Stefan Schmidt R.

Pflegereduzierte Grünflächen


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Betrachtung von Lebenszykluskosten der Dauerhaftigkeit von Pflanzungen ein höherer Stellenwert zukommen.

      Die Veränderungen der Städte werden zukünftig eine Vielfalt extensiver Freiflächen entstehen lassen. Ihr Spektrum reicht von extensiven Parks an der Peripherie, über temporäre Freiflächen bis zu Freiflächen mit gesteuerter Vegetationsdynamik. Das Nebeneinander verschiedenster Typen und das Ziel der reduzierten Pflege kann mit dem Spektrum konventioneller Bepflanzungen nicht erreicht werden. Es ist absehbar, dass sehr spezifische Systeme der Vegetationsplanung entstehen werden, die mit einem genau angepassten Methodenrepertoire für Planung, Anlage und Pflege auf die verschiedenen Rahmenbedingungen reagieren. Besonders die Techniken der Herstellung und Pflege müssen optimiert werden. Notwenige Innovationen betreffen v. a. die Vegetationstechnik. Sie reichen von speziellen Mulchmaterialien und Pflanzsubstraten bis zu Pflegetechniken und -maschinen. Technische und methodische Innovationen werden nicht nur den Erfolg pflegereduzierte Bepflanzungssysteme sichern. Sie sind die Voraussetzung, dass sie durch ein hochprofessionelles Grünflächenpflegemanagement eingesetzt werden.

      Das Spektrum der unterschiedlichen Typen planerisch zu beherrschen, setzt mehr als das Spektrum der klassischen Pflanzenverwendung voraus. Vom Planer werden vertiefte Kenntnisse über verschiedene Bepflanzungstypen mit spezieller Vegetationstechnik, ihre Einsatzbereiche und das Verhältnis von Pflegeniveau und Bepflanzungstyp erwartet. Mit der wachsenden Breite und Komplexität des Wissens und Ausbildungsdefiziten zu diesem Thema werden daher Spezialisten und vorgefertigte Bepflanzungssysteme an Bedeutung gewinnen – was auch die Verbreitung der Mischpflanzung „Silbersommer“ beweist. Ihre Häufigkeit zeigt, dass kleinere Bauverwaltungen sie für überschaubare Aufgaben ohne Fachplaner einsetzen. Um Monotonie vorzubeugen und eine sichere Umsetzung der Systeme durch Verwaltungen, Landschaftsbauunternehmen und angelernten Pflegekräften sicherzustellen, sind genaue und gut nachvollziehbare Planungs- und Ausführungshinweise und Aspekte zur Qualitätssicherung erforderlich, die in dieser Veröffentlichung vorgestellt werden.

      Bei der Wahl des geeigneten Bepflanzungstyps sind viele Faktoren zu bedenken. Zunächst sollte nicht vergessen werden, dass gut gepflegt wirkende Pflanzungen für die Bürger ein sichtbarer Ausdruck gelungenen Verwaltungshandelns sind. Dabei sollte der Unterschied zwischen Fachleuten und Laien bedacht werden. Naturhafte und vielfältigere Artenkombinationen entsprechen nicht immer den Erwartungen vieler Nutzer. Einige Verwaltungen bevorzugen deshalb einfach strukturierte Pflanzungen, die leichter als gepflegt erkannt werden. Für das breite Aufgabenspektrum wird es im öffentlichen Raum zukünftig dennoch ein Nebeneinander von unterschiedlichen konventionellen und pflegereduzierten Bepflanzungstypen geben.

      In den folgenden Kapiteln wird das Spektrum pflegereduzierter Misch-, Block und Streupflanzungen sowie Ansaaten detailliert dargestellt. Es werden Hinweise zu Aufgabenspektrum, Gestaltungspotenzialen, spezifischen Methoden der Planung, Herstellung und Pflege gegeben. Sie stellen sicher, dass die angestrebte Qualität unter den gegebenen Rahmenbedingungen erreicht und erhalten werden kann.

       Literatur

      [1] Henne in Kowarik; I. & Körner, S. (EDS.) (2006): New Perspectives for Urban Forestry. Springer, Frankfurt

      [2] Steidle-Schwan in Niesel, A. (2006): Grünflächenpflegemanagement. Ulmer, Stuttgart

      [3] Hansen, R. & Stahl, F. (1997): Die Stauden und ihre Lebensbereiche. Ulmer, Stuttgart

      [4] Heinrich, A. & Messer, U. (2012): Staudenmischpflanzungen – Praxis Beispiele Tendenzen

      Die Kenntnis pflanzlicher Überlebensstrategien kann dabei helfen, dynamische Prozesse in Pflanzungen besser zu verstehen und vor allem zukünftige Entwicklungen im Vorhinein abzuschätzen. Die Erkenntnisse werden vor allem im Bereich des Naturschutzes beim Vegetationsmanagement genutzt. Die Anwendung erscheint aber grundsätzlich auch für gärtnerische Pflanzungen geeignet, da hier ähnliche ökologische Mechanismen zu erwarten sind.

      Grundsätzlich gibt es zwei wesentliche Umwelteinschränkungen, die das Wachstum und Überleben von dominanten Arten limitieren: Stress und Störungen [1]. Auftretender Stress am Standort beeinflusst die physiologischen Prozesse in der Pflanze und schränkt die Wachstumsrate ein. Dadurch wird die Biomasseproduktion verringert. Störungen dagegen verletzen oder zerstören Teile der Pflanze (z. B. Mahd, Rückschnitt) oder vernichten die gesamte Vegetation, das heißt sie wirken sich direkt auf die schon vorhandene Biomasse aus.

      Wesentliche Stressfaktoren an Pflanzenstandorten sind vor allem extrem niedrige oder hohe Temperaturen, tiefer Schatten, Trockenheit oder geringe Nährstoffverfügbarkeit. Störungsfaktoren sind beispielsweise Beweidung, Tritt, Bodenbearbeitung, Feuer, Mahd oder Rückschnitt. Während der Evolution haben Pflanzen, die in ihrem Lebensraum solchen Umwelteinschränkungen ausgesetzt sind, Anpassungen entwickelt, die ihnen das Überleben und die Regeneration an diesen Standorten ermöglichen. Jeder Standort zeigt daher charakteristische Spektren angepasster Strategietypen, die sich gut heranziehen lassen, um Veränderungen in der Vegetation zu dokumentieren, wie beispielsweise Auswirkungen des Klimawandels oder zunehmende Nährstoffeinträge durch Stickoxide.

      Grime (1979) hat drei grundsätzliche Reaktionen oder „Strategien“ gefunden, wie Pflanzen an Standorten überleben, die von verschiedenen Kombinationen und Intensitäten von Stress oder Störungen beeinflusst werden. Die entsprechenden pflanzlichen Funktionstypen werden als Konkurrenz-, Stress- und Ruderal-Strategen bezeichnet.

       Konkurrenz-Strategen (C-Strategen, C = competitive)

      Die Kombination von wenig Stress (gute Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit) und nur geringen oder seltenen Störungen (keine Mahd) ist charakteristisch für „produktive“ Standortbedingungen. Solche guten Bedingungen fördern einen starken Pflanzenwuchs und die Dominanz von wuchskräftigen Arten. Pflanzenarten mit guter Anpassung an diese produktiven Lebensräume sind meist hohe, vegetativ ausbreitungsstarke Stauden mit raschem Wachstum. Sie sind sehr effektive Konkurrenten, die häufig die Vegetation dominieren und dabei weniger konkurrenzstarke Arten verdrängen, was zu wenig artenreichen Beständen führen kann. Typische C-Strategen sind Brennnessel (Urtica dioica) und Weidenröschen (Chamerion angustifolium).

      Die C-Strategie zielt darauf ab, die Ressourcennutzung (Licht, Wasser, Nährstoffe) zu maximieren. C-Strategen investieren deshalb in üppiges Wachstum und starke vegetative Ausbreitung, um dadurch noch mehr Ressourcen aus der Umgebung nutzen zu können. Einzig Stress und Störungen scheinen auf produktiven Standorten das unbändige Wachstum der C-Strategen zu limitieren und sie daran zu hindern, dominant zu werden. Stress reduziert die Wuchshöhe und die vegetative Ausbreitung konkurrenzstarker Arten und ermöglicht so die Koexistenz von Pflanzen, die weniger Konkurrenzkraft besitzen.

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       (1) Pflanzungen aus C-Strategen zeigen üppiges Wachstum und produzieren viel Biomasse, die im Spätwinter herunter geschnitten werden muss. Das Schnittgut kann als Mulchmaterial in der Fläche verbleiben. (Bild: © Cassian Schmidt)

       Stresstoleranz-Strategen (S-Strategen, S = stress tolerant)

      An Standorten mit sehr begrenzten Ressourcen (wenig Nährstoffe, Wasser,