Anne Neunzig

Staatsjugendorganisationen – Ein Traum der Herrschenden


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der Bezirks- und Ortsgruppen relative Selbstständigkeit.38

      1932

      Elisabeth Greiff-Walden wird am 15. März 1932 Referentin für Mädelfragen in der Reichsleitung der HJ.39

      Verbot der SA, SS und der Gesamt-Hitlerjugend am 13. April. Trotzdem arbeiten alle Organisationsformen illegal weiter und es entsteht die „Nationalsozialistische Jugendbewegung, die NAJB. Ohne Uniform, ohne Abzeichen“40.

      Laut Schirach steigt in der Verbotszeit die Mitgliederzahl auf 35.000 an. Mit Aufhebung des Verbotes der SA im Juni 1932 wird Baldur von Schirach durch Hitler zum Reichsleiter der NSDAP ernannt und erhält nach dem Rücktritt von Rentelns die Gesamtleitung der NS-Jugendarbeit übertragen.41 Im Juli wird der BDM zur offiziellen Mädchenorganisation der NSDAP erklärt, infolge dessen deren andere Mädchenorganisationen aufgelöst oder vom BDM übernommen werden. Referentin für Mädelfragen in der NS-Jugendbewegung in München wird Lydia Gottschewski (1906 - 1989).42 Es kommt zur Gründung von NS-Jugendbetriebszellen unter der Leitung von Artur Axmann (1913 - 1996).

      Das Jahr prägen intensive Zentralisierungsarbeiten und politische Propagandaaktionen der Gesamt-HJ. Es gibt „zahllose Kundgebungen, Märsche, […] Straßendemonstrationen, Versammlungskampagnen usw.“43

      1933

      Als Adolf Hitler am 30. Januar zum Reichskanzler ernannt wird und die NSDAP die Macht übernimmt, hat die Gesamt-Hitlerjugend ca. eine Million Mitglieder.

      Am 28. Februar erlässt Paul von Hindenburg (1847 - 1934) die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat. Damit ist u. a. die juristische Grundlage für eine zentralisierte Gleichschaltung sowie Auflösung aller politischen, kirchlichen und bündischen Jugendorganisationen gelegt.44 Die Gesamt-Hitlerjugend ist zu jenem Zeitpunkt noch nicht die größte und einflussreichste Jugendorganisation, gewinnt aber durch die neuen innerstaatlichen Machtstrukturen an enormen Einfluss.45 „Wie die NSDAP nunmehr die einzige Partei ist, so muß die HJ die einzige Jugendorganisation sein.“46 Im April des Jahres 1933 okkupiert Schirach die Geschäftsstelle des Reichsausschusses der deutschen Jugendverbände47 und übernimmt deren Vorsitz. Kurz nach der Übernahme beginnt er, die jüdischen und die parteigebundenen Jugendorganisationen aus dem Verband auszuschließen bzw. wie im Falle der rechtsorientierten Jugendorganisationen in die Gesamt-Hitlerjugend zu integrieren. Die NS-Jugendbetriebszellen und der Reichsverband der deutschen Jugendherbergen werden der HJ eingegliedert.48

      Am 8. April Zusammenschluss der bündischen Jugendorganisationen zum Großdeutschen Jugendbund, zwecks Abwehr der zunehmenden Macht der Gesamt-HJ. Nach der Ernennung Schirachs am 17. Juni zum Jugendführer des Deutschen Reiches, beginnt er sofort mit der Zerschlagung des Großdeutschen Jugendbunds. Viele der Bünde lösen sich in den folgenden Tagen und Wochen selbst auf, integrieren sich in die Gesamt-HJ oder werden durch die Gesamt-HJ verboten.49

      Die Eingliederungskampagne in die HJ betrifft auch die konfessionellen Jugendgruppen. Trotz des Reichskonkordats vom 20. Juli mit dem Vatikan, das den katholischen Verbänden eine eingeschränkte Jugendarbeit zugesteht, wird noch im gleichen Monat die parallele Mitgliedschaft in der Gesamt-HJ und in einer kirchlichen Jugendorganisation verboten.50

      Die evangelischen Jugendorganisationen werden durch ein Abkommen zwischen Schirach und dem Reichsbischof Ludwig Müller (1883 - 1945) Ende 1933 in die Gesamt-HJ eingegliedert.

      Es folgt die Ausgliederung von HJ und BDM aus dem Verantwortungsbereich der SA.

      Die gesamte Jugendorganisation wird Mitte des Jahres, veranlasst auch durch die vielen neuen Mitglieder, neu strukturiert. Ab jetzt sind innerhalb der Gesamt-Hitlerjugend die 10- bis 14-jährigen Jungen dem Deutschen Jungvolk, die 14- bis 18-jährigen Jungen der Hitlerjugend, die 10- bis 14-jährigen Mädchen dem Jungmädelbund (JM) und die 14- bis 18-jährigen Mädchen dem Bund deutscher Mädel zugeordnet.51

      Der BDM wird in seiner Arbeit unabhängiger, richtet sich nicht mehr alleinig an den Bedürfnissen der HJ aus. Er wird nun als „Kampf-, Arbeits- und Lebensgemeinschaft“52 beschrieben, die ihren Beitrag innerhalb der Gesellschaft zu leisten hat.

      Im Sommer übernimmt Lydia Gottschewski als Bundesführerin die Leitung des BDM. Durch das Verbot der anderen Organisationen steigen die Mitgliedszahlen deutlich an.

      1934 ('Jahr der Schulung und inneren Ausrichtung'53)

      Am 15. Juni Ernennung der Gauverbandsführerin Trude Mohr (Bürkner) (1902 - 1989) zur Reichsreferentin des BDM.54 Sie untersteht direkt der Reichsjugendführung (RJF).

      Im selben Monat wird der Sonnabend als 'Staatsjugendtag' ausgerufen. Er ist ausschließlich dem HJ- und BDM-Dienst vorbehalten und stellt die Mitglieder der Jugendorganisation von der Schule frei.

      Im Juli beginnt der HJ-Streifendienst seine Arbeit. Er übernimmt Polizeiaufgaben innerhalb der HJ und versucht oppositionelle Jugendgruppen auszumachen.55

      Durch die Übernahme der 'Artamanen' wird auch der landwirtschaftliche Bereich in die Gesamt-HJ integriert und es entsteht der 'Landdienst'. Einführung eines 'Hauswirtschaftlichen Jahres' für BDM-Mädchen als Beitrag zum Aufbau des 'Dritten Reiches'.56

      Artur Axmann ruft den Reichsberufswettkampf ins Leben, der zu einer bestehenden, faktisch verpflichtenden Instanz für Jungen und Mädchen wird.57 Die letzte bedeutende Maßnahme der HJ im Jahr 1934 ist ihre Abkopplung und Distanzierung von der SA, der sie laut Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933 noch immer unterstellt ist. Fortan werden die 18-jährigen Jungen nach ihrer Entlassung aus der HJ nicht mehr in die SA, sondern direkt in die NSDAP übernommen.58

      1935 ('Jahr der Ertüchtigung')

      Der Reichssportwettkampf findet zum ersten Mal statt. Seine Teilnehmerzahl steigt in den kommenden Jahren stark an.

      Wiedereinführung der allgemeine Wehrpflicht und der Arbeitsdienstpflicht im Juni. Die vormilitärische Ausbildung in der HJ rückt in den Vordergrund.59 Es entstehen verschiedene Sondereinheiten der Hitlerjugend, wie beispielsweise die Marine-HJ, die Motor-HJ, die Fliegereinheiten und die Nachrichten-HJ.

      1936 ('Jahr des deutschen Jungvolkes')

      Ab diesem Jahr erfolgt die Aufnahme der Jungen und Mädchen in das Jungvolk und den Jungmädelbund mit wenigen Ausnahmen in geschlossenen Jahrgängen jeweils zum 20. April eines Jahres, dem Datum des Führergeburtstages.60

      Im April Vereidigung von 190.000 Führern und Führerinnen der HJ und des BDM.

       Abb. 1: Das Gesetz über die Hitlerjugend

      Es folgt eine Neugliederung der Gesamt-HJ „nach Jahrgängen und Wohnbezirken“61. Zu dieser Zeit waren bereits sechs Millionen Jungen und Mädchen Mitglied der Hitlerjugend.62

      Baldur von Schirach wird zum Staatssekretär berufen.

      Ende des Jahres erlässt Adolf Hitler das Gesetz über die Hitler-Jugend. Die darin enthaltene 1. und 2. Durchführungsverordnung schreibt die Mitgliedschaft alle Kinder und Jugendlichen in der Gesamt-Hitlerjugend als Dienstpflicht fest. Mit diesem Gesetz endet die Entwicklung der Gesamt-Hitlerjugend, die „von einer 'Kampfjugend' über die 'Volksjugend' zu einer 'Staatsjugend' geworden war.“63

      1937 ('Jahr der Heimbeschaffung')

      Das Jahr 1937 ist gekennzeichnet durch den Aufbau von HJ- und BDM-Heimen und Adolf-Hitler-Schulen, die als Vorschulen der NS-Ordensburgen dienen. Der Aufbau der Reichsführerschule in Potsdam und der Akademie der Jugendführung dienen dazu, die Ausbildung und Karriere zukünftiger Führer und Vorsitzenden der Hitlerjugend zu verbessern.64

      In diesem und im folgenden Jahr werden die letzten, oft illegal bestehenden Jugendverbände ausgeschaltet.

      Dr. Jutta Rüdiger (1910 - 2001) übernimmt im November das Amt von Trude Mohr. Sie trägt fortan die Bezeichnung Reichsreferentin für den BDM beim Reichsjugendführer.65

      Verstärkte hauswirtschaftliche und kulturelle Tätigkeiten sollen den Vermännlichungstendenzen im BDM entgegenwirken.