Rex Schulz

Im Jahr des Wolfes


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       Epilog

       Anmerkungen des Autors

       Anhang

       Quellen

       Vorwort

      Die Welt hat sich verändert. Wir befinden uns in Neu Germanien. Neu Germanien umfasst das ehemalige Deutschland, Österreich, Holland und Teile der Schweiz. Es grenzt westlich an das Gebiet der Gallischen Gilde und rechts an Großrussland, das neben Russland, Polen, Tschechien, die Slowakei, Bulgarien und Rumänien auch große Teile des ehemaligen Jugoslawien einschließt, die das ehemalige Russland „annektiert“ hat.

      Rund um das Schwarze Meer liegt das Gebiet der Schwarzmeerkoalition. Im Norden befindet sich die Grenze zum Kalifat.

      Zwar ist die zweite große Völkerwanderung nun fast vierhundert Jahren her, doch noch immer sind tausende Menschen auf der Suche nach einer Heimat, in der sie in Frieden leben und arbeiten können. Die Menschen besinnen sich aber auch wieder auf die wahren Werten des Lebens, weshalb Begriffe wie Familie, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt großgeschrieben werden.

      Viele fanden in der Religion ihrer Ahnen Antworten, und was im Kleinen begann, wurde im Lauf der Zeit zu einer Massenbewegung. Seitdem leben die Menschen in Neu Germanien wie ehedem nach alten Bräuchen und Riten. Also ist nach fast anderthalb Jahrtausenden Vorherrschaft durch die Jünger des Wanderpredigers aus Judäa das Heidentum erneut zur Volksreligion geworden. Vorbei ist die Zeit, als Druiden und Kräuterfrauen von der katholischen Kirche als Ketzer gemartert und verbrannt wurden. Stolz tragen Alemannen, Sueben, Markomannen, Cherusker, Angeln, Friesen, Sachsen oder Gepiden ihre Stammes-Runen auf der rechten Schläfe, ehren ihre Ahnen und gehen aufrechten Hauptes ihrer Arbeit nach.

      Enttäuscht von dieser Entwicklung hat sich die Kirche Christi nach Rom zurückgezogen. Ihre unermesslichen Güter und Schätze dienen nun dem Gemeinwohl.

      Trotzdem gilt die absolute Glaubensfreiheit im Lande, und jeder Mensch ist willkommen, wenn er sich denn in die Gesellschaft einfügen will.

      Das Wohl des Landes steht an erster Stelle. Nachdem in jahrzehntelanger Mühe das Land gesäubert und vom Müll befreit wurde, leben die Menschen nun im Einklang mit der Natur und hüten, was ihnen von den Göttern an Schönheit und Reichtum gegeben wird. Atomkraftwerke gibt es nicht mehr, ebenso wie Stein- und Braunkohlekraftwerke vom Gebiet Neu Germaniens verschwunden sind. Stattdessen wird die Energie aus der kalten Fusion gewonnen. Die Größe eines Meilers richtet sich nach dem jeweiligen Gerät oder der Anlage, wofür er benötigt wird. Durch Miniaturisierung können selbst kleinste Maschinen mit einem autarken Energiesystem versehen werden.

      Massentierhaltung ist verpönt, ein Sonntagsbraten ist wieder ein Sonntagsbraten.

      Jeder lebt so, wie er es möchte. Ob in einer kleineren Gemeinschaft oder auf einem der zahllosen Bauernhöfe des Landes, in kleinen oder großen Städten.

      Tradition und Fortschritt sind eng miteinander verbunden und gehen in Harmonie miteinander.

      Es ist das Jahr 355 NGZ – Neuer Germanischer Zeitrechnung. Geburtenregelung schützt das Land vor Überbevölkerung. Losgelöst von alten Vereinigungen und Verbindungen blüht das Land und gedeiht. Vereint mit den Samurai Japans, den freien Wikingern Islands und Dänemarks und der Gallischen Gilde Nordfrankreichs sehen die Bürger Neu Germaniens einer freudigen Zukunft entgegen. Wirtschaftlich hat sich das Land mit Großrussland alliiert: während Neu Germanien Großrussland mit den neuesten Technologien versorgt, kann es im Gegenzug auf die fast unerschöpflichen Ressourcen dieses riesigen Landes zugreifen. Was vor Zeiten undenkbar war, ist nun wahr geworden – Germanen und Slawen leben friedlich miteinander.

      Heimdalls Horden wachen über die Grenzen und versuchen, den Zustrom von Menschen in das Land in geregelte Bahnen zu bringen. Wotans Wölfe sorgen für die innere Sicherheit und haben damit alle Hände voll zu tun, denn es schleichen sich immer wieder Psychopaten, Verbrecher und religiöse Fanatiker über die Grenzen ein und wollen Unheil im Lande anrichten.

      Über allen weht die Fahne mit dem schwarzen, grünen und blauen Streifen. Schwarz symbolisiert die fruchtbare Erde, die Felder und Wälder Neu Germaniens bedeuten das Grün und mit Blau werden die Flüsse, die das Land durchlaufen, versinnbildlicht. In der Mitte der Flagge prangt, rot auf weißem Grund, der Wotansknoten, Symbol der Neun Welten des Yggdrasil, der Weltesche, mit all den Göttern und mystischen Wesen, die die Menschen tagtäglich begleiten.

      Über die Geschicke des Landes entscheidet der Rat der Könige, der aus den frei gewählten Herrschern der einzelnen Stämme besteht.

      Wissenschaft und Kultur blühen, eine bahnbrechende Erfindung folgt der nächsten, die Menschen sind zufrieden und die Zeit des Friedens hält unvermindert an. Doch heißt es, stets wachsam zu sein!

       Kapitel 1

      In der Zeit der Raunächte haben alle Räder still zu stehen.

      Zu Ehren der Wiedergeburt des Sonnenkindes warten wir,

      bis Freyrs Eber am Ende dieser Zeit das Jahresrad wieder

      in Gang setzt, und feiern dieses Ereignis mit der traditionellen

      Schlachtung eines Wildschweins.

      (CHARTA GERMANIA)

      Sarulf Rabenfeder erwachte. Wohlig kuschelte er sich unter seiner Decke. Viel Zeit bis zum Aufstehen blieb ihm nicht mehr, obwohl heute Sonntag war. Er würde abends pünktlich in der Kaserne sein müssen, da kannten seine Vorgesetzten keine Gnade. Königssohn hin oder her, diesbezüglich unterschied ihn nichts von allen anderen Kadetten. So wie sie hatte auch er sich den Ausbildungsplatz bei den Wölfen Wotans hart erkämpfen müssen. Denn die Auswahlkriterien waren sehr streng. Und das Erreichte wollte er sich nun durch ein Zuspätkommen nicht verderben. Außerdem war im Frühjahr die Ausbildung zu Ende und dann würde er sicher endlich die beiden gekreuzten Wunjo-Runen auf den Ärmel seiner Uniform bekommen und den ersten Wolf.

      Das erfüllte ihn schon jetzt mit Stolz! Es war schon immer sein Wunsch gewesen, zu den Hütern der Ordnung zu gehören und das große Volk der Germanen zu beschützen. Nach dem großen Fest zu Ehren von Ostara hatte er es geschafft, dann war er ein Teil dieser würdigen Hüter von Neu Germanien.

      Sarulf sprang aus dem Bett und streckte seinen athletischen Körper. Er begab sich in die Hygienekabine seines Zimmers, startete das Intensivprogramm und ließ sich reinigen. Zahlreiche Düsen sprühten heißes Wasser auf seinen Leib und Reinigungslotion. Schallwellen massierten seine Muskeln. Danach ließ er sich föhnen und entfernte die Stoppeln in seinem Gesicht mit Rasiercreme.

      Schließlich schlüpfte er in seinen schwarzen Overall, zog die Stiefel an und band sich den Multifunktionsgurt um seine Hüften. Zufrieden betrachtete er sein Spiegelbild und trat an das Fenster. Das Wetter war so, wie es Anfang November sein sollte, kühl und nass. Der Regen hatte einen Schleier über das Gehöft seiner Eltern gelegt. Trotz des dichten Rieselns konnte Sarulf die einzelnen Gebäude erkennen, die den rechteckigen Hof umstanden. Linkerhand neben dem schmucken Wohnhaus lagen die Stallungen für das Vieh sowie die Scheunen für Futter und Heu. Das daran anschließende Langhaus war den ledigen Knechten und Mägden vorbehalten, die auf dem Gut arbeiteten. Es folgte rechts die Unterkunft für die Bewerber, die auf Aufnahme in den Stamm hofften, die sie nur durch harte Arbeit erringen konnten und den Beweis, dass sie es wert waren, zum Stamm der Sueben zu gehören. Sie trugen bereits einen Kreis auf der rechten Schläfe und würden nach der Aufnahme in den Stamm die Stammes-Runen tätowiert bekommen: Othala und Gebo. Sie symbolisieren den Reichtum, den die Heimat allen schenkt: fruchtbarer Boden, endlose Wälder und überreichlich Tiere für die Jagd.

      Wenn sie jedoch