hingezogen fühle.«
»Aber wenn du dich nicht zu jemandem körperlich hingezogen fühlst, woher weißt du dann, mit wem du eine solche Verbindung eingehen willst?«
»Da kommt die romantische Anziehung ins Spiel. Das ist nichts, worüber Allo-Leute nachdenken müssen. Sie sind in der Lage, mit jemandem desselben oder anderen Geschlechts zusammen zu sein, und wissen dann, von wem sie sich körperlich angezogen fühlen. Leute, die ace sind, können das nicht. Also müssen wir uns auf die romantische Anziehungskraft verlassen. Und dann gibt es natürlich auch noch aromantische Menschen, die überhaupt keine Anziehung dieser Art spüren. Einige Aros sind auch ace, aber nicht alle, die ace sind, sind aro.«
Dell blinzelte heftig, überrascht von den vielen Informationen, die ihm vor die Füße geworfen worden waren. Eine Unzahl winziger Glocken in seinem Kopf klingelten und sangen: »Ich! Das bin ich! Das klingt nach mir!« Es war eigenartig, ein solches Gespräch an einem Küchentisch zu führen, während in der Diele eine Reihe heißer Kerle eng tanzte, aber Dell musste mehr wissen.
»Okay, einen Moment«, sagte er. »Was sind Allo-Leute?«
»Entschuldige, Gewohnheit. Damit bezeichnen wir alle, die nicht asexuell sind. Allosexuelle Menschen empfinden sexuelle Anziehung. Asexuelle nicht.«
»Verstanden. Woher weißt du das alles?«
»Ich habe in der Highschool angefangen, mich zu hinterfragen. Ich war mir nicht sicher, ob ich hetero oder schwul bin, weil ich kein Interesse daran hatte, mit jemandem zu gehen wie die anderen. Aber dann habe ich eine starke, gefühlsmäßige Verbindung zu einem Klassenkameraden aufgebaut, der sich als schwul erwiesen hat. Irgendwann wurde aus unserer Freundschaft eine geheime Beziehung, die allmählich auch körperlich wurde. Er hat meine Grenzen sehr respektiert und auch, wie langsam ich vorgehen wollte. Natürlich ist es genauso ausgegangen wie alle geheimen Highschool-Romanzen.«
»Ihr seid aufgeflogen?«
»Nein, ich habe das Arschloch dabei erwischt, dass er mich betrog.«
Dell fuhr zusammen. »Autsch. Tut mir leid.«
»Es ist, was es ist. Aber so bin ich online gegangen, hab mich umgeschaut und bin über ein paar Websites gestolpert. Je mehr ich gelesen habe, desto mehr habe ich mich als demi identifiziert und auch homo-romantisch.«
»Du willst mit Jungs zusammen sein, nicht mit Mädchen.«
»Genau. Mich mit Cris anzufreunden, ist eine der besten Sachen, die mir je passiert ist. Er hat mir geholfen, mich zu akzeptieren, dass ich normal bin und nicht gestört, weil ich nicht jeden heißen Kerl ficken will, der mir über den Weg läuft.«
»Ich bin froh, dass du ihn hattest.« Dells Herz wand sich seltsam.
»Ja. Er ist mein bester Freund. Hast du deinen nicht eingeladen?«
Dell lachte leise. »Hätte ich, wenn ich einen hätte. Ich schätze, das, was bei mir einem besten Freund am nächsten kommt, ist mein Onkel Char… Chet. Für jemanden meines Alters ist das ziemlich erbärmlich, schätze ich.«
»Nicht unbedingt. Niemand hat je behauptet, dass man nicht mit seinem besten Freund verwandt sein kann.«
»Es ist nur so, dass ich erst vor eineinhalb Jahren von Georgia hergezogen bin. Ich habe mich so darauf konzentriert, clean zu bleiben und zu arbeiten, dass ich kaum Gelegenheit hatte, jemanden in meinem Alter kennenzulernen. Ich will mich nicht in Versuchung führen, indem ich in einen Club gehe, und Harrisburg ist nicht unbedingt eine Hochburg für schwule Cafés oder andere Treffpunkte.«
»Guter Punkt. Cris legt Wert darauf, mich ins Big Dick's einzuladen, wenn er hingeht.«
Der vertraute Name ließ Dell die Ohren spitzen. »Hat Cris erwähnt, dass er vor ein paar Wochen mit Onkel… mit Chet dort war?«
»Hat er, ja. Offenbar hatten sie einen tollen Abend, aber am nächsten Tag hat dein Onkel entschieden, dass sie als Freunde besser dran sind und Cris freigegeben, damit er mit Jake zusammen sein kann. Nur hat Jake Cris ein paar Tage später abserviert, weil er fand, dass Cris mit Chet besser bedient ist.«
Dell blinzelte heftig. »Machst du Witze?«
»Es ist mir todernst.« Taro sah sich um. »Wo wir gerade von ihnen reden. Die beiden sind verschwunden.«
»Was?« Dell sah sich in der geräumigen Küche und der angeschlossenen Diele um und entdeckte jeden einzelnen ihrer Gäste mit Ausnahme des Geburtstagskinds und Onkel Charles. »Vielleicht sind sie weggegangen, um zu reden? Ich weiß, dass Chet immer noch Gefühle für Cris hat und wenn Cris die ganze Zeit single war…«
»Man weiß nie.« Taro nippte an seinem Getränk. »Also, wir haben uns über mein mangelndes Liebesleben unterhalten und über das deines Onkels. Sollte ich davon ausgehen, dass es um deins auch nicht besser bestellt ist?«
»Schuldig.« Dell spielte mit seinem Wasserbecher, nicht sicher, was er sagen sollte. Vielleicht würde Taro einfach davon ausgehen, dass er nicht genug ausging, um sich Freunde zu suchen – und offensichtlich erst recht nicht dazu kam, sich Dates zu suchen. Es hatte keinen Sinn zu erwähnen, wie nah ihm manche Dinge gegangen waren, die Taro über Asexualität gesagt hatte. Nicht, bevor er sich nicht selbst schlaugemacht hatte.
Er hatte keinen Grund zu glauben, dass Taro sich alles nur ausgedacht hatte, aber Dell musste selbst nachschlagen. Herausfinden, ob er vielleicht doch nicht falschlag oder irgendwie kaputt war. Dass es vielleicht andere wie ihn gab und sie ihren Stellenwert hatten.
Ein paar Jubelrufe wurden im Wohnzimmer laut. Benny stand auf dem Couchtisch und legte eine Art Striptease für die Jungs um ihn herum hin. Als Cris und Onkel Charles auftauchten, trug er nur noch seine Unterhose. Beide wirkten mit sich zufrieden. Vielleicht hatten sie sich ausgesöhnt?
»Gib mir deine Nummer«, sagte Dell. »Ich würde gern weiterreden, aber ich glaube, uns stehen noch mehr Partyzwischenfälle bevor.«
Taro grinste. »Ich auch. Ich glaube, wir könnten beide einen neuen Freund brauchen.«
»Absolut.«
Dell konnte seine Freunde an einer Hand abzählen und als Taro seine Nummer und E-Mail-Adresse in Dells Handy tippte, hatte er das seltsame Gefühl, dass sein Leben sich verändern würde. Und das hatte alles mit seinem neuen Freund Taro zu tun.
Kapitel Eins
Von: [email protected]
Hallo Dell,
ich weiß, es ist erst zwei Stunden her, dass wir unsere Kontaktinformationen ausgetauscht haben, aber ich wollte mich trotzdem melden und mal hören, wie es dir geht. Ich hoffe, das wirkt nicht seltsam oder verzweifelt, aber ich hatte heute Abend wirklich viel Spaß, als wir uns unterhalten haben. Und ich schätze, ein kleiner Teil von mir macht sich Sorgen, ob die Verbindung, die wir auf der Party hergestellt haben, einseitig war und du jeden Kontaktversuch ignorieren wirst. Ich hoffe, das ist nicht der Fall.
Ich habe unser Gespräch auf Cris' Party wirklich genossen und ich hoffe, wir können das wiederholen, wenn du magst. Oder falls du kein Fan vom Telefonieren bist, könnten wir uns immer noch E-Mails schreiben. Es ist ein bisschen altmodisch, wenn man an Skype und Facetime denkt, aber es geht darum, womit man sich wohlfühlt.
Hast du den Film E-Mail für dich gesehen? Falls nicht, es ist eine herrliche romantische Komödie mit Tom Hanks und Meg Ryan, in der zwei Leute, die sich in einem Chatroom kennengelernt haben, eine auf E-Mails basierende Freundschaft aufbauen, aus der irgendwann mehr wird. In unserem Fall hoffe ich auf diese Freundschaft, da ich neben der zu Cris nicht viele habe. Er ist ein großartiger Freund.
Habe ich dir erzählt, dass Cris und ich uns jeden Dienstag im gleichen Diner und am gleichen Tisch treffen? Das ist eine weitere seiner Methoden, mich geselliger zu machen, wobei er trotzdem meine Routinen und mein Bedürfnis nach Ordnung respektiert. Nicht viele Freunde würden das tun, aber wir haben uns kennengelernt, als ich immer noch darum gekämpft habe,