Ida Bindschedler

Die Turnachkinder im Winter


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Schweinchen vor kurzem von einem Freunde seines Papas geschenkt bekommen.

      „Du hast sie doch noch keinem gezeigt?“ fragte Hans.

      Nein, zum Glück waren die sterbenden Schweinchen etwas durchaus Neues für Larstetten.

      Otto sah in der halbdunkeln Kammer umher, ob sich vielleicht noch etwas finde. In den Ecken standen allerlei Kisten und altes Spielzeug, ein Schaukelpferd ohne Kopf, auf dem Lotti und Trudi zu reiten begannen.

      „Was ist da drinn, Otto?“, fragte Marianne und zog eine große Schachtel hervor.

      „Ach, das ist ein Theater — Papas Theater, wie er noch ein Bub war.“

      „Ein Theater —?“ rief Hans. „Und das sagst du einem erst jetzt!“

      „Es ist ja gar nichts Rechtes mehr da“, antwortete Otto und machte auf.

      Man sah einige Drähte mit abgerissenen Köpfen und verschiedene Kartonstücke, auf denen man Teile eines gemalten Waldes und einer Säulenhalle erkennen konnte.

      „Das waren die Kulissen“, erklärte Otto. „Papa hatte mehr als zwanzig Puppen; aber später sind seine kleinen Vettern darüber gekommen.“

      Hans hatte indessen unter den Trümmern zwei noch ziemlich guterhaltene Figuren entdeckt. Die eine stellte einen Hirtenjüngling dar mit blonden Locken, die andere einen ältern Mann in braunem Rock und grauen Strümpfen.

      Hans betrachtete die zwei Drahtpuppen um und um. Dann sah er auf.

      „Ich will euch etwas sagen! Mit den zweien da können wir ein feines Stück aufführen!“

      „O!“ riefen Otto und Marianne.

      „Ja, wir führen Siegfrieds Kampf mit dem Drachen auf! Onkel Alfred hat das auf dem Theater gesehen. Er hat mir alles erzählt. Der da —“ Hans deutete auf die Figur mit den Locken, „der da ist Siegfried, und der —“ Hans nahm den Mann im braunen Rock und knickte ihn zusammen.

      „Au! Du zerbrichst ihn ja!“ schrien Otto und Marianne.

      „Nein, ich richte ihn zu einem Zwerg her. Jetzt brauchen wir nur noch einen Drachen, eine Höhle, Goldschätze und einen Wald.“

      „Zu was brauchst du einen Drachen?“ fragte Trudi und stieg von ihrem Schaukelpferd herunter.

      „Ach, Trudi, du wirst wohl keinen haben“, sagte Hans etwas geringschätzig.

      Aber Trudi zeigte sich wider Erwarten von großem Nutzen.

      „Mama hat einen Drachen in einem Buch. Er hat einen grünen geringelten Schwanz, und aus dem Maule haucht er Feuer —“

      Zu fünft ging’s hinunter ins Wohnzimmer, wo Tante Doktor nähte.

      „Mama! Tante! wir sollten einen Drachen haben! Bitte, zeig uns das alte Buch mit dem Drachen!“

      Die Tante vernahm, was im Plane war, und holte das Buch, in welchem die Kinder das Ungeheuer alsbald fanden.

      „Mama“, rief Otto. „Wenn wir doch den Drachen herausschneiden dürften! Das Buch ist ja schon ein wenig zerrissen.“

      „Ja, Tante!“ bettelte Lotti. „Es wäre doch nett für den Drachen, wenn er mitmachen dürfte!“

      Da lachte die Tante:

      „Also, Lotti; er soll mitmachen!“ Und sie gab Marianne das Blatt, daß sie den Drachen für die Vorstellung herrichte. Er wurde auf steifes Papier geklebt, ausgeschnitten und auf der Rückseite bemalt, damit er da ebenso natürlich aussehe wie vorn. Dann versah ihn Hans mit einer Holzleiste und einem Draht. Siegfried erhielt ein Fell über die Schulter aus einem Stückchen Katzenpelz; Tantes Trennmesserchen bildete sein Schwert. Es gab alle Hände voll zu tun. Als Goldschätze konnten einige Vorhangringe, ein Messingkettchen und ein Schlüsselschildchen dienen.

      Jetzt der Wald. Hans und Otto schleppten Geranien- und Laurusstöcke und ein Gummibäumchen herbei und stellten sie in Form eines Hufeisens auf eine breite Kiste in den Hausgang. Dann wurden Brettchen zurechtgesägt und über die Topfränder gelegt. Das gab den Boden für die Drahtpuppen und den Drachen. Es sah sehr hübsch aus, wie ein freier Platz unter Bäumen.

      „Zur Drachenhöhle nehmen wir ein paar Tuffsteine aus dem Garten“, ordnete Hans an und setzte sich dann in eine Ecke, um die Gespräche aufzuschreiben, die Siegfried, der Zwerg und der Drache halten sollten. Das war auch noch ein Stück Arbeit.

      „Wir müssen tüchtig einüben“, sagte Hans, „Während man spricht, rückt man die Figur immer ein wenig hin und her, wie wenn sie sich bewegte. Ich nehme den Siegfried, Marianne hat den Zwerg —“

      „Wenn ich ihn nur kann!“ sagte Marianne.

      „Vielleicht kann ich ihn?“ schlug Lotti vor.

      „Nein, Lotti, dazu passest du nicht!“ erwiderte Hans. „Du darfst die Dame an der Kasse sein.“

      „Und ich?“ fragte nun auch Trudi.

      „Du ziehst die Billette ein an der Türe. Otto, du nimmst natürlich den Drachen.“

      „Ja, ich muß aber auch noch meine Zauberkünste probieren.“

      In diesem Augenblicke trat Edith zur Haustüre herein mit einem Korb Birnen aus dem Pfarrgarten. Mit großem Interesse vernahm sie, was im Tun war, und besichtigte die Figuren, besonders den Drachen.

      „O, ich weiß“, rief sie. „Das ist ein europäische wilde Tier, welchen es nicht gibt! Otto, laß mich das Drache spielen!“

      Otto willigte ein; Hans war etwas bedenklich.

      „Du mußt aber ganz ohne Fehler sprechen und sehr ernst!“ sagte er. „Es ist nämlich kein Stück zum Lachen.“

      „Ich werde lern, bis ich kann, und ich will so ein ernste Drache machen, daß alle werden zitter!“ versprach Edith und lief dann schnell zurück, um dem Onkel Pfarrer zu sagen, daß sie heute eine Deutschstunde im Doktorhaus habe.

      Lotti und Trudi wurden indessen ausgeschickt, um den Freunden und Freundinnen im Städtchen die Vorstellung anzukündigen.

      An die Haustüre aber befestigte man einen großen Zettel, auf dem folgendes geschrieben stand:

      Theatervorstellung.

      1 Der Guckkasten mit elf Bildern aus verschiedenen Ländern und Völkern.

      2 Das Lebensrad, wo sich alles bewegt.

      3 Der wunderbare Eierbecher, die Zauberschnur, die geheimnisvollen Münzen und die sterbenden Schweinchen.

      4 Siegfrieds Kampf mit dem Drachen. (Es kommt ein Zwerg vor; der Drache und der Zwerg werden umgebracht.)

      5 Beginn um drei Uhr. Erster Platz zehn Rappen, zweiter Platz fünf Rappen.

      Es war kein Wunder, daß auf diese verlockende Anzeige hin eine Menge Kinder sich gegen drei Uhr im Doktorhaus einfanden. Lotti saß an der Türe und verkaufte mit wichtigem Gesicht die Billette. Der zweite Platz wurde stark bevorzugt. Spenglers Klara brachte zwar einen Zehner, aber zugleich drei kleine Geschwister und sagte, die Mutter lasse grüßen, und für zehn Rappen werden wohl vier zusehen dürfen. Einige hatten nur einen Zweier, und Felix Scharrelbach kam mit einer Tüte voll Sonnenblumenkörner und behauptete, die seien gut einen Fünfer wert.

      Die große Zuschauerzahl machte allerdings einige Schwierigkeiten, als die Vorstellung mit dem Guckkasten eröffnet wurde. Hans rief umsonst:

      „Bitte, meine Herrschaften, immer der Reihe nach!“

      Alles drückte herzu, und die Hintern schrien, sie sehen nichts. Als jedoch Hans mit lauter Stimme die Bilder zu erklären begann, horchte man gespannt zu, und wer vorn keinen Platz fand, guckte von der Seite hinein.

      Auch das Lebensrad mit dem bösen Schuster und der Brummfliege gefiel sehr.

      Dann erschien Otto als Zauberer; er hatte eine spitze gelbe Mütze auf und einen schwarzen