Harald Rockstuhl

Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810


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– und dann berichtete sie ihm. Der aber schüttelte den Kopf. „Wat macks de denn enmal vor Dummheiten, Mutterken, der Vetter ist ja kein Kind mehr.“ – „Und du bist heute ein alter Brummbär“, sie lief an seinen Stuhl, nahm ihm die Pfeife aus dem Munde und gab ihm einen Kuß.

      Als wir wieder ernsthaft geworden waren, rückte ich heraus mit der Sprache; sie horchte hoch auf. Ich bat, sie möchte meine Ausrede mit dem Brief bestätigen, wenn morgen der Meister käme, weil ich doch weiter wolle. „Ach, warum nicht gar noch lügen!“ fuhr sie heraus. Da der Amtmann fortgegangen war, erzählte sie mir von ihrem Besuch bei der Frau Meisterin; ich sei damals gerade in der Mühle gewesen.

      „Sie ist ein junges, schönes und artiges Frauenzimmer und schien sehr glücklich, daß ihr Mann einen so braven Gehilfen habe, auf den er sich verlassen kann. Solch eine liebe Frau Meisterin kriegen Sie im Leben nicht wieder, Vetterken und nun wollen Sie plötzlich fort? Da steckt was Besonderes dahinter. Allons, heraus mit der Sprache!“

      Ich schob alles auf meine Wanderlust. Auch könnte das mit dem Briefe alle Tage wahr werden und sei eigentlich darum keine Lüge. Ich müsse des Abrufs immer gewärtig sein und wolle noch so viel sehn, wie sie wohl wisse.

      Sie sah mich mit großen Augen an. „Ei, ei, junger Herr Bechstedt aus Langensalza, wie sind Sie auf einmal gelehrt geworden! Also wenn man etwas behauptet, was nicht wahr ist, so ist das keine Lüge, weil es ja noch geschehen kann? Sehn Sie mal an, das habe ich noch nicht gewußt! Vetterken, haben Sie diese Sprachgewandtheit, die ich heute zuerst an Ihnen bemerkte, von Ihrer Frau Meistern gelernt? Sagen Sie mal, wie oft kommen Sie des Tages zusammen mit der Frau? Hilft sie mit in der Backstube?“

      Ich mußte mich wohl während dieser Rede verfärbt haben, denn sie sprang auf und faßte mich bei beiden Schultern. „Vetterken, Sie wollen ausreißen vor der schönen Frau Rosette, was?“ – Ich war außer mir, fühlte das Wasser über meine Backen laufen und wandte mich ab.

      „Nix da, herumgedreht und mir in die Augen geguckt. Ha, ha! Es freut mich königlich, daß ich’s getroffen habe. Nein, Vetterken, ich hab mir’s gleich gedacht, als ich die Frau zuerst sah; die ist zu jung und schön, als daß Sie den ganzen Tag um sie herum bleiben dürfen. In solchem Fall ist weit davon das Beste.“ – „Ach, liebe Frau Muhme, was schwatzen Sie denn nur? Ich kenne ja so was noch gar nicht.“

      „So, so, warten Sie einmal, Vetterken“ und damit kramte sie einen Brief heraus, den meine Mutter mir für sie mitgegeben, den aber meine Schwester geschrieben hatte; die hatte darin auch von meinen Langensalzer Geschichten erzählt und daß ich eines Mädchens wegen von Hause fortgegangen sei.

      Die Frau Muhme wollte sich halbtot lachen über mein verstörtes Gesicht und schließlich freute auch ich mich über die muntere Frau.

      Als wir bald darauf beim Kaffee zusammensaßen, legte sie den Arm um meine Schulter, sah mich ganz ernsthaft an und sagte: „Liebes Vetterken, sind Sie etwa schon zu sehr bekannt geworden mit Ihrer Frau Meisterin?“ – „Nun hab ich’s aber satt, Frau Muhme“, fuhr ich empört heraus, „wenn Sie nicht gleich aufhören, lauf ich heute noch da fort.“

      Sie sprang auf. „Bravissimo, bravissimo! Das ist ein richtiger Bechstedt. Vetterken, Sie werden einmal ein mordslieber Kerl!“ Damit packte sie mich beim Kopf und küßte mich tüchtig ab.

      Sie ging hinaus und ein Bäckerssohn, Schöneberg, trat herein, um Weizen zu kaufen. Wir kamen ins Gespräch und er nannte mir einen Gesellen, Fritz Thale, der bei meinem Meister an meiner Statt eintreten könne – nach drei Tagen war der neue Geselle im Hause und den nächsten Sonntag packte ich der Magd vom Dözel meine Sachen in den Korb.

      Tags vorher war die Frau Meisterin mehrmals in die Backstube gekommen, hatte mich aber gar nicht angesehn; später, als ich oben in meiner Kammer war, hörte ich ihre Stimme: „Mosje Willem, sind Sie oben?“ Sie kam herauf und wir nahmen mit etlichen Tränen Abschied, dann drückte sie mir etwas in die Hand und lief davon.

      Ich machte das Päckchen auf, es war ein goldenes Kreuzchen darin und dabei lag ein Zettel, darauf stand geschrieben: „Es ist von meiner Mutter. Wenn wir in zehn Jahren noch leben, dann bring es mir wieder. Jetzt verbrenne dies Papier, lieber Wilhelm.“

      Ich barg das Kreuz in meiner Brieftasche, ging hinunter an den Ofen und guckte immer vorn nach der Stubentür. Endlich kam Frau Rosette. Ich nahm schnell das Papier, hielt es über das Leuchtfeuer und sagte: „Jetzt verbrenne ich mein süßes Heiligtum.“ Sie flüsterte: „Nur die Erinnerung nicht.“

      Den Sonntagmittag mußte ich noch einmal mitessen. Ich verabschiedete mich vom Meister und dankte ihm für alles, was er mir Gutes erzeigt und was ich bei ihm gelernt hatte. Auch der Frau Meisterin sagte ich Lebewohl und Dank und drückte ihr dabei die Hand wohl etwas heftiger, als Mode ist. Mit schwerem Herzen ging ich fort. – – –

      Die Frau Muhme wollte mich noch acht Tage auf dem Dözel festhalten, aber ich machte Ernst und schnürte mein Bündel. Der Hofmaier mußte Holz fahren und kam bis in die Nähe von Magdeburg. Mein Felleisen lag schon auf dem Wagen; bald saß auch ich drauf. Noch ein Adieu für den Vetter und die Frau Muhme; ich versprach, bald zu schreiben, schwenkte noch einmal den Hut und die Pferde zogen an.

      Meinen Freund Heinrich hatte ich lange nicht gesprochen; sein Meister wohnte noch am Magdeburger Tor. Ich ließ da halten, mußte einen Schnaps mittrinken und Meister und Meisterin Wiegemann gaben mir die Hand und forderten mich auf, sie zu besuchen, wenn ich wieder nach Neuhaldensleben käme. Keins von uns hatte wohl eine Ahnung davon, daß ich anderthalb Jahre später in diesem Hause in Arbeit treten würde.

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