Montcalms Sold die Fährte dazu nicht finden sollen.«
»Thun wir das und zwar augenblicklich!«
Weitere Worte waren nicht von Nöthen: denn Hawkeye kehrte mit dem einzigen Rufe: »Mir nach!« auf demselben Wege zurück, auf dem sie in diese mißliche und selbst gefährliche Lage gerathen waren. Stillschweigend und vorsichtig gingen sie vorwärts, ohne das geringste Geräusch: denn mit jedem Augenblicke mußten sie befürchten, einer Rundwache oder einem Piquet von Feinden zu begegnen. Während sie still an dem Rande des Teiches vorübergingen, warfen Heyward und der Kundschafter verstohlene Blicke in das unheimliche Dunkel. Vergeblich suchten sie die Gestalt, die so eben noch an seinen stillen Ufern einhergewandelt war, während ein leises und regelmäßiges Anschlagen der kleinen Wellen zeigte, daß die Wasser sich noch nicht wieder beruhigt hatten: ein schreckhaftes Zeugniß für die blutige That, die so kurz zuvor in ihrem Bereiche verübt worden war. Gleich der ganzen flüchtigen und düstern Scene schwand auch das niedrige Wasserbecken schnell in die Finsterniß dahin und vermischte sich mit der Masse schwarzer Gegenstände im Rücken der Reisenden.
Hawkeye wich bald von der Richtung, der sie bisher auf ihrem Rückwege gefolgt waren, ab, sich aufwärts gegen die Berge wendend, welche die westliche Gränze der engen Ebene bildeten, und führte mit schnellen Schritten seine Begleiter tief in die Schatten, die von den hohen und steilen Gipfeln der Berge fielen. Der Weg wurde jetzt beschwerlich, da der Boden bald in ungeheure Felsmassen emporlief, bald von tiefen Schluchten durchschnitten war, so daß ihr Zug verhältnißmäßig nur langsam sich fortbewegte. Rauhe, schwarze Gipfel umgaben sie von jeder Seite und entschädigten sie zum Theil für die größere Anstrengung durch das Gefühl von Sicherheit, welches sie einflößen. Endlich begannen sie einen steilen, rauhen Abhang hinanzuklimmen, auf einem Pfade, der sich zwischen Felsen und Bäumen hinwand, die einen umgehend, von den andern unterstützt, in einer Weise, die kundgab, daß sie von Männern herrührte, lange erfahren in den Vortheilen der Wildniß. So wie sie sich allmählig über den Thalgrund erhoben, begann die dichte Finsterniß, die gewöhnlich dem nahenden Tage vorangeht, sich zu zerstreuen, und die Gegenstände in der Ebene erschienen in den klaren und deutlichen Farben, die ihnen die Natur verliehen hatte. Als sie aus dem Gehölz verkrüppelter Bäume, die sich um die fahlen Wände des Gebirges zogen, auf einen flachen, moosbewachsenen Felsen, der den Gipfel bildete, hervortraten, begrüßte sie der Morgen, seinen röthlichen Glanz über den grünen Fichten eines Hügels zeigend, der auf der entgegengesetzten Seite des Horicanthales lag. Der Kundschafter ließ jetzt die Schwestern absteigen, nahm den ermüdeten Thieren Zaum und Sattel ab, und ließ sie in voller Freiheit das Gestrüpp und die kärglich vorhandenen Kräuter dieser hohen Region abweiden.
»Geht,« sagte er, »sucht euer Futter, wo die Natur es euch anweist, und nehmt euch in Acht, daß ihr nicht selbst aus diesen Hügeln ein Futter der Wölfe werdet.«
»Bedürfen wir ihrer nicht weiter?« fragte Heyward.
»Seht und urtheilt mit eigenen Augen,« antwortete der Kundschafter, indem er an den östlichen Rand des Berges trat und den Andern winkte, ihm dahin zu folgen; »wenn es so leicht wäre, in das Herz des Menschen zu blicken, als man von diesem Punkte aus erspähen kann, was mitten in Montcalm’s Lager vorgeht, so gäb’ es wenig Heuchler, und die Arglist der Mingos wäre im Vergleich mit der Ehrlichkeit eines Delawaren verlorenes Spiel.«
Als die Reisenden den Rand des Absturzes erreichten, sahen sie mit einem Blicke, daß der Kundschafter nicht Unrecht gehabt hatte, und bewunderten seine Vorsicht in der Wahl dieses Platzes.
Der Berg, auf dem sie standen, erhob sich vielleicht tausend Fuß über die Niederung, gleich einem ungeheuern Kegel, und trat ein wenig aus der Reihe hervor, die sich meilenweit an den westlichen Ufern des See’s hinzieht, bis er, seinen Schwestergipfel jenseits der Wasser erreichend, in verworrenen, schroffen Felsmassen, schwach mit Immergrün bedeckt, bis gegen Canada ausläuft. Unmittelbar unter ihren Füßen beschrieb das Südufer des Horican einen großen Halbkreis von einem Berge zum andern, und bildete ein weites Gestade, das sich in eine unebene und hochgelegene Fläche erhob. Gegen Norden erstreckte sich der klare und, wie es von dieser schwindligen Höhe erschien, schmale Spiegel des heiligen See’s, in unzählige Buchten ausgezackt, durch fantastische Formen von Vorgebirgen verschönert und mit zahllosen Inseln besäet. In der Entfernung von einigen Stunden verlor sich das Bett des Sees zwischen Bergen oder wurde durch eine Dunstmasse bedeckt, welche von einer leichten Morgenluft langsam über seine Fläche hergetrieben ward. Aber eine enge Oeffnung zwischen den Kämmen des Gebirges deutete den Ausgang an, durch welche er seinen Weg weiter gegen Norden fand, um seinen klaren und weiten Spiegel noch einmal auszubreiten, ehe er dem seinen Champlain seinen Tribut bezahlte. Gegen Süden erstreckte sich das Defilé oder vielmehr die bewaldete Ebene, die so oft schon erwähnt worden ist. Einige Stunden lang, aber noch innerhalb Sehweite, senkten sich die Berge, scheinbar ungerne ihre Herrschaft aufgebend, und liefen in die niedrigen Sandflächen aus, über welche wir unsere Abenteurer auf ihrer zweifachen Reise begleitet haben. An beiden Bergreihen hin, welche die gegenüberliegenden Seiten von See und Thal begränzten, stiegen Dunstwolken in Schneckenwindungen von den unwirthbaren Wäldern, wie Rauch aus verborgen liegenden Hütten empor, oder trieben langsam an den Abhängen hinab, um sich mit dem Nebel der Niederungen zu verbinden. Eine einzelne schneeweiße Wolke schwamm über dem Thal und bezeichnete die Stelle, unter welcher der stille Blutteich lag.
Gerade am Ufer des See’s, etwas mehr gegen den westlichen, als den östlichen Rand hin, lagen die ausgedehnten Erdwälle und die niedrigen Gebäude von William Henry. Zwei der Hauptbastionen schienen aus dem Wasser, das ihren Fuß bespülte, aufzutauchen, während ein tiefer Graben und ausgedehnte Sümpfe die anderen Seiten und Winkel vertheidigten. Das Land war auf eine beträchtliche Strecke rings um die Festungswerke der Bäume beraubt, sonst aber lag der ganze Schauplatz in dem grünen Kleide der Natur: ausgenommen da, wo die klaren Gewässer den Gesichtskreis begränzten, oder steile Felsen ihre schwarzen, kahlen Häupter über die Wellenlinien der Gebirgsketten erhoben. Vor dem Fort waren hin und wieder Schildwachen zu sehen, welche ihre zahlreichen Feinde aufmerksam zu beobachten schienen, und innerhalb der Walle erblickten die Reisenden Soldaten, nach durchwachter Nacht in Schlummer versunken. Gegen Südosten, aber in unmittelbarer Berührung mit dem Fort, stand ein verschanztes Lager auf einer Felsenanhöhe, einem Punkte, den man weit geeigneter für das Fort selber gewählt hätte. Hier zeigte ihnen Hawkeye jene Hülfstruppen, welche erst kürzlich in ihrer Gesellschaft den Hudson verlassen hatten. Aus den Wäldern, ein wenig weiter gegen Süden, stiegen zahlreiche schwarze und finstere Rauchsäulen auf, die man von den reinern Ausdünstungen der Quellen leicht unterscheiden konnte: nach der Aussage des Kundschafters sichere Zeichen, daß der Feind sich dort in Masse gelagert hatte.
Das Schauspiel, welches sich am Westufer des See’s, dem südlichen ganz nahe, darbot, nahm die Aufmerksamkeit des jungen Soldaten vor Allem in Anspruch. Auf einem Streifen Landes, welcher von seinem Standpunkt aus zu schmal schien für ein so beträchtliches Truppencorps, sich aber wirklich mehrere tausend Fuß von den Ufern des Horican bis an den Fuß des Berges erstreckte, sah man weiße Zelte und Kriegswerkzeuge für ein Lager von zehntausend Mann. Bereits waren vorne Batterien aufgeführt, und während die Zuschauer mit so verschiedenen Empfindungen auf eine Scene herabblickten, die einer Landkarte gleich vor ihren Füßen ausgebreitet lag, erscholl bereits der Donner einer Artilleriesalve aus dem Thale herauf und tönte von Echo zu Echo durch die östlichen Berge hin.
»Da unten fängt’s nachgerade an zu tagen,« sagte der bedächtige und besonnene Kundschafter, »und die Wachenden wollen die Schläfer mit Kanonendonner wecken. Wir sind um ein Paar Stunden zu spät. Montcalm hat bereits die Wälder mit seinen vermaledeiten Irokesen angefüllt.«
»Der Platz ist in der That eingeschlossen,« bemerkte Duncan: »Aber bleibt uns denn gar kein Mittel, hineinzukommen? Besser noch, innerhalb der Werke gefangen genommen zu werden, als den herumschwärmenden Indianern in die Hände zu fallen.«
»Seht!« rief der Kundschafter, die Aufmerksamkeit Cora’s unwillkürlich auf das Quartier ihres eigenen Vaters richtend, »wie dieser Schuß die Steine aus dem Haus des Kommandanten emporschlug! Ja, diese Franzosen werden es, so solid und massiv es ist, in kürzerer Zeit zusammenschießen, als es aufgebaut wurde.«
»Heyward, ich