dem Kind die Bitte zu versagen.« »Ihr würdet schwerlich noch mit einem Haar auf dem Kopf in das Zelt des Franzmannes kommen!« entgegnete der derbe Jäger. »Wenn ich nur eines der tausend Boote hätte, die leer am Ufer stehen, dann ließ’ es sich noch machen. Ha! da wird’s bald mit ihrem Feuern ein Ende haben: dort kommt ein Nebel, der den Tag zur Nacht machen muß, in der ein Indianerpfeil gefährlicher als eine Kanone wird. Jetzt, wenn Ihr’s euch getraut und mir folgen wollt, will ich’s versuchen: denn es verlangt mich recht ins Lager hinab, und wär’s auch nur, um die Mingohunde, die ich da drunten in dem Birkendickicht lauern sehe, auseinanderzutreiben.«
»Wir sind bereit,« antwortete Cora muthig: »einem solchen Ziele entgegen trotzen wir jeglicher Gefahr!«
Der Kundschafter wandte sich mit dem Lächeln aufrichtigen und herzlichen Beifalls zu ihr um und antwortete:
»Ich wollt’, ich hätte tausend Mann mit sehnigen Armen und scharfen Augen, die den Tod so wenig fürchteten, als Ihr! Ich wollte diese schnatternden Franzosen, eh’ noch ‘ne Woche um wäre, in ihr Nest zurückgejagt haben, daß sie heulen sollten, wie Hunde an der Kette, oder wie hungrige Wölfe. Aber voran!« fuhr er gegen die Uebrigen fort, »der Nebel kommt so schnell, daß wir ihn kaum noch auf der Ebene treffen, um unsern Zug zu decken. Aber denkt daran, daß Ihr, falls mir was Menschliches begegnet, den Wind immer auf der linken Wange behaltet–oder folgt den Mohikanern, die fänden ihren Weg so gut bei Nacht als bei Tag.«
Er winkte ihnen jetzt mit der Hand, ihm zu folgen, und eilte mit freiem, aber vorsichtigem Tritte den steilen Abhang hinab. Heyward unterstützte die Schwestern, und in wenig Minuten waren sie am Fuße des Berges, den sie mit so viel Mühe und Anstrengung erklommen hatten.
Der von Hawkeye eingeschlagene Weg brachte die Reisenden bald auf die Ebene, einem Ausfallthor an dem westlichen Mittelwalle des Forts gegenüber, ungefähr eine halbe (englische) Meile von dem Punkte entfernt, wo er innehielt, um Duncan Zeit zu lassen, mit seinen Begleiterinnen nachzukommen. Von Ungeduld getrieben und durch die Beschaffenheit des Bodens begünstigt, waren sie dem Nebel, der nur langsam über den See herabkam vorausgeeilt, und mußten deshalb warten, bis er das Lager in seinen dichten Mantel eingehüllt hatte. Die Mohikaner benutzten den Aufschub, aus den Wäldern zu schleichen und die Umgebungen auszuspähen. Ihnen folgte in einiger Entfernung der Kundschafter, um früher zu erfahren, was sie gesehen hätten, und selbst über die Oertlichkeit seine Beobachtungen anzustellen. In wenig Minuten kehrte er zurück, roth vor Aerger, und machte seinem Unmuth in folgenden Worten Luft:
»Hier haben die pfiffigen Franzosen ein Piquet uns gerade auf den Weg gestellt,« sprach er; »Rothhäute und Weiße; und wir können im Nebel eben so gut mitten unter sie gerathen, als an ihnen vorbei kommen.«
»Können wir keinen Umweg machen, um der Gefahr zu entgehen?« fragte Heyward, »und später wieder, wenn wir vorbei sind, auf unsern Weg zurückkommen?«
»Wenn einer im Nebel einmal von der geraden Linie abweicht, wie kann er wissen, wann und wie er sie wieder finden soll? Die Nebel des Horican sind nicht wie die Ringe aus des Schmauchers Pfeife, oder der Rauch eines Musketenschusses!«
Er sprach noch, als sich ein furchtbarer Knall vernehmen ließ, eine Kanonenkugel in das Dickicht und den Stamm eines jungen Baumes schlug und von der Erde zurückprallte, da ihre Kraft durch den frühern Widerstand gebrochen war. Die Indianer langten fast zur selben Zeit mit dem schrecklichen Boten an und Uncas begann unter lebhaften Geberden eifrig in der Sprache der Delawaren zu reden.
»So wird es gehen, Junge,« murmelte der Kundschafter, als Jener ausgesprochen hatte; »hitzige Fieber kann man nicht wie Zahnweh behandeln. So kommt denn! der Nebel stellt sich ein.« »Halt!« rief Heyward; »sagt mir vorher, was Ihr glaubt hoffen zu dürfen.«
»Das ist gleich gesagt; es ist nur wenig, aber etwas ist besser als Nichts. Der Schuß, den Ihr sahet,« fuhr der Kundschafter fort, indem er das harmlose Eisen mit dem Fuß anstieß, »hat die Erde auf seinem Wege von dem Fort aufgepflügt und wir können diese Spur verfolgen, wenn alle andere Zeichen uns trügen. Keine Worte mehr! Folgt mir, sonst verläßt uns der Nebel mitten auf dem Wege, und man schießt von beiden Heeren auf uns.«
Heyward erkannte, daß wirklich der entscheidende Augenblick gekommen war, wo gehandelt, nicht gesprochen werden mußte, und trat zwischen die beiden Schwestern, um ihre Schritte zu beschleunigen, indem er die halb sichtbare Gestalt ihres Führers im Auge behielt. Bald zeigte sich, daß Hawkeye die Stärke des Nebels nicht überschätzt hatte: denn kaum waren sie sechzig Schritte weit, als sie ihre verschiedenen Reisegefährten in dem Dunste nicht mehr zu unterscheiden vermochten.
Sie hatten bereits einen kleinen Umweg zur Linken gemacht und wandten sich wieder zur Rechten, nachdem sie, wie Heyward glaubte, wohl den halben Weg nach den befreundeten Festungswerken zurückgelegt hatten. Plötzlich wurden ihre Ohren etwa zwanzig Schritte von ihnen von dem schrecklichen Rufe begrüßt:
»Qui va là?«
»Vorwärts!« flüsterte der Kundschafter, sich wieder links wendend.
Vorwärts!« wiederholte Heyward, als der Zuruf von einem Dutzend Stimmen in drohendem Tone wiederholt wurde.
»Ich,« rief Duncan französisch, indem er die Schwestern mit sich fortzog.
»Dummkopf! – welcher Ich? –«
»Freund von Frankreich!«
»Du scheinst mir eher ein Feind von Frankreich! Halt! oder bei Gott, ich will Dich mit dem Teufel gut Freund machen! Kameraden, Feuer!«
Der Befehl fand sogleich Gehör und der Nebel wurde von dem Knall von fünfzig Musketen erschüttert. Zum Glück war falsch gezielt, und die Kugeln durchpfiffen die Luft in einer verschiedenen Richtung, aber doch immer so nahe, daß es den ungeübten Ohren Davids und der beiden Mädchen dünkte, sie sausten nur ein Paar Zoll von ihnen vorbei. Der Ruf ward wiederholt und der Befehl nicht allein zum Feuern, sondern selbst zur Verfolgung war nur zu gut vernehmbar. Als Heyward kurz den Sinn des Gehörten erklärt hatte, hielt Hawkeye an und sprach entschlossen und fest:
»Laßt uns auch Feuer geben, dann glauben sie, es sey ein Ausfall und weichen, oder warten auf Verstärkung.«
Der Plan war gut, blieb aber ohne Erfolg. So bald die Franzosen die Gewehrsalve hörten, war es, als ob die ganze Gegend lebendig würde, und Flinten klirrten die Ebene entlang von den Ufern des See’s bis an den fernsten Saum der Wälder.
»Wir kriegen das ganze Heer auf den Hals und führen einen allgemeinen Sturm herbei,« sprach Duncan; »voran, mein Freund, wenn euch euer und unser Leben lieb ist.«
Der Kundschafter wollte willfahren, aber in der Verwirrung des Augenblicks hatte er seine Stellung verändert und die Richtung verloren. Vergeblich hielt er seine Wangen gegen den Wind, nicht das leiseste Lüftchen wehte mehr. In dieser Noth bemerkte Uncas die Furche der Kanonenkugel, welche hier die Spitzen von drei nahe an einander liegenden Ameisenhaufen weggenommen hatte.
»Laßt mich ‘mal schauen!« sagte Hawkeye, bückte sich, um die Richtung zu erkennen, und setzte rasch seinen Weg fort.
Geschrei, Flüche, rufende Stimmen, Flintenschüsse folgten sich ununterbrochen und, wie es schien, von allen Seiten. Plötzlich erleuchtete ein starker Feuerstrahl die Scene, der Nebel stieg in dichten Wallungen empor, mehrere Kanonenschüsse flogen über die Ebene und alle Echo der Berge hallten den Donner des Geschützes wieder.
»Das ist von dem Fort!« rief Hawkeye und blieb plötzlich stehen, »und wir laufen, wie mit Blindheit geschlagen, nach dem Walde, den Maquas in die Messer.«
Sobald sie den Irrthum erkannt, beeilten sie sich, ihn gut zu machen. Duncan überließ gerne Uncas Arme die Sorge, Cora zu führen, und sie nahm diesen willkommenen Beistand bereitwillig an. Offenbar waren nicht Wenige eifrig in ihrer Verfolgung begriffen, und jeder Augenblick drohte Gefangenschaft, wo nicht Verderben.
»Keinen Pardon den Schuften!« rief ein eifriger Verfolger, welcher die Bewegungen der Feinde zu leiten schien.
»Steht fest und bereit, meine Tapfern vom 60sten Regiment!« rief