Stefan Schmidt R.

Pflegereduzierte Grünflächen


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im Landschaftspark München Riem (Bild 1) oder der Quai Louis XVIII in Bordeaux (Bild 2) zeigen, dass besondere Vegetationsflächen durch ihre Wirkung und Vielfalt zentrale Bedeutung für die moderne Grünflächengestaltung haben können. Die Pflanzungen besetzen dabei große Flächen und prominente Stellen. Oft sind sie durch unkonventionelle Bepflanzungstypen gekennzeichnet und erzeugen Atmosphären und besondere Orte im Stadtgefüge. Sie verleihen dem Park und dem Quartier damit neue Qualitäten und haben so eine neue Wertschätzung von Pflanzungen in Parks geschaffen.

       Erwartungen an Stadtgrün

      Die Vielfalt der Lebensentwürfe hat auch das Spektrum der Erwartungen an Stadtgrün verändert. Sie reichen vom traditionellen Rosengarten, dem gepflegtem Abstandsgrün bis hin zu neuen Formen urbaner „Natur“, die sich von Präriepflanzungen bis zum Vegetationsmanagement für extensive Parks ausdrückt [1].

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       (2) Park am Quai Louis XVIII in Bordeaux (Bild: © Sigurd Henne)

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       (3) Hochwertige Pflanzungen im gewerblichen Grün, Münchner Rück, München (Bild: © Sigurd Henne)

      Neben öffentlichen Flächen hat sich auch die Gestaltung von gewerblichen Freiflächen stark verändert. Jenseits des üblichen Abstandgrüns erwarten Dienstleistungsunternehmen heute von gewerblichen Freiräumen Akzente für ihre Firmenkultur. Die Pflanzungen sollen die Qualität und „grüne“ Kultur des Unternehmens sichtbar machen und müssen auch auf beschränktem Raum bei Kunden und Mitarbeitern Eindruck machen (Bild 3). Den Rahmen setzt dabei das Facility Management mit klaren Vorgaben für Pflegekosten. Dadurch ist eine effektive Vegetationsplanung erforderlich, die für das breite Aufgabenspektrum unterschiedliche, extensiv gepflegte Bepflanzungstypen anbietet.

      Es zeichnet sich ab, dass Pflanzungen in Freiflächen auch zukünftig einen wichtigen Stellenwert haben werden. Die Finanzmittel für Pflanzungen werden langfristig aber nur dann zur Verfügung stehen, wenn Bepflanzungstypen zur Verfügung stehen, die mit vertretbarem Aufwand gepflegt werden können. Ein weiteres zentrales Kriterium ihres Erfolgs ist das dauerhafte ästhetische „Funktionieren“ auch von pflegereduzierten Bepflanzungen. Sie müssen ganzjährig gepflegt wirken, um die gewünschte positive Bewertung zu erreichen.

      Das Flächenwachstum der Städte und das Leitbild der „grünen Mitte“ der Nachkriegszeit haben die Fläche öffentlichen Grüns signifikant zunehmen lassen. Gleichzeitig führten Rationalisierungsmaßnahmen und finanzielle Kürzungen zu sinkenden personellen Kapazitäten und Finanzmitteln bei der öffentlichen Grünpflege. In der Folge sanken die Mittel für die Pflege der öffentlichen Freiflächen je Flächeneinheit sukzessive weiter (vgl. [2]).

      Parallel dazu eröffnete der Großsiedlungsbau der 60er Jahre der Pflanzplanung die Aufgabe, großflächige Vegetationstypen zu entwickeln, die extensiv zu pflegen sein sollten. In den Siedlungen und beim Abstandsgrün entstanden in der Folge große Flächen mit Rasen oder bodendeckenden, pflegearmen Kleinstrauchpflanzungen. Diese extensiven, aber monotonen Flächenbegrünungen wurden später stark kritisiert und als Alternative naturnahen Bepflanzungstypen für extensive Aufgaben gefordert.

      Alternativen schienen hochwertige Bepflanzungstypen vor allem nach dem Prinzip der Leitstaudenpflanzungen nach Geselligkeitsstufen zu liefern (vgl. [3]). Sie integrieren vegetationsökologische Mechanismen für naturnahe Bepflanzungssysteme mit dem Ziel, sich selbst stabilisierende Pflanzengemeinschaften zu erzeugen. Dieser Ansatz lieferte in der Folge zwar wertvolle Impulse für die Entwicklung der Pflanzenverwendung. Er sorgte aber auch dafür, dass andere Ansätze pflegereduzierter Flächenpflanzungen, wie beispielweise differenzierte Block- oder Streupflanzungen, in den Hintergrund traten.

      Bei komplexen, naturnahen Bepflanzungssystemen zeigten sich bald Umsetzungsprobleme im öffentlichen Raum. Ursache ist die hohe Fachkompetenz, die bei Planer und Pflegekräften gefordert ist. Um die Vegetationsdynamik zur Stabilisierung von Pflanzungen nutzen zu können, erfordert ein dynamisches Pflegekonzept mit spezifischen Pflegemethoden hohe Anforderungen an die Artenkenntnis, um Arten im Stadium von Sämlingen und Ausläufern zu erkennen. Diese Kenntnisse waren auch in der Folge der Rationalisierungen bei den Pflegekräften der öffentlichen Verwaltungen immer weniger verfügbar. Da eine fachgerechte Pflege nicht gesichert oder Planung und Herstellung fehlerhaft waren, verschwanden viele hochwertige Pflanzungen fast vollständig aus dem öffentlichen Raum.

      In der Folge wurden daher Alternativen für ästhetisch hochwertige und pflegereduzierte, aber robuste Bepflanzungssysteme für den öffentlichen Raum gesucht. Im Fokus standen dabei zunächst Bepflanzungssysteme mit sehr extensiver Pflege, wie Abstands- oder Verkehrsgrün.

      Mit dem Prinzip der Staudenmischpflanzungen (vgl. Kapitel Staudenmischpflanzungen) wurde in den 90er Jahren ein neuer Bepflanzungstyp erfolgreich etabliert, der sein Potenzial bereits nachweisen konnte. Das Einsatzspektrum wurde durch Erweiterungen des Konzepts durch Axel Heinrich noch gesteigert, der u. a. Mischpflanzungen mit C-Strategen vorschlägt (vgl. [4]). Bereits gescheiterte Mischpflanzungstypen zeigen aber auch, dass es noch Entwicklungspotenziale hinsichtlich der Qualitätsstandards, der technischen Planung und Ausführung und hinsichtlich regionaler Klimaanpassung gibt. Es wurde auch deutlich, dass vorgefertigte Mischpflanzungen keine Universallösung für alle Aufgabentypen darstellen. Die vorliegende Veröffentlichung stellt daher über Mischpflanzungen hinaus ein breites Methodenspektrum vor, um Spielräume für eine zielgenaue Auswahl des Bepflanzungstyps zu eröffnen, die auf die Rahmenbedingungen des Projekts optimal zugeschnitten sind. Um das Spektrum verschiedener Typen von pflegereduzierten Pflanzungen einordnen zu können, sind nachfolgend aktuelle Anforderungen und Rahmenbedingungen für extensive Pflanzungen genauer formuliert.

      Die Zunahme von Freiflächen und der Verlust von Personal und Finanzmitteln zwingen die öffentlichen und gewerblichen Grünflächenverwaltungen dazu, professionelle Methoden in Richtung eines Facility Managements anzuwenden. Unter dem Schlagwort der Lebenszykluskosten wird der wirkliche Aufwand jedes Freiraumelements ermittelt und gerade die Pflegekosten und Grünflächeninformationssysteme gewinnen an Bedeutung. Die Pflanzplanung öffentlicher Freiflächen wird diese Perspektive zukünftig stärker berücksichtigen müssen. Dabei geht es nicht allein um die Optimierung der Pflegekosten.

      Noch wichtiger sind die Konsequenzen der Pflegestufensysteme im Rahmen des Grünflächenmanagements. Ganze Parks oder einzelne Pflanzungen in unterschiedliche Pflegeklassen einzuteilen, führt zu klaren Planungsvorgaben über die Intensität und Struktur der Pflege. Mittelfristig geht es um die Struktur der Bepflanzungen, die nicht nur die Pflege reduzieren, sondern vor allem auch das Outsourcing von Pflegeleistungen ermöglichen soll. Mit dieser Option gewinnen Bepflanzungstypen an Bedeutung, die durch Pflegekräfte mit geringem Ausbildungsniveau gepflegt werden können. Aus diesem Grund wird es auch zu einer Professionalisierung bei der Pflegeplanung und Pflegekontrolle und Qualitätssicherung beim Outsourcing von Pflegeleistungen kommen müssen.

      Grundsätzlich führen die Ziele des Grünflächenmanagements zu Bepflanzungstypen