Markus Götz

bauhofLeiter-PraxisSpezial: Winterdienst kompakt


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auf das Zumutbare ein. Insbesondere wird die Leistungsfähigkeit der einzelnen Körperschaften des öffentlichen Rechts (Kommunen und Landkreise) berücksichtigt. Hier gilt der Grundsatz, dass zunächst der Verkehrsteilnehmer selbst für sich die Verantwortung trägt; er muss sein Verhalten dem Straßenzustand anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (OLG Frankfurt, OLGR 2002, 115). Erst dann, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht mehr selbst in der Lage ist, die Situation trotz der im Winter zu beobachtenden besonderen Sorgfalt zu beherrschen, tritt die Verkehrssicherungspflicht ein, die der Bauhof zu erbringen hat. Diese Pflicht ist aber nicht grenzenlos, sondern unterliegt räumlichen und zeitlichen Einschränkungen.

      Ganz allgemein findet die räumliche Unterscheidung danach statt, ob das winterdienstlich zu behandelnde Gebiet innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortslage liegt; die zeitliche Unterscheidung kann ganz grob mit Tag und Nacht vorgenommen werden.

      Neben dieser räumlichen und zeitlichen Unterscheidung wird zusätzlich zwischen Fahrverkehr und Personenverkehr differenziert.

      Der Verkehr wird aus rechtlicher Sicht in Fahr- und Personenverkehr unterschieden.

      Innerhalb geschlossener Ortslage

      Die Fahrbahnen der öffentlichen Straßen innerhalb geschlossener Ortslage sind lediglich an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen bei Schnee- und Eisglätte zu räumen und zu streuen (BGH, VersR 1990, 1148). Es sind die drei Begriffe „geschlossene Ortslage“, „verkehrswichtig“ und „gefährlich“ zu klären.

      Eine geschlossene Ortslage ist der Teil des Gemeindegebiets, der zusammenhängend bebaut ist. Somit sind innerhalb des Gemeindegebiets nur der Ort selber und einzelne Ortsteile winterdienstlich zu bedienen, die zusammenhängend bebaut sind, nicht aber das gesamte Gebiet innerhalb der Gemeindegrenze. Einziges Kriterium für den Winterdienst ist die zusammenhängende Bebauung, nicht aber die Ortstafel, OD-Punkte oder Ähnliches. Die zusammenhängende Bebauung wird nicht durch Baulücken, brachliegende Grundstücke etc. unterbrochen, wenn sich die Bebauung im Übrigen fortsetzt.

      Die Verkehrswichtigkeit einer Straße ergibt sich aus ihrer Verkehrsbelastung. Verkehrswichtig sind Straßen, wenn sie im Verhältnis zu allen anderen Straßen im Gemeindegebiet den meisten Fahrverkehr tragen, und zwar dauernd. Einzelne Verkehrsbelastungen zu Spitzenzeiten („rush hour“) reichen allein nicht aus, eine Straße verkehrswichtig zu machen. Die Verkehrswichtigkeit muss messbar sein, sodass andere Kriterien ausscheiden (Busverkehr, Zufahrt zum Krankenhaus etc.). Konkret ist also für jede einzelne Gemeinde festzustellen, auf welchen ihrer Straßen der meiste Kfz-Verkehr dauernd stattfindet. Dazu gehören verkehrsreiche Durchgangsstraßen und viel befahrene innerörtliche Hauptverkehrsstraßen (BGH, VersR 1990, 1148) und – als Besonderheit – auch Ortsdurchfahrten von klassifizierten Straßen. Bei klassifizierten Straßen reicht die Klassifizierung aus; die Verkehrsbedeutung ist nicht mehr zu prüfen. Darum muss selbst eine klassifizierte Straße mit wenig Verkehr geräumt und gestreut werden (vgl. Wichmann, Manfred, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 6. Auflage 2009, S. 100).

      Gefährlich sind diejenigen Straßenstellen, an denen ein Kraftfahrer trotz der im Winter zu beobachtenden besonderen Sorgfalt nicht in der Lage ist, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen oder sich nicht rechtzeitig auf sie einstellen kann. Dazu gehören Straßenstellen, an denen Kraftfahrer erfahrungsgemäß bremsen, ausweichen oder sonst ihre Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit ändern und daher bei Eis- oder Schneeglätte ins Schleudern oder Rutschen geraten (BGH, VersR 1990, 1148), z. B. scharfe, unübersichtliche oder sonst schwierig zu durchfahrende Kurven, starke Gefällstrecken, unübersichtliche Kreuzungen und Straßeneinmündungen, auffallende Verengungen etc. Wesentlich ist aber immer, dass es sich um unvermutete Gefahren handeln muss, die selbst mit sorgfältiger Fahrweise nicht zu meistern sind; Schneeglätte allein macht eine Straße nicht gefährlich. Denn dann wären alle schneebedeckten Straßen gefährlich mit der Folge, dass sie alle zu räumen und zu streuen wären.

      Öffentliche Straßen sind die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze. Sie sind von den öffentlichen Körperschaften in aller Regel aufgrund des Landesstraßengesetzes zu räumen und zu streuen. Bei nicht gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen, auf denen die öffentliche Körperschaft einen Verkehr eröffnet oder zugelassen hat, ist der Winterdienst auf der Grundlage der von der Rechtsprechung entwickelten Verkehrssicherungspflicht zu leisten. Der Pflichtenkreis (Gesetz oder Verkehrssicherungspflicht) ist im Wesentlichen deckungsgleich.

      Die beiden Kriterien „verkehrswichtig“ und „gefährlich“ müssen gleichzeitig vorliegen. Die Verkehrswichtigkeit oder Gefährlichkeit einer Straße reicht allein nicht aus, um eine Verkehrssicherungspflicht für die öffentliche Körperschaft zu begründen.

      Die Räum- und Streupflicht für die öffentliche Körperschaft gegenüber dem Fahrverkehr entsteht somit erst dann, wenn sich die öffentliche Straße

      • innerhalb geschlossener Ortslage befindet und

      • sie sowohl verkehrswichtig als auch

      • gleichzeitig gefährlich ist.

      Diese Grundsätze gelten auch für Radwege (BGH, VersR 2004, 213), d. h., die öffentlichen Körperschaften müssen nur an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen tätig werden. Bei gemeinsamen Geh- und Radwegen (Verkehrszeichen 240 zu § 41 StVO) ist die Rechtslage anders: Sie sind wie Gehwege zu behandeln, der Radfahrer nimmt nur am Schutz des Fußgängers teil.

      In zeitlicher Hinsicht ist der Hauptberufsverkehr zu schützen: Die Straßen müssen vor Beginn des üblichen Tagesverkehrs winterdienstlich in Ordnung gebracht werden; der Schutz des Straßenverkehrs dauert den ganzen Tag über an und endet mit Rückgang des Tagesverkehrs am Abend. Üblicherweise ist also der Winterdienst zwischen 7.00 und 20.00 Uhr von der Kommune auf den öffentlichen Straßen zu erbringen, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die eine andere Regelung notwendig machen. Dies ist von den örtlichen Verhältnissen (z. B. Dorf oder Großstadt) und von der Verkehrsdichte abhängig.

      Großveranstaltungen, die nachts enden, sind durch den Winterdienst nicht zu schützen. Denn nachts besteht insoweit keine Verkehrssicherungspflicht der öffentlichen Körperschaften auf öffentlichen Straßen (BGH, VersR 1964, 334).

      Sollte trotzdem eine nächtliche Maßnahme erforderlich werden, so trifft dies nicht die Kommune. Vielmehr ist dann die Polizei gefordert, für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Sie kann nicht den Bauhof anweisen, nachts zu räumen oder zu streuen, abgesehen von dem Umstand, ob der Bauhof zur Tageszeit hätte etwas unternehmen müssen, nämlich räumen und streuen nur an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen.

      Eine Pflicht zum vorbeugenden Streuen gibt es nicht. Wenn aber schon während der üblichen Streuzeit für den Streupflichtigen absehbar ist, dass es außerhalb der Streuzeit an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen eisglatt werden wird, ist zu streuen, um Unfälle zu vermeiden.

      Außerhalb geschlossener Ortslage

      Außerhalb geschlossener Ortslage ist der Winterdienst auf öffentlichen Straßen zu erbringen, die verkehrswichtig und gleichzeitig besonders gefährlich sind. Eine besonders gefährliche Stelle liegt vor, wenn Anlage oder Zustand der Straße die Bildung von Glatteis begünstigen oder seine Wirkung erhöhen und der Kraftfahrer diese besonderen Verhältnisse trotz der bei Fahrten auf winterlichen Straßen von ihm zu fordernden erhöhten Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und sich nicht oder nicht rechtzeitig auf sie einstellen kann (BGH, VersR 1985, 271). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass den Verkehrsteilnehmer außerhalb geschlossener Ortslage eine erhöhte eigene Sorgfalt trifft.

      Auch