Carrie Firestone

Girl Power!


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uns nach Europa reisen wollte oder so.«

      »Ihr kapiert, warum er das getan hat, oder?«, sage ich. »Er hat uns bestochen, damit wir tun, was er will, wie brave kleine Kinder. Und es hat funktioniert. Wir sind darauf reingefallen.«

      »Ich wette, er hat die Fingerspitze geradezu angewiesen, eine zu finden, die gegen die Kleiderordnung verstößt, damit er die Klassenfahrt absagen kann«, sagt Navya.

      »Olivia, du warst das Opferlamm«, sagt Pearl.

      »Was ist das denn?«, fragt Ashley.

      Pearl sieht verwirrt aus. »Weiß ich auch nicht so richtig.«

      Danny bringt die Pizza

      Wir regen uns weiter über Couchman, Dern und die Lehrer auf, die uns seit der siebten Klasse das Leben zur Hölle machen. Danny schickt mir eine SMS: Er hat nach uns gerufen, und ob ich jetzt bitte die Dannys-Lieblingsschimpfwort-das-ich-hier-nicht-nennen-will-Pizza holen könnte?

      Nicht in dem Ton, schreibe ich zurück. Ich weiß Bescheid.

      Gegen Danny belastende Beweise in der Hand zu haben, gibt mir eine Menge Macht.

      Bea und Navya klettern ein Stück die Leiter hinunter und nehmen meinem Bruder die Pizza und die Zweiliterflasche Sprite ab, die er ihnen hinpfeffert und davonstürmt. Ich weiß nicht, ob Olivia oder Pearl von seinen »Geschäften« wissen, deswegen halte ich dicht.

      Einige Mädchen aus der Lacrosse-Mannschaft rauchen das Zeug. Ich möchte sie mit zu mir nach Hause nehmen und sie in Moms Schrank verstecken, damit sie sehen können, wie sie sich voller Sorge um meinen Bruder in den Schlaf weint. Dann würden sie vielleicht aufhören. Aber wer weiß? Die Gefühle ihrer Eltern sind den Kindern manchmal egal.

      »In welcher Klasse ist Danny jetzt?«, fragt Pearl.

      »Der elften.«

      »Hasst er dich immer noch?«

      »Keine Ahnung«, sage ich und wechsle das Thema.

      Wir inhalieren die Pizza geradezu und versuchen abwechselnd, keine Spucke in die Sprite-Flasche abzusondern, da Danny es nicht für nötig gehalten hat, uns Becher mitzubringen.

      »Können wir jetzt also dafür sorgen, dass alle aufhören, Olivia zu hassen?«, frage ich.

      Alle sagen Ja.

      »Es ist eine biologische Funktion«, sagt Navya. »Die betrifft uns doch alle.«

      »Nicht alle«, sagt Olivia.

      »Okay, die Hälfte von uns allen.«

      »Wie wäre es, wenn wir statt eines Podcasts – echt peinlich, Molly – einfach den Flurfunk lostreten?«, fragt Bea.

      »Was meinst du damit?«, frage ich.

      »Wir erzählen es einfach den Mädchen, die wir kennen, bis es irgendwann alle wissen. Und ja, Olivia, dann ist es immer noch peinlich, aber dann werden sogar die Jungs verstehen, in welcher Lage du warst.«

      »Sie haben Mütter«, sagt Pearl.

      Ich glaube, wir haben Olivia so langsam überzeugt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie einfach zurück zu ihren Naturwissenschaften und ihrem normalen Leben will. »Und das Gute ist, bald ist Sommer, und im MINT-Camp wird niemand davon wissen«, sage ich.

      Da entspannt sich Olivias Gesicht ein wenig. »Dann macht. Startet den Flurfunk.«

      Wir haben gerade die Erlaubnis zum Tratschen erhalten, ein sehr befreiendes Gefühl.

      Navya isst den ganzen Käse von Beas Pizza, und Bea isst ihren Rand. Das ist wahre Freundschaft.

      Olivia wird noch einmal von allen umarmt, bevor sie nach Hause gehen, um ihre dreckige Lacrosse-Wäsche zu waschen oder Eis zu essen oder für Mathe zu lernen oder sich über die Kleiderordnung aufzuregen. Ich rege mich über mich selbst auf, weil ich mich von der Aussicht auf eine Klassenfahrt habe beeinflussen lassen.

      Mittagsstunden-Runden

      Pearl ist nicht die Einzige, die sich fragt, ob Danny mich noch hasst. Als Danny in die Mittelschule kam, wurde es richtig schlimm. Vorher war es das auch schon – er war nie nett zu mir oder zu meinen Eltern oder zu Tibby, zu niemandem eigentlich. Aber er hatte gute Tage, und er hatte schlechte Tage. In der Mittelschule waren es dann nur noch schlechte Tage.

      Mom musste ihn immer wieder abholen, weil er sich prügelte, frech zu den Lehrern war, fluchte. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Damals habe ich angefangen, mich in meinem Zimmer zu verstecken.

      In der fünften Klasse hat mich die Beratungslehrerin Ms Mary zu den geheimnisvollen Mittagsstunden-Runden eingeladen. Sie hat gesagt, dass es eine besondere Einladung sei und dass wir Pizza bestellen könnten und jeder zwei Eis bekäme. Wir haben Brettspiele gespielt und Musik gehört und mit anderen besonderen Kindern rumgehangen. Es war jeden Freitag mein Highlight.

      Zuerst haben wir uns über Familienurlaube unterhalten und über Serien, die wir mochten. Dann hat uns Ms Mary von einem Freund berichtet, der Krebs hatte, und Jack Reese fing an, uns von der Krebserkrankung seines Vaters zu erzählen. Dann hat Ms Mary über Promis gesprochen, die sich scheiden lassen, und einer aus der Runde, Alex, hat von der Scheidung seiner Eltern erzählt, und dann hat Ms Mary ihren nervigen älteren Bruder erwähnt, und ich bin mit allem herausgeplatzt, was Danny machte, und wie laut und stressig und traurig es deswegen zu Hause war.

      Olivia war manchmal auch bei den Mittagsstunden-Runden dabei. Auch ihre Eltern ließen sich scheiden. Ihre Mutter und Alex’ Mutter hatten denselben Rechtsanwalt. Olivia hat mich buchstäblich jedes einzige Mal bei Vier gewinnt geschlagen.

      Eines Morgens, an einem Freitag, hat Mom mich gefragt, ob ich schon mein Mittagessen eingepackt hätte.

      »Brauch ich nicht. Heute ist doch Mittagsstunden-Runde«, habe ich gesagt.

      Danny hörte auf, an seinem Bagel rumzukauen, und sagte mit vollem Mund: »Du bist in der Mittagsstunden-Runde? Das ist doch für die Bekloppten.« Er wandte sich an Mom: »Warum geht sie in die Mittagsstunden-Runden?«

      Mom griff nach seinem Arm und schüttelte ihn: »Du hörst sofort auf, so zu reden.« Sie war so wütend, dass sie spuckte.

      »Wieso denn? Die Mittagsstunden-Runden sind für die Geisteskranken.«

      Da kapierte ich es. Die Mittagsstunden-Runden waren nicht für besondere Kinder. Sondern für Kinder mit Problemen.

      Für Kinder, deren Väter Krebs hatten. Für Kinder, deren Eltern sich scheiden ließen. Für Kinder, deren Brüder die Familie zerstörten.

      Ich bin nie wieder zu den Mittagsstunden-Runden gegangen.

      Um neun Uhr am Morgen

      Es ist neun Uhr morgens, und der Flurfunk funkt lauter als unsere Blaskapelle bei der Parade am Memorial Day.

      Und nun weiß es die gesamte Schule: Olivia musste sich ihr Sweatshirt um die Hüften binden, um den riesigen Blutfleck auf ihrer neuen weißen Jeans zu verdecken. Als Couchman sie erwischt hat, wollte sie gerade ihre Schwester anrufen, damit sie ihr eine frische Hose bringt. Als Couchman ihr gesagt hat, sie soll ihr Sweatshirt anziehen, weil er es nicht verkraften konnte, ihre Schultern zu sehen, hat sie NEIN gesagt.

      Alle haben verstanden, warum.

      Den ganzen Tag lang wurde Olivia von den Mädchen umarmt, bekam verständnisvolle Blicke, ein mitfühlendes Lächeln. Von den Jungs kam nur Schweigen. Keiner sagte auch nur ein Wort.

      Aber wenn man in der Mittelschule ist und es um so etwas Grauenvolles geht wie Menstruationsblut auf der Hose, dann ist das Schweigen der Jungs ein absoluter Traum.

      Gespräch mit einer Siebtklässlerin über ein schwieriges Thema

      Nach der Schule nehmen wir immer den Bus, den sich Highschool und Mittelschule teilen. Einen der Gründe, warum das keine gute Idee ist, habe