Rex Schulz

Im Jahr des Wolfes


Скачать книгу

dich in ein Straflager bringen, dort kannst du durch harte Arbeit und Entbehrung deine Schuld ableisten. Deine Stammes-Runen werden getilgt und dein Bürgerstatus erlischt mit sofortiger Wirkung!“

      König Rabenfeder griff in den silbernen Kasten an seiner Seite und nahm den Stab heraus. Er stellte ihn neu ein und übergab ihn an einen der Wölfe. Dieser drückte ihn Drachenstein an die rechte Schläfe. Ein Druck auf den Auslöser, Brunold zuckte kurz, leichter Rauch kräuselte empor.

      Der Wolf zog den Stab zurück und statt der Stammes-Runen der Sueben, zeigte sich nun ein feuerroter Kreis an dem Kopf. Der Wolf gab den Stab an Swidger Rabenfeder zurück, der ihn wieder in den Kasten legte.

      „Bringt ihn weg! Dank sei Odin, dass er uns mit seiner Weisheit gesegnet hat!“

      Die Menge rief wieder lauthals: „Odin, Odin, Odin!“

      Swidger stand auf, breitete seine Arme aus und rief:

      „Das Thing ist hiermit beendet! Unser Dank an Tyr! Der Thingfrieden ist hiermit aufgehoben! Euch allen den Segen der Götter auf euren Wegen!“

      Die Menschen begannen sich zu zerstreuen und gingen an ihre Arbeit zurück oder fuhren in ihre Gehöfte oder Firmengebäude. Die zwei Wölfe Wotans verfrachteten den Verurteilten in ihr Fahrzeug, bestiegen es und sanft summend hob sich der Panzer in die Höhe und verließ die Lichtung.

      Swidger blickte zufrieden auf die sich leerende Lichtung. Laut krächzend erhob sich ein Rabe in die Luft und flog ebenfalls von der Lichtung fort.

      Wenn das mal kein gutes Zeichen ist, dachte der König. Einer von Odins Raben war Zeuge des Thing und fliegt nun zurück nach Walhalla, um Odin Bericht zu geben!

      Meister Rabenzahn und seine Eleven schickten sich ebenfalls an, zu ihrem Tagwerk zurückzukehren, und auch Swanhild musste in ihr Haus, es waren noch Heiltränke zu brauen!

      Swidger Rabenfeder verließ das Podium und ging in Richtung seines Hofes, auch auf ihn wartete genug Arbeit. Einen großen Hof zu führen, ließ einem nicht viel freie Zeit!

       RAIDHO – Reiten / Rad (Rune der Reisenden)

       Kapitel 6

      Tief unten, an den Wurzeln von Yggdrasil, sitzen die Nornen

      und weben die Schicksalsfäden, von Frigg gesponnen.

      Sie werden Urdr, Verandi und Skuld gerufen.

      Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

      (NORDISCH-GERMANISCHE MYTHOLOGIE)

      Träge trieb er durch die trübe Flüssigkeit. Er fühlte sich schon wesentlich besser als zur Zeit der Reinigung. Seine Haut hatte sich fast völlig erholt, die wunden Stellen waren beinahe abgeheilt.

      Wie eine warme Hülle umschloss ihn die Flüssigkeit und bot ihm Schutz.

      Sogar etwas Gewicht hatte er schon wieder zugelegt und fühlte sich kräftiger. Er ließ seinen Blick umherschweifen und nahm vage Schemen in den Tanks neben sich wahr. Ebenso heilige Krieger wie er, die auf ihren Kampf vorbereitet wurden.

      Wie lange er noch in diesem Behälter würde verbringen müssen, wusste er nicht. Noch war sein Körper jedenfalls nicht so stark wie früher, und es würde wohl noch viel Zeit vergehen, bis der Aufbauprozess abgeschlossen war.

      Er bewegte seinen rechten Arm und hob seine Hand empor. Intensiv betrachtete er seinen Arm.

       Sehr dünn alles, aber ich kann schon mehr als Knochen erkennen. Die Muskeln zeichnen sich langsam unter der Haut ab. – Ja, ich werde wieder. Nur besser als vorher!

      * * *

      Weiß dominierte den Raum: von den gekachelten Wänden über die gefliesten Böden bis hin zum Mobiliar. Unterbrochen wurde es nur vom Silber der metallenen Apparaturen, welche auf den weißen Tischen standen.

      Der Mann, der sich über ein Elektronenmikroskop beugte, war ebenfalls in Weiß gekleidet, Hose, Kittel, Schuhe, Haube, sogar sein Mundschutz, der den größten Teil seines Gesichtes verhüllte, strahlten weiß.

      Nun veränderte der Mann einige Einstellungen an dem Mikroskop, blickte wieder konzentriert durch das Okular und machte sich Notizen. Dann entfernte er den Objektträger aus dem Gerät und schob einen anderen ein. Wieder studierte er intensiv die Probe auf dem Glasstreifen, drehte leicht am Schärfenregler und schrieb erneut etwas auf seinen Notizblock.

      Die Tür des Labors öffnete sich, eine Gestalt trat ein. Ihr Erscheinen ließ den reinen Raum noch lichter, die farblose Person noch blasser wirken. Die Kapuze ihres nachtschwarzen kuttenartigen Gewandes war tief ins Gesicht gezogen, sodass von ihm nur der dichte schwarze Vollbart zu sehen war.

      Der Dunkle trat an den Mann am Labortisch heran, der drehte sich herum.

      „Meister!?“

      „Wie läuft die Arbeit?“, sagte der Kuttenträger mit tiefer Stimme.

      „Alles zu unserer besten Zufriedenheit, Meister! Die Tests waren erfolgreich, die eingeschlossene Substanz verhält sich passiv! Die Hülle hält der aggressiven Magensäure stand und zerfällt erst nach der Berührung mit dem Botenstoff. Jetzt steht nur noch der Test mit der Darmflora an, dann haben wir’s geschafft!“

      „Sehr gut! Wann habt ihr ausreichend Kügelchen vorrätig, damit wir endlich beginnen können?“

      „Noch etwa eine Woche, Meister! Dann steht genug Material zur Verfügung, um mit der Einlagerung in die Körper zu beginnen!“

      „Recht so! Dann macht euch an die Arbeit! Und vergesst nicht, die Zähne müssen absolut echt aussehen, und sie müssen dem Druck normalen Zubeißens standhalten. Es darf nichts schiefgehen, das wäre eine Katastrophe für unseren Plan!“

      „Keine Sorge, Meister! Das bekommen wir in den Griff, wir werden die Ungläubigen mit ihren eigenen Waffen schlagen!“

      „Gut! Ich bin sehr zufrieden mit deinem Team! Trotzdem, verstärkt eure Anstrengungen, ich will spätestens am Geburtstag unseres großen Propheten und Heilands mit der Prozedur beginnen!“

      „Das schaffen wir, Meister!“

      „Das hoffe ich doch!“, der Mann in Schwarz, drehte sich herum und ging aus dem Raum. Hinter ihm schob sich die Labortür mit einem satten Schmatzen in ihre alte Position, und der Mann in Weiß war wieder allein im Labor.

      * * *

      Sarulf schwang sich über den Balken und tauchte unter dem nächstem wieder ab. Drüber und drunter, mit Leichtigkeit nahm er auch dieses Hindernis auf der Sturmbahn. Sein Kampfanzug war klatschnass und verschlammt.

      Fix rannte er zum letzten Gerät auf der Bahn und erkletterte geschwind die hölzernen Querbalken. Oben angekommen atmete er noch einmal tief durch und sprang in den Abgrund.

      Mit einem lauten Klatschen schlug er unten auf und versank kopfüber in der matschigen Brühe. Prustend tauchte Sarulf an der Oberfläche auf, stemmte seinen Körper aus dem Schlammloch und rannte so schnell er konnte auf die Ziellinie zu.

      „Zwei dreizehn, Rabenfeder! Gute Zeit!“, nickte sein Ausbilder.

      Sarulf stoppte seinen Lauf und ging schnaufend zu seinen Kameraden hinüber. Johlend wurde er von ihnen begrüßt. Reihum klatschte er die ihm dargereichten Hände ab.

      Er war zufrieden, nur ein wenig außer Atem hatte er den Parcours bewältigt und seine Zeit noch einmal um einige Sekunden verbessert.

      Nachher musste er zur Waffenkunde, aber das war kein Problem für ihn. Mit Waffen kannte er sich aus, und heute stand ein besonderes Sturmgewehr auf dem Lehrplan: Kalaschnikow – AK 2301, die Waffe der Infanterie der Schwarzmeerkoalition, im Übrigen auch vom Islamischen Kalifat bevorzugt. Sein Vater hatte so ein Gewehr in seinem Waffenschrank, Sarulf hatte es