Ian Hamilton

Der schottische Bankier von Surabaya


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ob der Fonds registriert war.«

      »Theresa, eine Abteilung der Ontario Securities Commission befasst sich mit Investmentfonds. Um legal in der Provinz operieren zu dürfen, musste Emerald Lion bei ihnen registriert sein.«

      »Darüber weiß ich nichts.«

      »Nun, dann gibt es auch noch die Polizei. Sie sind doch sicher zur Polizei gegangen?«

      »Einer der anderen, die ihr Geld verloren haben, ist zur Polizei gegangen, hat dann aber beschlossen, die Sache nicht weiterzuverfolgen.«

      »Und warum nicht?«

      Theresas verkniffene Miene verriet ihr Unbehagen. Sie warf Jennie einen flüchtigen Blick zu, Fragezeichen in den Augen.

      »Sie hatten Angst«, erklärte Jennie Lee.

      »Wovor?«

      Jennie wandte sich an Theresa. »Sie können Ava vertrauen, das habe ich Ihnen doch gesagt. Sie hat schon Menschen mit größeren Problemen als Ihrem geholfen, und sie weiß, wie man den Mund hält. Nicht wahr, Ava?«

      »Mummy, ich bin nicht sicher –«

      »Theresa, erzählen Sie ihr, was passiert ist«, sagte Jennie beharrlich.

      »Bargeld.«

      Ava blinzelte. »Jetzt bin ich mehr als verwirrt.«

      »Sie alle haben diesem Lam Bargeld gegeben«, sagte Jennie.

      »Das war die Idee meines Bruders«, ergänzte Theresa. »Er sprach mit einem Freund, der einige vietnamesische Lebensmittelgeschäfte mit veralteten Registrierkassen besitzt, aus denen er Geld genommen hat. Das Problem war, dass er mehr Bargeld hatte, als er ausgeben konnte, ohne Verdacht zu erregen. Ich meine, versuchen Sie mal ein Auto bar zu bezahlen oder ein Haus. Und dann hatte er Angst vor der kanadischen Steuerbehörde und der Polizei. Man kann solches Geld heute nicht mehr einfach bei einer Bank einzahlen, ohne dass sie tausend Fragen stellen. Also ist er mit Lam ins Geschäft gekommen.«

      »Und was hat Lam mit dem Geld gemacht?«

      »Es hieß, er habe ein Arrangement mit der Bank Linno in Indonesien getroffen. Sie hätten eine Niederlassung in Toronto. Er würde das Geld dort auf das Fondskonto einzahlen. Er sagte, er hätte Hunderte von kleinen Investoren in diesem Fonds und dass er jede Woche Geld von ihnen bekäme und deshalb regelmäßig investieren könne, ohne die ganzen Umstände, die ihm die kanadischen Banken bereiten würden.«

      »Wie viele Investoren gab es?«

      Theresa zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht genau, aber nicht mehrere Hundert, denn beim ersten Mal musste man mindestens Hunderttausend in bar einzahlen.«

      »Alle haben bar eingezahlt?«

      »Natürlich. Das war der Sinn und Zweck.«

      »Sie meinen, Geldwäsche war der Sinn und Zweck?«

      »Wir wollten doch bloß unser Geld ausgeben, ohne dass uns die Behörden auf die Schliche kamen.«

      »Sie haben also Bargeld eingezahlt und Schecks von einer angeblich seriösen Investmentgesellschaft erhalten, richtig?«

      »Ja.«

      »Und diese Schecks wurden bei der Bank in Indonesien gutgeschrieben?«

      »Ja.«

      »Also gab es keine Nachfragen von Seiten der Bank, und Sie konnten Geld abheben, wie Sie wollten, ohne sich Sorgen machen zumüssen.«

      »Ja.«

      »Haben Sie diese Einkünfte der kanadischen Steuerbehörde gemeldet?«

      »Nein. Lam hat gesagt, das bräuchten wir nicht.« Theresa spielte nervös mit ihrer Serviette.

      »Das ist Unsinn. Die Investmentgesellschaft hätte für alle Auszahlungen T5-Bescheinigungen für Einkünfte aus Kapitalvermögen ausstellen müssen.«

      »Sie haben uns nichts dergleichen ausgestellt. Sie haben uns nur einen monatlichen Kontoauszug geschickt, aus dem hervorging, wie viel Geld wir in dem Fonds hatten.«

      »Haben sie Ihnen gesagt, wie das Geld investiert wurde?«

      »Nein.«

      »Diese Menschen setzen nicht viel Vertrauen in Behörden oder Banken«, sagte Jennie zu Ava, als säße Theresa nicht direkt neben ihr.

      »Sieht ganz so aus, aber ihr Vertrauen in einen Fonds zu setzen, der vermutlich weder reguliert noch registriert war und dessen Hauptvorzug darin lag, dass er von einem vietnamesischen Landsmann verwaltet wurde, scheint sich nicht bewährt zu haben«, erwiderte Ava. Sie sah, wie Theresa errötete. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nicht so hart sein.«

      »Schon gut, Sie haben ja vollkommen recht.«

      »Theresa, wie lange waren Sie an dem Fonds beteiligt?«

      »Über zwei Jahre.«

      »Wie viel haben Sie in der Zeit ausbezahlt bekommen?«

      »Über zweihunderttausend Dollar.«

      »Mein Gott. Wie viel Geld hatten Sie denn investiert?«

      »Fast drei Millionen Dollar.«

      Ava glaubte sie falsch verstanden zu haben und fragte nach: »Sie meinen, die gesamte Fondseinlage belief sich auf drei Millionen?«

      »Nein, sie belief sich auf über dreißig Millionen, soweit wir wissen. Meine Familie hatte drei Millionen investiert.«

      »Wie sind Sie –«, begann Ava.

      Jennie fiel ihr ins Wort. »Theresa, ich hätte gern noch einen Tee. Sind Sie so nett, mir noch einen zu holen? Und Ava, was ist mit dir? Noch ein Wasser?«

      Theresa schien nur allzu froh, sich davonmachen zu können. Als sie außer Hörweite war, sagte Jennie zu Ava: »Ich weiß, was du fragen wolltest, und ich finde nicht, dass du diese Frage stellen solltest. Spielt es wirklich eine Rolle, wie sie an so viel Bargeld gekommen sind? Sie alle arbeiten hart und sie sparen eisern. Belass es dabei. Es ist unangenehm genug für sie.«

      »Mummy, indem sie die Einkünfte nicht angegeben haben, haben sie bereits gegen das Gesetz verstoßen. Das Geld dann zu waschen verschlimmert den Tatbestand.«

      »Seit wann bist du so kanadisch-korrekt?«, fragte Jennie. »Dürfen nur die Großen und Reichen tun, was immer sie wollen, um Steuerzahlungen zu vermeiden?«

      »Das ist nicht der Punkt.«

      »Nein, der Punkt ist, dass Theresa und ihre Familie jahrelang geschuftet und alles wieder in ihre Familie gesteckt haben, und nun ist das Geld weg und sie möchten, dass du ihnen hilfst, es wiederzubeschaffen. Damit verdienst du doch deinen Lebensunterhalt, stimmt’s?«

      »Das weißt du.«

      »Und wenn du das in Asien machst, seid ihr, du und Onkel, dann auch so kleinlich, wenn es darum geht, wie eure steinreichen Klienten an ihr Geld gekommen sind und wie sie es wieder in ihren Besitz bringen?«

      Ava lehnte sich zurück und starrte ihre Mutter an. »Du weißt nichts über die meisten meiner Klienten und über die gebührende Sorgfalt, mit der wir vorgehen«, erwiderte sie.

      »Ich kenne Tommy Ordonez, weil du mich um Hilfe gebeten hattest, erinnerst du dich? Du musstest seine Schwägerin in Vancouver ausfindig machen. Als du mich angerufen hast, habe ich dich da gefragt, wie Ordonez zum reichsten Mann der Philippinen geworden ist? Habe ich dich nach der gebührenden Sorgfalt gefragt? Ich kann mich nur erinnern, dass meine Tochter meine Hilfe gebraucht hat.«

      Ava und Onkel hatten mehr als fünfzig Millionen Dollar für Ordonez zurückgeholt – Geld aus seinen Unternehmen, das sein Bruder bei einem Online-Poker-Betrug verloren hatte. In Avas Kopf tauchte ein Argument nach dem anderen auf, was den Unterschied zwischen jenem Fall und Theresa Ngs Problem anging, und verschwand ebenso schnell wieder. Aus Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter ging sie selten als Siegerin hervor, und schon gar nicht, wenn Jennie beschlossen hatte,