Lars Hoffmann

Die bedeutenden Historiker


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voraussetzt, ergibt sich daraus ein wichtiger Anhaltspunkt für sein Lebensalter. Nach der griechischen Niederlage wurden – nach römischer Auffassung als friedenserhaltende Maßnahme – 1000 griechische Geiseln nach Rom verbracht, zu denen auch Polybios gehörte. Dort lebte er im Haus des Generals Lucius Aemilius Paullus, der nach dem römischen Sieg von Pydna den Ehrennamen Macedonicus erhielt. In Rom hochgeschätzt, stieg er zum Lehrer des Publius Cornelius Scipio auf, wodurch er insbesondere zum Berichterstatter über den Dritten Punischen Krieg (149-146 v. Chr.) wurde, der mit der Zerstörung Karthagos endete. Um 150 v. Chr. wurde er aus der Geiselhaft entlassen, musste dann aber im Jahr 146 v. Chr. die Zerstörung seiner Heimat Achaia sowie Korinths durch die Römer miterleben. Polybios selbst erwähnt längere Reisen, die er mit Scipio unternommen habe, wobei er auch den Weg Hannibals über die Alpen nachgegangen sein will. Nach Pseudo-Lukian soll er im Alter von 82 Jahren an den Folgen eines Sturzes vom Pferd gestorben sein, das hieße um das Jahr 120 v. Chr., doch kann man dieser Angabe nicht unbedingt Glauben schenken.

      Seine Historiai beschreiben in 40 Büchern den Aufstieg Roms zur Weltmacht für die Jahre 220 bis 144 v. Chr. Dabei war das Werk ursprünglich bis zur Ausdehnung der römischen Dominanz über Griechenland nach der Schlacht von Pydna angelegt. Der erste Teil umfasst die Bücher I bis XXIX, während sich die Bücher XXX bis XL der westlichen Ausdehnung des Römischen Reiches und insbesondere der Zerschlagung des punischen Reiches widmen. Da sich innerhalb des Gesamtwerks auch zwei Vorreden finden, muss man davon ausgehen, dass sich Polybios zunächst auf den ersten Teil beschränken wollte, den er wohl auch noch selbst zur Veröffentlichung gebracht hat: Immerhin handelte es sich dabei um die Ereignisse, an denen er zumindest partiell, wenn auch aus der Sicht des Unterlegenen, aktiv beteiligt war. Der zweite Hauptteil des Werkes hingegen ist mit großer Sicherheit erst nach seinem Tod publiziert worden. Dabei ist auch Teil I in sich klar strukturiert. Im Sinne der sog. historia perpetua knüpft er in den ersten beiden Büchern für den Osten und Westen getrennt an seine Vorläufer Aratos aus Soloi auf Zypern sowie Timaios aus Tauromenion (heute Taormina; beide Werke sind nicht erhalten) an, um seinen Lesern einen ununterbrochenen Fortlauf der Geschichte zu bieten. Darauf folgen in den Büchern III bis V für die Jahre 216-220 v. Chr. die Kriege Hannibals, der innergriechische Bundesgenossenkrieg (220-217 v. Chr.) sowie der Vierte Syrische Krieg (219-217 v. Chr.) zwischen Ptolemäern und Seleukiden. Zunächst berichtet Polybios die Ereignisse noch getrennt nach Osten und Westen, ab Buch VII jedoch gibt er dies mit dem politischen und militärischen Zusammentreffen von Griechenland und Rom auf, ein Schema, das durchaus auch an Herodot erinnert. Somit reicht die Darstellung bis zum Ende des Dritten Makedonischen Krieges (168 v. Chr.) im XXIX. Buch. Daran schließt sich der zweite Hauptteil an. Eine Sonderstellung nimmt allerdings Buch VI sein, das nach der römischen Niederlage bei Cannae (216. v. Chr.) einsetzt, um die römische Verfassung in ihren Stärken und Schwächen zu beschreiben. Zweck dieses Einschubs ist es, Gründe dafür aufzuzeigen, warum sich Rom von dieser schweren Niederlage erholen und seinen Aufstieg zur Weltmacht fortsetzen konnte.

      In seiner Darstellung folgt Polybios seinem Vorläufer Timaios aus Tauromenion in formaler Hinsicht, da er seinen Stoff in einzelne Jahre zusammenfasst und diese wiederum in das chronologische Gerüst der Olympiaden eingliedert, sofern dies die Menge des dargebotenen Stoffs erlaubt. Daher findet man in einem der Bücher des Polybios entweder die Ereignisse einer ganzen oder einer halben Olympiade. Unterbrochen wird der historische Ablauf immer wieder durch allgemeine Überlegungen oder staatspolitische Erwägungen – wie dies etwa in Buch VI der Fall war –, während etwa Buch XXXIV die damals bekannte römisch-hellenistische Welt beschreibt. Mitunter weisen diese Einschübe jedoch sachliche Fehler auf, was die Literaturkritik bis heute immer wieder aufgreift. Insgesamt jedoch neigt er zu einer pessimistischen Weltsicht, da er nicht nur den Untergang seiner eigenen, griechischen Welt als durch innere Schwächen hervorgerufen schildert, sondern auch für das Römische Reich als Weltreich keine dauerhafte Perspektive sieht.

      Überliefert sind uns die Historien des Polybios leider nur zu einem guten Drittel. Vollständig erhalten sind nur die Bücher I bis V, sowie in größeren Textpassagen die Bücher VI bis XVI und XVIII. Diese Auszüge entstanden im Kontext der sog. Konstantinischen Exzerpte im 10. Jh. nach Chr., als der byzantinische Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos im Zuge des Wechsels von Majuskel- auf die Minuskelschrift sowie dem durch Zerfall der alten Papyri und Handschriften notwendig gewordenen Ersatz von Büchern dafür Sorge trug, dass die noch erhaltenen Texte aus der kaiserlichen Bibliothek nicht verloren gingen. Dass es zu dieser Zeit noch eine vollständig erhaltene Polybios-Handschrift gab, ist eher unwahrscheinlich. Daneben finden sich in indirekter Überlieferung noch längere und kürzere Zitate bei Folgeautoren. Gänzlich verloren sind jedoch die Bücher XVII, XIX, XXVI und XL.

      Neben Thukydides wurde insbesondere auch Polybios zu einem Musterautor für den rhetorischen Unterricht und für die Schriftsteller der Folgezeit. Stärker jedoch als Thukydides sah er sich dem verpflichtet, was er historische Wahrheit nannte (darüber in Buch VII 7; XXIX 12 sowie an anderen Stellen seines Werkes). Fabeln, Träume und Wunderberichte lehnte er ebenso ab wie die Parteilichkeit in der Darstellung – auch wenn er selbst als Grieche davon nicht völlig frei ist (vgl. z. B. Buch XVI 17). Dasselbe gilt für Lügen oder freie Erfindungen um der Sache willen, die er bei anderen Autoren moniert, wozu für ihn etwa die zahlreichen Feldherrnreden gehören, die Thukydides an entscheidenden Punkten seiner Darstellung in sein Werk hat einfließen lassen. Ablehnend stand er weiterhin der Verherrlichung einzelner Personen gegenüber. Was Polybios nicht wollte, war die schlichte Aneinanderreihung von historischen Fakten ohne einen tieferen Sinn. Vielmehr wollte er die historischen Ereignisse als notwendige Kette aus den Folgen menschlicher Handlungen und Entscheidungen darstellen, die aber auch durch göttliches Eingreifen – trotz seiner persönlichen Vorbehalte gegenüber den Religionen – oder scheinbare Zufälligkeiten beeinflusst werden, was ihn geistesgeschichtlich durchaus mit der Philosophie der Stoa in Verbindung bringt. Bei allem sieht er jedoch immer auch die Verantwortung des Menschen, dessen Aufgabe es ist, Konflikte und Schwierigkeiten aus eigenem Vermögen heraus zu lösen. Polybios bringt somit große menschliche Leistungen, aber auch das Versagen in bestimmten Situationen in ein System aus Anlässen, Ursachen und Wirkungen. Dies wiederum erlaubt es ihm, bei der Aufzeichnung seines Stoffes keine chronistische Vollständigkeit erreichen zu müssen, sondern sich auf das zu beschränken, was er für den Lauf der Dinge als wichtig herausarbeiten konnte.

      In seinem Geschichtswerk erwähnt Polybios beiläufig einige andere Werke, die durchaus einen historiographischen Charakter besitzen, etwa sein Bericht über die Zerstörung der spanischen Stadt Numantia durch seinen Gönner Scipio Aemilianus im Jahr 133 v. Chr. oder ein Werk, dem sich Angaben zum Achaiischen Bund hätten entnehmen lassen. Allerdings sind diese Texte nicht erhalten.

      Werk:

      Polybios, Geschichte. Gesamtausgabe in zwei Bänden. Eingeleitet u. übertragen von H. Drexler. 2. Aufl. Zürich 1978/1979.

      Weiterführende Literatur:

      F. W. Walbank, Polybios, Rome and the Hellenistic World. Essays and Reflections. Cambridge 2002.

      K. Stiewe (Hrg.), Polybios. Darmstadt 1982 (WdF 347).

      K. Meister, Historische Kritik bei Polybios. Wiesbaden 1975 (Palingenesia, 9).

      Caius Iulius Caesar

      Der am 13. Juli 100 v. Chr. geborene Caius Iulius Caesar entstammt der nicht sehr wohlhabenden, im alten Rom jedoch höchst angesehenen Familie der Iulier, deren Mitglieder im 5. Jh. v. Chr. noch häufiger, danach jedoch seltener in den altrömischen Konsularlisten begegnen. Sein Leben wurde in besonderer Weise durch die vielfältigen Ereignisse der römischen Bürgerkriege in den Jahren 130-31 v. Chr. bestimmt, an deren Ende der Prinzipat als monarchische Herrschaftsform stand, deren exponiertester Funktion, nämlich dem Kaisertum, Caesar später den Namen geben sollte. Während des Bürgerkriegs stand er – wie auch seine Familie und seine politischen Gönner – auf Seiten der sog. populares, einer Parteiung, die ursprünglich die römische Mittelschicht gegenüber dem senatorischen Adel repräsentierte und ihre Ziele vor allem mit Volksversammlungsbeschlüssen umsetzte. Caesar gelang es jedoch, die mehr und mehr an politischem Einfluss gewinnenden populares für seinen persönlichen Aufstieg