weil sie in ihrer Heimat nicht überleben konnten. Doch die anfängliche Wertschätzung hatte sich gewandelt, und die Israeliten waren zu Knechten und Sklaven geworden. Moses, dem Gott in einem brennenden Dornbusch erschienen war, um ihn dazu zu berufen, die Israeliten aus Ägypten hinauszuführen, organisierte den geheimen Auszug (Exodus) aus dem Land der Bedrückung. Die Flucht wurde entdeckt, und der Pharao nahm mit seiner Streitmacht die Verfolgung auf. Die Israeliten konnten sich mit dem Zug durch das Schilfmeer retten, in dessen zurückströmenden Fluten die Ägypter ertranken. In dieser Rettung der Israeliten aus aussichtsloser Lage bewies Gott seine Unterstützung für sein Volk. Es waren Erfahrungen dieser Art, auf die sich Moses in seiner Rede bezog, wenn er die Israeliten ermahnte, die Gebote Jahwes zu befolgen. Nur dann konnten sie weiterhin auf seine Hilfe zählen. Auf dem Weg durch den Sinai empfing Moses die Zehn Gebote (Du sollst neben mir keine anderen Götter haben / Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen / Gedenke des Sabbats: Halte Ihn heilig / Ehre Deinen Vater und Deine Mutter, damit Du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, Dir gibt / Du sollst nicht morden / Du sollst nicht die Ehe brechen / Du sollst nicht stehlen / Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen / Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen / Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgend etwas, das deinem Nächsten gehört). Neben diesen elementaren Grundregeln, die auf zwei steinernen Tafeln niedergeschrieben waren und in einem besonderen Schrein, der sogenannten Bundeslade, verwahrt wurden, erhielt Moses zahlreiche Weisungen über die Regeln für den Gottesdienst, das Leben der Priester und das soziale Leben. Auf der Einhaltung dieser Regeln beruhte der Bund, den Gott mit den Israeliten geschlossen hatte, und das schärfte Moses seinen Zuhörern in seiner Rede noch einmal nachdrücklich ein („Denn darin besteht Eure Weisheit und Eure Bildung in den Augen der Völker“). Die Berechtigung der bevorstehenden Landnahme beruhte darauf, dass die Israeliten die Gebote und Weisungen Jahwes befolgten. Wiederholt hatten die Israeliten auf der langen Wanderschaft durch die Wüste an Gott gezweifelt und gegen seine Vorgaben verstoßen. Sie waren dafür hart bestraft worden. Moses zitiert das Beispiel der Israeliten, die gegen das zweite Gebot verstoßen hatten. Sie hatten zu engen Umgang mit den Frauen eines Volkes gehabt, bei dem sie sich auf ihrer Wanderung eine Zeitlang aufgehalten hatten (Num. 25,1-18), und sie hatten auch deren Gott angebetet. Zur Strafe wurden sie getötet. Die lange Zeit in der Wüste sollte dazu dienen, die Israeliten ihre alten Gewohnheite vergessen zu lassen und sie auf die neue Lebenssituation einzustimmen. Der Erwerb des versprochenen Landes hing aber von ihrer Bundestreue ab. Nur wenn sie die Gesetze Gottes befolgten, konnten sie auf seine Unterstützung hoffen. Und von dieser Unterstützung hing ihr Erfolg bei der Eroberung des Landes und bei der Behauptung in dem eroberten Land ab. Gott hatte Moses immer wieder daran erinnert, und deshalb erinnerte Moses die Israeliten in der hier aufgenommenen Rede noch einmal leidenschaftlich an diese Voraussetzung. Wer die Gebote Gottes befolgte, der konnte im Gegenzug aber auch auf seine Hilfe im täglichen Leben rechnen. Darin bestand die Zusage. Es war die Zusage eines Gottes, der streng darauf achtete, nicht in Bildnissen dargestellt zu werden. Darin unterschied er sich von den Göttern der Nachbarvölker. Die Rede des Moses dreht sich um den Bund Gottes mit dem Volk Israel und sie zeigt in formaler Hinsicht die Züge von Verträgen, wie sie zur damaligen Zeit in diesem Umfeld üblich waren. Sie ist überliefert im Buch Deuteronomium, dem fünften Buch des Alten Testaments. Das Buch Deuteronomium bildet damit den Abschluss der fünf Bücher Mose, der hebräischen Tora. Der Name bedeutet das „wiederholte Gesetz“. Tatsächlich verzeichnet das Buch die letzten Reden des Moses, der die Israeliten vor seinem Tod noch einmal eindringlich an die gemeinsamen Erfahrungen der langen Wanderschaft und an die Gebote für das Zusammenleben in dem neuen Land erinnert. Die Worte sind sein Vermächtnis. Er selber durfte das verheißene Land nicht betreten, als Sühne für die Verfehlungen der Israeliten auf der Wanderschaft. Seine Rede ist die Rede eines Mannes, der seine Mission erfüllt hat, und der das Ziel des langen Weges vielleicht noch sehen, aber nicht erreichen kann. Es ist die eindringliche Mahnung eines Menschen, der vierzig lange Jahre die Verantwortung für seine Leute getragen hatte, und der um ihre Schwächen wusste. Er ruft ihnen die gemeinsamen Erfahrungen noch einmal in Erinnerung und hofft, dass sie nicht in Vergessenheit geraten. Der Text hat so den Charakter eines Testamentes und als solches ist das Buch Deuteronomium verschiedentlich charakterisiert worden. Seine Überlieferung ist nicht ganz klar, und es ist umstritten, wieviel von dem Buch auf die Zeit des Moses zurückgeht. Doch soll diese Diskussion hier zurückstehen, denn in der hier vorliegenden Sammlung soll den Texten zunächst der Vorrang gebühren. Die Rede des Moses ist ein kraftvoller Auftakt.
REDE
Und nun, Israel, höre die Gesetze und Rechtsvorschriften, die ich euch zu halten lehre. Hört und ihr werdet leben, ihr werdet in das Land, das der Herr, der Gott eurer Väter, euch gibt, hineinziehen und es in Besitz nehmen.
Ihr sollt dem Wortlaut dessen, worauf ich euch verpflichte, nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen; ihr sollt auf die Gebote des Herrn, eures Gottes, achten, auf die ich euch verpflichte.
Ihr habt mit eigenen Augen gesehen, was der Herr wegen des Baal-Pegor getan hat. Jeden, der dem Baal-Pegor nachfolgte, hat der Herr, dein Gott, in deiner Mitte vernichtet. Ihr aber habt euch am Herrn, eurem Gott, fest gehalten, und darum seid ihr alle heute noch am Leben.
Hiermit lehre ich euch, wie es mir der Herr, mein Gott, aufgetragen hat, Gesetze und Rechtsvorschriften. Ihr sollt sie innerhalb des Landes halten, in das ihr hineinzieht, um es in Besitz zu nehmen.
Ihr sollt auf sie achten und sollt sie halten. Denn darin besteht eure Weisheit und eure Bildung in den Augen der Völker. Wenn sie dieses Gesetzeswerk kennen lernen, müssen sie sagen: In der Tat, diese große Nation ist ein weises und gebildetes Volk. Denn welche große Nation hätte Götter, die ihr so nah sind, wie Jahwe, unser Gott, uns nah ist, wo immer wir ihn anrufen? Oder welche große Nation besäße Gesetze und Rechtsvorschriften, die so gerecht sind wie alles in dieser Weisung, die ich euch heute vorlege?
Jedoch, nimm dich in Acht, achte gut auf dich! Vergiss nicht die Ereignisse, die du mit eigenen Augen gesehen, und die Worte, die du gehört hast. Lass sie dein ganzes Leben lang nicht aus dem Sinn! Präge sie deinen Kindern und Kindeskindern ein!
Vergiss nicht den Tag, als du am Horeb vor dem Herrn, deinem Gott, standest. Der Herr hatte zu mir gesagt: Ruf mir das Volk zusammen! Ich will sie meine Worte hören lassen. Sie sollen lernen, mich zu fürchten, so lange, wie sie im Land leben, und sie sollen es auch ihre Kinder lehren.
Ihr wart herangekommen und standet unten am Berg und der Berg brannte: Feuer, hoch bis in den Himmel hinauf, Finsternis, Wolken und Dunkel. Der Herr sprach zu euch mitten aus dem Feuer. Ihr hörtet den Donner der Worte. Eine Gestalt habt ihr nicht gesehen. Ihr habt nur den Donner gehört. Der Herr offenbarte euch seinen Bund, er verpflichtete euch, ihn zu halten: die Zehn Worte. Er schrieb sie auf zwei Steintafeln.
Mir befahl damals der Herr, euch Gesetze und Rechtsvorschriften zu lehren, die ihr in dem Land halten sollt, in das ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen. Nehmt euch um eures Lebens willen gut in Acht! Denn eine Gestalt habt ihr an dem Tag, als der Herr am Horeb mitten aus dem Feuer zu euch sprach, nicht gesehen. Lauft nicht in euer Verderben und macht euch kein Gottesbildnis, das irgendetwas darstellt, keine Statue, kein Abbild eines männlichen oder weiblichen Wesens, kein Abbild irgendeines Tiers, das auf der Erde lebt, kein Abbild irgendeines gefiederten Vogels, der am Himmel fliegt, kein Abbild irgendeines Tiers, das am Boden kriecht, und kein Abbild irgendeines Meerestieres im Wasser unter der Erde.
Wenn du die Augen zum Himmel erhebst und das ganze Himmelsheer siehst, die Sonne, den Mond und die Sterne, dann lass dich nicht verführen! Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen. Der Herr, dein Gott, hat sie allen anderen Völkern überall unter dem Himmel zugewiesen. Euch aber hat der Herr genommen und aus dem Schmelzofen, aus Ägypten, herausgeführt, damit ihr sein Volk, sein Erbbesitz werdet wie ihr es heute seid.
Zwar hat der Herr mir wegen eures Murrens gegrollt und mir geschworen, ich dürfe nicht über den Jordan ziehen und das prächtige Land betreten, das der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt. Ich muss in diesem Land hier sterben und werde nicht über den Jordan ziehen. Aber ihr