Eisgletscher mussten diese Brocken in grauer Vorzeit hier her geschleift haben. In ein Gebiet, dessen Untergrund ganz anders beschaffen war. Der Unterschied war selbst für geologische Laien nicht zu übersehen. Jetzt verwitterte dieser ehemals massive Riesenbrocken langsam. Wind und Wetter hatten einen zerklüftetes Relief in den Stein gemeißelt.
Karalaitis stoppte.
Den Multikarabiner legte er über die Schulter.
Sein Helmvisier war hochgeklappt.
Er ließ kurz den Blick hinauf zu den Baumwipfeln schweifen.
Die letzte Begegnung mit einem Kelradan-Gleiter war fast zwei Stunden her.
Karalaitis deutete die Anhöhe hinauf.
"Wir gehen dort hinauf", bestimmte Karalaitis lakonisch.
Jay wusste, was der Master Sergeant damit bezweckte.
"Man dürfte eine gute Aussicht von dort oben haben!", meinte er.
"Ich möchte mir einen Überblick verschaffen", kündigte Karalaitis an. "Die Kelradan sind mir schon fast ein bisschen zu ruhig..."
Sie machten sich an den Aufstieg. Ein schmaler Pfad führte hinauf. Der hohe Sauerstoffgehalt der Atmosphäre erleichterte das Klettern. Jay und Karalaitis hatten sich natürlich während ihrer Zeit auf Eldorado längst an diesen Effekt gewöhnt.
Die beiden Gardisten kletterten einen steilen, rutschigen Hang empor und gelangten schließlich auf einen schmalen Pfad, der weiter hinauf zur Kuppe führte.
Dicke Felsbrocken boten überall Deckung.
Ein Detonationsgeräusch ließ Karalaitis und Jay kurz innehalten.
"Das kam von dort", meinte Jay und deutete Richtung Südosten.
"Das erste Kampfgeräusch seit längerer Zeit", stellte Karalaitis fest.
"Unsere Jungs wissen sich ihrer Haut schon zu wehren!", meinte Jay.
Karalaitis lachte bitter.
"Das hätte ich von Dales, Al-Zia und Caine auch gedacht."
Jay schwieg.
Er hatte das Gefühl, dass jede weitere Bemerkung, Karalaitis Grimm nur noch verstärkte.
Als die beiden Männer eine Höhe erreicht hatten, die einen ersten Rund-um-Blick erlaubte, hielt Karalaitis inne. Er ließ den Blick über den Wald schweifen.
Der Fluss war deutlich erkennbar. Aber er war nicht die einzige Schneise, die durch das Grün des Waldes gezogen wurde.
Es gab regelrechte Bahnen, die beinahe parallel zueinander verliefen.
"Was ist das?", erkundigte sich Jay.
"Ich dachte, Sie hätten das Datenmaterial über Eldorado genau studiert, bevor Sie hier her kamen, Rekrut Singh", tadelte Karalaitis.
Jay zuckte die Achseln. "Wir sind jetzt schon ziemlich lange in diesen Wäldern, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. Es sieht aus, als hätte jemand versucht, Schneisen für Straßen oder Siedlungen zu schlagen."
Karalaitis verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.
"Diese Schneisen stammen noch nicht einmal von irgendeiner Intelligenz. Die hiesigen Riesenschnecken verursachen sie, wenn sie durch die Wälder streifen."
"Die, deren Körper von einem Säureschleim bedeckt ist?"
"Genau", nickte Karalaitis. "Es kommt nicht oft vor, dass sich diese an sich harmlosen Biester in die Wälder verirren. Normalerweise bevölkern sie die Grasebenen. Bislang hat sich noch niemand die Mühe gemacht zu erforschen, weshalb die Riesenschnecken in die Wälder gehen. Man vermutet, dass sie hin und wieder ganz bestimmte Pflanzen zu sich nehmen müssen, die nur in den Wäldern zu finden sind. Hängt entweder mit ihrem Stoffwechsel zusammen oder mit ihrem komplizierten Paarungsverhalten. Aber das soll uns jetzt nicht weiter kümmern..." Er wandte Jay einen düsteren Blick zu. "Komisch, ich hatte eigentlich gedacht, Sie wären der hundertfünfzigprozentige Typ, der das Datenmaterial mehr oder weniger auswendig lernt."
"Den relevanten Teil habe ich hier drin", versicherte Jay und tockte sich dabei gegen den Helm.
Karalaitis machte eine wegwerfende Handbewegung. "Was während des Einsatzes relevant ist, weiß man vorher nie. Merken Sie sich das. Sie haben vielleicht gedacht, dass Sie hier eine Übung absolvieren, bei der Ihnen beigebracht wird, wie Sie in der Wildnis auf sich gestellt überleben und einen Hypersender gegen Feinde mit ausgefeilter Tarntechnik verteidigen."
"Richtig."
"Sie haben gesehen, wie schnell sich die Prämissen ändern können."
"Ja, Sir."
Eine Gruppe von Kelradan-Gleiter tauchte jetzt auf.
Sie flogen in breiter Formation über die Wälder, entfernten sich immer mehr voneinander.
"Die suchen systematisch das Gebiet ab", stellte Karalaitis fest. "Unsere Strategie geht auf. Sie sind dazu gezwungen, den Hauptteil ihrer Streitmacht einzusetzen, um uns auch nur auf den Fersen zu bleiben. Dadurch, dass wir uns aufgeteilt haben, stehen sie vor einer unangenehmen Wahl: Entweder mit Kanonen auf Spatzen schießen oder gar nichts tun."
Karalaitis und Jay setzten ihren Aufstieg fort.
Nach einer Viertelstunde erreichten sie die Kuppe. Ein paar Felsblöcke boten hier spärliche Deckung. Außerdem hatten es etwa ein Dutzend Bäume geschafft, ihre Wurzeln in dem harten Untergrund zu verankern und wurden dafür mit einem Platz an der Sonne belohnt. Um in den Genuss des Sonnenlichts zu gelangen, hatten sie es gar nicht nötig, besonders hoch zu wachsen.
Jay verzehrte einen Teil seiner am Mann mitgeführten Ration.
Karalaitis verzichtete darauf.
Der Master Sergeant hatte nichts gegessen, seit er mit seinen Leuten die Höhle in der Klamm verlassen hatte.
Karalaitis blickte noch einmal in Richtung der Gleiter.
Insgesamt sieben Einheiten waren von der Hügelkuppe aus zu sehen.
Zwei davon näherten sich jetzt zusehends.
"Sieht aus, als kämen sie direkt auf uns zu!", stellte Jay fest.
Karalaitis schwieg dazu.
Seine Augen wurden schmal.
Er überprüfte seinen Multikarabiner.
Die Flugrichtung der beiden Gleiter, die sich aus der Gruppe gelöst hatten, war eindeutig. Zielstrebig bewegten sie sich auf die Anhöhe zu, auf deren Kuppe Karalaitis und Jay sich gerade befanden.
"Sie können uns doch nicht geortet haben!", stieß der Inder hervor.
"Genau das scheint aber der Fall zu sein!", murmelte Karalaitis. "Los, in Deckung!"
Die beiden Männer verbargen sich hinter Felsblöcke, während der Gleiter sich sehr rasch näherte. Ein schneller Abstieg in den Wald wäre nicht mehr möglich gewesen.
Der Gleiter verharrte über der Kuppel.
Die Blasterbatterien bewegten sich suchend.
In diesem Moment schoss etwas aus dem nahen Wald heraus.
Von zwei verschiedenen Stellen ging dieser Beschuss aus. Die Projektile trafen den Gleiter exakt an den Feldprojektoren des Antigravaggregats.
Das sind unsere Leute!, erkannte Karalaitis.
Der Gleiter trudelte seitwärts. Vergeblich versuchte der Pilot, die Flugbahn des Schwebers zu stabilisieren. Die Blasterbatterien feuerten wild in der Gegend herum. Strahlen durchzuckten die Luft.
Der Gleiter schrammte über die Baumwipfel und krachte schließlich hart zu Boden. Dabei zog er eine Schneise der Verwüstung hinter sich her.
Der