José R. Brunó

El Raval


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sollte, machte die Sache jedoch erfreulich. Zum einen kannte er ihn und zum anderen würde bei der Kriminalpolizei sicherlich eine interessante Aufgabe auf ihn warten. Er ahnte, dass Lopez der Fürsprecher war, der ihn gezielt in seine Abteilung geholt hatte. Wer sonst sollte ihn für diese neue Aufgabe empfohlen haben?

      Er entschloss sich, den Fahrstuhl auf der ersten Etage anzuhalten, um sich wie befohlen bei Antonio Lopez zu melden. Pep stieg aus dem klapperigen Aufzug und ging direkt auf Zimmer 109 zu. Beim Anklopfen wurde mit dem obligatorischen »Adelante« hereingebeten. Lopez lächelte Pep freundlich an und forderte ihn auf, sich zu setzen.

      »José, du weißt, weshalb du hier bist?

      »Ich denke schon, Comisario.«

      »Du wirst ab dem zweiten Mai in meiner Abteilung arbeiten«, sagte er mit väterlicher Stimme. »Ich werde dafür sorgen, dass du befördert wirst und dich im Wesentlichen um unser Sorgenkind El Raval kümmerst. Ich werde dir noch einen Mann zuteilen und dann wollen wir mal sehen, ob wir da nicht mal ein wenig mehr Struktur hereinbekommen.«

      Der junge Polizist José Cardona hätte am liebsten einen Luftsprung gemacht. In seinem Viertel arbeiten zu dürfen, befördert zu werden, was natürlich auch eine Erhöhung seiner Bezüge zur Folge hatte, machten ihn augenblicklich zum glücklichsten Menschen der Welt. Für Pep bestand kein Zweifel, dass es der Comisario war, dem er seinen vermeintlichen Karrieresprung zu verdanken hatte. Lopez mochte den Zigeunerjungen aus El Raval und ohne ihn wäre Pep vermutlich nicht einmal bei der Polizei angenommen worden.

      »Ich habe Javier Fernandez, mit dem du deinen Polizeidienst begonnen hast, in meine Abteilung berufen und du wirst ihn ein wenig unter deine Fittiche nehmen. Ist das in Ordnung für dich?«

      Pep nickt eifrig mit dem Kopf und bedankte sich artig mit einer Ehrenbezeugung.

      Xavi Fernandez also sollte sein Partner werden, was auf der einen Seite erfreulich war, anderseits bezweifelte Pep, dass ausgerechnet El Raval für Xavi das Richtige war. Er konnte ohnehin das Gefühl nicht loswerden, dass die Polizei für Javier Fernandez nur eine Art Durchgangsstation sei. Pep war sich sicher: Würde Xavi die Polizeiarbeit nur halbwegs ernst nehmen, würde er eines Tages Karriere machen.

      »Wenn du jetzt noch einige Tage Urlaub hast, nimm sie, und wir sehen uns dann am zweiten Mai«, sagte Lopez.

      Die Verabschiedung der beiden hatte freundschaftlichen Charakter und Pep wurde von seinem neuen Chef mit einem kräftigen Händedruck hinausbegleitet.

      Eine neue Abteilung war geboren, die es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat. Eine Abteilung, die aus zwei unerfahrenen Polizisten bestand, und die sich ausschließlich um El Raval kümmern sollte.

      In den darauffolgenden Wochen mussten Pep und Xavi eine Menge über kriminalistische Untersuchungen lernen.

      In der Calle del Jaume I, nahe der gleichnamigen Plaza im gotischen Viertel, waren Labor, Kriminaltechnik und die Pathologie untergebracht. Hier galt es für die beiden neuen Kriminalisten, sich in die Techniken der kriminaltechnischen Untersuchung einweisen zu lassen.

      Chef der Pathologie war Doktor Ramon Montes, den man ständig irgendetwas essen sah. Sein zweites Hobby war das Rauchen. Bei ihm ging die Zigarette nie aus, so schien es. Er war knapp einen Meter fünfundsechzig groß und wog über neunzig Kilo. Sein rundliches und lustiges Gesicht zierte ein wuscheliger Oberlippenbart. Der Doktor mochte wohl so Ende vierzig sein und seine stoische Gelassenheit erklärte seine Körperfülle. Montes, hatte in einem Krankenhaus in Barcelona als Chirurg gearbeitet und war erst vor wenigen Jahren zur Pathologie gekommen. Zu Francos Zeiten wurden nur selten Obduktionen an Leichen durchgeführt. Schon gar nicht, wenn keine Spuren äußerlicher Gewalt am Opfer erkennbar waren. Hinzu kam, dass der Grad der Verwesung, auf Grund der klimatischen Bedingungen, innerhalb weniger Stunden eintrat. Es war Eile geboten, denn innerhalb von achtundvierzig Stunden, mussten die Leichen eingeäschert, oder beerdigt sein. Diktator Franco war seit einigen Jahren tot und es hatte sich einiges im Land verändert. Ende der siebziger Jahre wollte man schon einmal wissen, was die Todesursache der Opfer war, bei denen offensichtlich Fremdverschulden vorlag.

      »Soso, ihr seid die beiden neuen Kollegen, dann man auf gute Zusammenarbeit. Und ihr sollt also dafür sorgen, dass ich nicht arbeitslos werde?« Doktor Montes pflegte oftmals, seltsame Sprüche zu machen, die nur er selbst zu verstehen schien. Über seine ›Kunden‹ sagte er makaber, sie seien pflegeleicht und es habe noch nie Beschwerden gegeben.

      In der Forensik war Supervisora Laura Velasquez für die kriminaltechnischen Untersuchungen die erste Ansprechpartnerin. Sie war der Kopf der Kriminaltechnik und bei jeder Obduktion dabei. Laura hatte ein Praktikum in den USA gemacht und war ausgebildete Forensikerin.

      Sie war siebenundzwanzig Jahre alt und wer sie einmal gesehen hatte, wusste, warum viele Kollegen so gerne in die forensische Abteilung gingen. Die Supervisora war eine ausgesprochene Schönheit. Ihr hübsches Gesicht, ihre dunklen Augen, ihre langen schwarzen Haare und ihre langen Beine, die durch Schuhe mit hohen Absätzen nochmals betont wurden, verliehen Señora Velasquez eine besondere Aura. Sie war sich ihrer Schönheit bewusst und legte es offensichtlich darauf an, allen Männern den Kopf zu verdrehen. Auch Pep war beeindruckt und versuchte hin und wieder, ein paar schlaue Sätze loszuwerden, für die er sich im Nachhinein reichlich blöd vorkam.

      In den nächsten Monaten passierte nicht viel, was man als aufregend hätte bezeichnen können. Die beiden Polizisten waren inzwischen befördert worden. Aus Pep war Inspektor Cardona und aus Xavi war Subinspektor Fernandez geworden.

      Sie wurden täglich ins Barrio Chino gerufen – wenn sie nicht bereits dort waren – um irgendwelche Streitigkeiten zwischen den Huren und deren Kunden zu schlichten. Pep waren diese Geschichten bestens bekannt. Revierkämpfe unter den Huren und Freiern, die randalierten, weil sie bestohlen worden waren, waren die Regel. In einigen Fällen ging es darum, Zigeuner zu verhaften, die gerade mal wieder Touristen beklaut hatten oder Jugendlichen nachzujagen, die Frauen die Handtaschen entrissen hatten. Einige dieser Kleinkriminellen wurden mit in die Jefatura genommen, um sie erkennungsdienstlich zu erfassen und dem Haftrichter vorzuführen. Die Zeit, in der man ihnen eine Tracht Prügel verpasste, bevor man sie wieder laufen ließ, war zwar vorbei, aber ab und an wurde die Prügelstrafe doch noch angewandt.

      Die beiden Polizisten fuhren als Dienstwagen einen Renault R14, der seit einigen Jahren weder von außen gereinigt wurde, noch eine Werkstatt von innen gesehen hatte. Mit diesem Gefährt gingen die beiden täglich auf Streife in ihrem Revier. Einen Führerschein besaßen weder Pep noch Xavi, den hatte man automatisch, wenn man bei der Polizei war. Es war nur eine kurze Einweisung auf dem Lehrgang in Avila vonnöten gewesen. Die beiden hatte man mit einem sogenannten Beeper ausgestattet, den sie am Hosenbund trugen. Wenn ein Anruf einging, musste man schleunigst ein Telefon aufsuchen, um die Nummer anzurufen, die auf dem Beeper stand. Es war eine neuartige Erfindung aus Amerika. Eine andere Möglichkeit gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht und den Luxus, Funk oder Telefon im Auto zu haben, konnte man sich bei der Polizei nicht leisten, schon gar nicht in Fahrzeugen, die nicht als Dienstfahrzeuge gekennzeichnet waren.

      Die beiden Inspektoren fuhren regelmäßig durch ihr Viertel, um Präsenz zu zeigen, wobei die Uniform ein probates Mittel war, sich Respekt zu verschaffen.

      Ansonsten war für ihre Arbeit die Uniform nicht dringend vorgeschrieben. Sie mochten diese braune Uniform außerdem nicht besonders, weil sie in den Sommermonaten unerträglich warm war.

      Bei ihrer täglichen Arbeit zollten ihnen die Huren den meisten Respekt. Sie waren es, die stets bemüht waren, so gut wie möglich mit der Polizei auszukommen. Pep und Xavi hatten die ehemalige Hure Conchita auf der Straße getroffen, die Pep schon von Kindesbeinen kannte. Sie war vom Leben auf der Straße gezeichnet und Pep konnte sich erinnern, dass sie einst eine gut aussehende Prostituierte gewesen war. Inzwischen hatte sie dreißig Kilo zugelegt und einiges an Attraktivität verloren, was das Leben für sie nicht leichter machte.

      Conchi schaffte schon so lange in der Sant Fernando an wie Pep denken konnte. Sie hatte auch sonst kein Glück gehabt, was sie nie müde wurde zu betonen. Sie hatte mit dem blinden Losverkäufer Mariano zusammengelebt, der vor Kurzem gestorben war. Durch ihre krankhafte Neugierde entging ihr nichts,