kein Geist hätte sein Gewehr so fest handhaben können.«
»Hatte Fleisch und Bein; ob aber der arme Schelm noch dieser Welt angehört, muß ich wohl bezweifeln,« erwiederte Heyward, als er, um sich blickend, Chingachgook in ihrem kleinen Zuge vermißte. Ein zweites Stöhnen, schwächer als das erste, folgte auf einen lauten, unheimlichen Sturz in das Wasser, und Alles ward wieder still, als ob die Ufern dieses düstern Teiches seit der Schöpfung nie in ihrer Ruhe gestört worden wären. Während sie noch in Ungewißheit waren, sahen sie die Gestalt des Indianers aus dem Dickichte gleiten. Als der Häuptling wieder zu ihnen herankam, befestigte er den noch rauchenden Skalp des unglücklichen jungen Franzosen an seinem Gürtel und steckte auf der andern Seite das Messer und den Tomahawk, mit seinem Blut gefärbt, an ihre Stelle. Chingachgook nahm seinen gewöhnlichen Platz mit der Miene eines Mannes wieder ein, der ein verdienstliches Werk verrichtet zu haben glaubte. Der Kundschafter ließ das eine Ende seiner Büchse auf die Erde sinken, und mit den Händen auf das andere gestützt, stand er eine Weile in tiefem Nachdenken. Dann schüttelte er traurig den Kopf und murmelte vor sich hin: »Von einer Weißhaut wär’ das ‘ne grausame, unmenschliche Handlung gewesen; aber für den Indianer lag sie in der Natur: das läßt sich, glaube ich, nicht wohl läugnen. Lieber wollt’ ich, ‘s wär’ einem verfluchten Mingo begegnet, als dem lustigen Jungen aus den alten Landen!«
»Genug,« sprach Heyward, besorgt, die arglosen Schwestern möchten diesen Grund des Aufenthalts errathen, während er seinen Abscheu durch ähnliche Betrachtungen, wie der Jäger, niederkämpfte; »es ist einmal geschehen und läßt sich nicht mehr ändern, obgleich es besser unterblieben wäre. Wir sind, wie Ihr sehet, offenbar in die Vorpostenlinie der Feinde gerathen. Welchen Weg gedenkt Ihr nun einzuschlagen?«
»Ja,« versetzte Hawkeye, sich wieder erhebend, »ja, so ist es, wir dürfen ‘s uns nicht verfehlen. Die Franzosen haben das Fort wirklich in allem Ernste eingeschlossen, und eine kitzliche Sache ist es, da durchzukommen.«
»Und nur wenig Zeit bleibt uns dazu!« fügte Heyward bei, indem er seine Augen auf die Dunstmasse heftete, die den niedergehenden Mond verbarg.
»Und nur wenig Zeit dazu!« wiederholte der Kundschafter. »Die Sache läßt sich mit Hülfe der Vorsehung auf zweierlei Weise angreifen, einen dritten Ausweg weiß ich nicht.«
»Nennt sie schnell! Die Zeit drängt.«
»Die Eine wäre, wir ließen die Frauenzimmer absteigen, ihre Thiere auf der Ebene weiden, schickten die Mohikaner voraus, brächen eine Bahn durch die Schildwachen und zögen über deren Leichen in das Fort ein.«
»Das geht nicht – das geht nicht!« unterbrach der edelmüthige Heyward: »ein Soldat könnte sich vielleicht so durchschlagen, aber nicht in solcher Begleitung.«
»Es wäre allerdings ein blutiger Pfad, auf dem die zarten Füße geben müßten,« erwiederte mit ähnlichem Widerstreben der Kundschafter: »aber ich glaubte, ihn als Mann nennen zu sollen. Im andern